Abo

Es geht um mehr als nur ums EssenWarum der Ramadan in Corona-Zeiten anders ist

Lesezeit 4 Minuten
Auf das gemeinsame Fastenbrechen muss Scheich Hassan Dyck und die Sufi-Gemeinde in Sötenich verzichten.

Auf das gemeinsame Fastenbrechen muss Scheich Hassan Dyck und die Sufi-Gemeinde in Sötenich verzichten.

Kall-Sötenich/Euskirchen – Der diesjährige Ramadan ist schöner als alle zuvor, sagt Scheich Hassan Dyck. Da sei es fast schon egal, dass Fastenbrechen mit der gesamten Gemeinde nicht stattfinden kann. Für Ulas Önal (30) gibt es dagegen nichts schöneres als das gemeinsame Fastenbrechen mit der Familie. Doch der Ramadan während der Corona-Pandemie ist anders.

Er fahre gerne zu seiner Familie zum Fastenbrechen, sagt Önal. Doch aktuell besucht er seine Eltern seltener, um sie zu schützen. Beide haben Vorerkrankungen und er möchte seine Eltern keinem Risiko aussetzen. Das gemeinsame Essen und Fastenbrechen genießt der 30-jährige Euskirchener normalerweise sehr. „Was schöneres gibt es nicht“, sagt Önal. In normalen Zeiten trifft sich die Gemeinde in der Moschee abends, um zusammen zu essen. Aktuell darf dort nur gebetet werden. Das helfe zwar vielen Menschen, aber „beten kann man auch zuhause“, so Önal.

Etwas lockerer

Allgemein sehe er das Fasten im Ramadan eher etwas lockerer, sagt Önal. Der Euskirchener arbeitet als Finanzfachmann, ist oft bei Kunden und treibt viel Sport. Wenn er Homeoffice macht oder Online-Schulungen hat, faste er im Ramadan. Aber er habe die Erfahrung gemacht, dass das bei Kunden weniger gut funktioniert. Nicht, weil seine Kunden komisch reagiert hätten, sondern weil er an Tagen mit vielen Kundenterminen dann nicht so konzentriert ist. „Man tut das für sich“, sagt Önal übers Fasten. Der Euskirchener würde das auch an solchen anstrengenden Tagen schaffen, aber dann „ginge es mir nicht so gut.“ Seine Eltern hätten ihn so erzogen, dass das Fasten nicht zwingend sei. Wichtiger sei es, ehrlich zu sein, sagt der Finanzfachmann: „Lieber fastet man nicht, als das man sagt, man hält sich an den Ramadan und trinkt oder isst dann heimlich.“

Der Scheich Hassan Dyck von der Sufi-Gemeinde in Sötenich hat schon viele Ramadane gefeiert. Für ihn geht es dabei um viel mehr als nur den Verzicht auf Essen und Trinken und das anschließende gemeinsame Fastenbrechen. „Der Hauptzweck des Ramadans ist die Besinnung auf sich, das Leben und Gott“, sagt Dyck. Es gehe darum, das eigene Ego zurück zunehmen, den Materialismus zu hinterfragen, den Glauben zu überprüfen und „sich mit dem Zustand und Sein nach dem Tod zu beschäftigen“, so Dycks Auffassung. Dafür lese er viele Bücher, höre sich Vorträge an und meditiere zuhause. Der Unterschied in diesem Jahr zu den anderen Jahren ist dadurch eigentlich gar nicht so groß, sagt Dyck.

Nicht weniger schön

Natürlich sei es schade, dass in diesem Jahr die gesamte Gemeinde den Ramadan nicht zusammen feiern kann, aber dadurch ist der Ramadan nicht weniger schön, sagt Dyck. Auch wenn deutlich etwas fehle, schließlich sei das Fastenbrechen ein familiäres, freundschaftliches Ereignis.

Vor der Pandemie kamen abends rund 40 bis 50 Menschen in der Herberge zusammen, um nach dem gemeinsamen Gebet in dem Restaurant das Fastenbrechen zu feiern, erinnert sich der Scheich. Derzeit kommen nur etwa 20 Menschen in die Herberge, um zusammen das Tarawih-Gebet, welches im Ramadan jeden Abend auf das Nachtgebet folgt, zu beten. Laut Vorgaben der Corona-Schutzverordnung dürften bis zu 70 Menschen gleichzeitig beten. Da das gemeinsame Essen aber nicht gestattet ist, sei es vielen zu anstrengend, nur fürs Beten den Weg auf sich zu nehmen. Schließlich können die Gläubigen überall beten, sagt der Scheich. Das müsse nicht unbedingt in der Herberge sein.

Dyck ist froh, dass die Herberge in diesem Jahr zumindest für die Gebete den Gläubigen zur Verfügung steht. Im letzten Jahr musste die Herberge in der ersten Hälfte des Ramadans geschlossen bleiben. Die Gemeinde ist kreativ geworden und hat angefangen, die Gebete als Livestream im Internet zu übertragen. Das ist auch in diesem Jahr beibehalten. Auch wenn die Gemeinde nicht zusammen feiern darf, so bricht die Gemeinschaft nicht weg, sagt der Scheich.

Teil der Religion

Für Önal ist das Fasten Teil der Religion. Eine Motivation zum Fasten, wie das gemeinsames Abendessen, brauche es für ihn deswegen nicht. Verzicht sei auch mal wichtig, sagt der 30-Jährige. Trotzdem habe Önal das Gefühl, dass in diesem Jahr weniger Menschen fasten. Nicht deswegen, weil aufgrund der Corona-Beschränkungen bereits sowieso schon auf vieles verzichtet werden müsse, sondern weil die psychische Belastung durch die Situation sehr groß sei.

Das könnte Sie auch interessieren:

Komisch werden wird in diesem Jahr die Feier zum Zuckerfest, das sich an den Ramadan drei Tage lang anschließt, ist sich der Finanzfachmann sicher. Man könne die Bedeutung des Festes mit Weihnachten gleichsetzten: Die Familie mit der großen Verwandtschaft kommt zusammen, es gibt lange Traditionen und Geschenke, so der 30-Jährige. „Darauf wie gewohnt zu verzichten wird schlimmer“, sagt Önal.

KStA abonnieren