Interview mit Euskirchener SPD-Chef„Hoffentlich hält die GroKo im Kreis“

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Aus dem Klassenzimmer ins Landratsbüro? Markus Ramers hat viel vor.

Aus dem Klassenzimmer ins Landratsbüro? Markus Ramers hat viel vor.

  • Im Mai kündigte Markus Ramers an, im Herbst 2020 für den Posten des Landrats kandidieren zu wollen. Eine Nominierung durch den SPD-Kreisparteitag gilt als sicher.
  • Der Lehrer für Geschichte und Mathematik spricht über Frauen in der Politik, die GroKo und den Landrat.

Herr Ramers, Ihre Partei sucht neue Bundesvorsitzende. Wollten alle Kandidaten gemeinsam zum Parteitag fahren, bräuchte es einen Bus. Haben Sie da noch den Durchblick?

Markus Ramers: Ja. Es gibt drei bis vier ernstzunehmende Kandidaturen, die das unter sich ausmachen werden. Ich finde es aber gut, dass es an der Basis Genossen gibt, die sagen: Ich will meinen Beitrag leisten.

Haben Sie Favoriten?

Ich bin noch relativ offen. Mir gefallen aber das Duo Pistorius/Köpping vom inhaltlichen Ansatz her und Kampmann/Roth, weil beide sehr frisch wirken.

Zur Person

Bereits im Mai hatte Markus Ramers angekündigt, im Herbst 2020 für den Posten des Landrats kandidieren zu wollen. Eine Nominierung durch den SPD-Kreisparteitag gilt als sicher.

Seit 2014 ist Ramers bereits stellvertretender Landrat. Fünf Jahre zuvor wurde er als jüngstes Mitglied in den Euskirchener Kreistag gewählt. Ramers steht seit 2013 dem SPD-Kreisverband Euskirchen vor. Er ist 32 Jahre alt, Lehrer für Geschichte und Mathematik am St.-Michael-Gymnasium in Bad Münstereifel. Er lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern in Freilingen. (sch)

Zur Politik im Kreis Euskirchen: Die CDU wendet ein ähnliches Verfahren bei der Suche ihres Landratskandidaten an – mit Bewerbung und anschließender Abstimmung in einer Mitgliederversammlung. Sie wurden im Parteivorstand – böse Zungen könnten auch vom Hinterzimmer sprechen – nominiert. Wie passt das zur SPD, die sich doch für fortschrittlich hält?

Ich denke, im Endeffekt zählt das Ergebnis. Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung auf den Prozess der Kandidatenaufstellung achtet, sondern auf die Person, die am Ende als Kandidat dasteht. Es kann aber immer noch jemand auf dem Parteitag aufstehen und sagen, er oder sie wolle kandidieren.

Mit Ihrer Nominierung haben Sie aber schon Pflöcke eingeschlagen.

Ja, natürlich. Ich glaube aber auch, dass meine Kandidatur innerhalb der SPD unumstritten ist und ich nach Auffassung meiner Partei derjenige bin, der bei der Landratswahl die größten Chancen hat. Viele haben mich auch motiviert und gesagt: Mach’ das, geh’ an die Öffentlichkeit und schaffe Fakten. Darauf haben wir ja auch in den letzten Jahren hingearbeitet. Ich habe mich darauf vorbereitet. Da wäre es Firlefanz gewesen, zur Schau noch einen großen Findungsprozess zu veranstalten.

Weder CDU noch SPD schaffen es, eine Landratskandidatin zu finden. Warum nicht?

Ich kann nicht für die CDU sprechen, die – das muss ich anerkennen – mit Ute Stolz immerhin eine Fraktionschefin im Kreistag hat. Das ist ein guter Schritt, das wird der CDU guttun. Wir in der SPD müssen selbstkritisch feststellen, dass wir es in den vergangenen Jahrzehnten versäumt haben, ausreichend Frauen für die Kommunalpolitik aufzubauen. In einigen Räten haben wir ja weibliche Fraktionsvorsitzende. Wir versuchen das auszubauen.

Beide CDU-Bewerber haben jahrelange Verwaltungserfahrung und sind auch entsprechend ausgebildet. Sie üben den ehrenhaften Beruf des Gymnasiallehrers aus. Warum glauben Sie, eine Verwaltung mit 1300 Mitarbeitern besser leiten zu können?

Es wird bei der Wahl nicht ausschlaggebend sein, welche Ausbildung man hat, sondern welchen Rückhalt man in der Bevölkerung hat und welche Ideen man mitbringt. Viele Bürgermeister wie Hans-Peter Schick in Mechernich oder Sabine Preiser-Marian in Bad Münstereifel haben ja auch keine Ausbildung in Verwaltungsfragen. Landrat Rosenke hatte die auch nicht, als er Landrat wurde. Deshalb sind sie ja keine schlechten Bürgermeister oder Herr Rosenke kein schlechter Landrat.

Was macht einen guten Landrat aus?

Meinem Verständnis nach sollte er eine Brücke zwischen Bevölkerung, Verwaltung und Politik sein, wie es Günter Rosenke auch handhabt. Es geht nicht darum, dass der Landrat den Haushaltsentwurf selber aufstellt, obwohl ich mir das Mathematiklehrer durchaus zutrauen würde (lacht). Es geht darum, dass der Landrat über den Haushalt mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern kommuniziert und dass er dafür eine Mehrheit im Kreistag herbeiführt.

Bringen Sie dafür genügend Erfahrung mit?

Ich denke schon. Ich bin seit 2009 im Kreistag, seit fünf Jahren stellvertretender Landrat und habe als solcher auch schon Kreistagssitzungen geleitet – auch schwierige, wie die, in der über den Kreishausanbau entschieden wurde. Ich fühle mich diesem Amt gewachsen.

Wann haben Sie entschieden, Landrat werden zu wollen?

Es war jetzt kein Kindheitswunsch. Ich war 2009 das jüngste Kreistagsmitglied und habe Spaß an der kommunalpolitischen Arbeit gewonnen. Dabei habe ich auch gemerkt, dass viele Dinge, die die Menschen betreffen – Kindergartenplätze, Personennahverkehr, Schulen – vor Ort entschieden werden. Diese politische Arbeit ist mir am wichtigsten. Durch den Posten des stellvertretenden Landrats ist der Wunsch noch einmal gestiegen.

Haben Sie als stellvertretender Landrat eine Art Amtsbonus light?

Was die öffentliche Präsens angeht, auf jeden Fall. Auch was den Kontakt zu Vereinen betrifft.

Ist Rosenke Ihr Vorbild?

Wir sind nicht in allen inhaltlichen Fragen einer Meinung. Es gibt auch Unterschiede im Politikstil. Der Landrat ist aber im ganzen Kreis, auch in den kleinsten Orten, bekannt ist. In dieser Hinsicht ist er schon ein Vorbild. Das hat er sich aber in 25 Jahren aufgebaut, das kann man nicht auf Anhieb kopieren.

Vieles von dem, was Sie vorgeschlagen haben – beitragsfreie Kita-Besuche, kostenfreier ÖPNV für Kinder und Jugendliche oder zehn Millionen Euro für den Wohnungsbau – klingt gut, muss aber zum Teil von den Städten und Gemeinden bezahlt werden Ist es fair, Wahlversprechen auf Kosten anderer zu machen?

Ich glaube nicht, dass ein Bürgermeister oder seine Kommune darunter leidet, wenn die Bürger keine Kita-Gebühren zahlen müssen...

... es schränkt aber den finanziellen Spielraum der Kommune ein ...

.. macht aber auch eine Kommune für Eltern attraktiver, dorthin zuziehen. Das stärkt die Kommune im Wettbewerb mit Kommunen in anderen Kreisen, die die Kita-Gebühren vollständig abgeschafft haben wie etwa der Kreis Düren. Das bringt der Kommune dann weitere Einnahmen vom Land und über die Einkommenssteuer. Wir wollten die komplette Beitragsfreiheit, so weit wollte die CDU nicht gehen. Wir haben aber einen guten Kompromiss gefunden: Es bezahlt keiner mehr als früher, die meisten aber weniger.

Und der Wohnungsbau?

Da liegen SPD und CDU gar nicht so weit auseinander. Wir wissen, dass es dramatisch an bezahlbarem Wohnraum fehlt. Aus unserer Sicht reicht es nicht, dass wir ein Bündnis für Wohnen gründen. Der Kreis sollte auch Geld in die Hand nehmen, was im Übrigen die Kommunen nicht belasten wird, weil es aus dem Anlagevermögen finanziert werden kann.

CDU-Chef Detlef Seif hat die SPD kritisiert. Hält die Große Koalition im Kreistag bis zur Wahl?

Ich hoffe das. Wir haben das 2014 vereinbart, und das sollten wir auch verlässlich zu Ende führen.

Und nach der Kommunalwahl im Herbst 2020?

Wir müssen sehen, wie sich der Kreistag dann zusammenstellt. Nach zehn Jahren CDU/SPD-Koalition kann ich auch verstehen, dass sich die kleinen Fraktionen etwas an den Rand gestellt sehen.

Sie werden wohl auch deren Wahlunterstützung brauchen, um Landrat zu werden. Wie laufen die Gespräche mit den Grünen und den Linken?

Das müssen die anderen Parteien beantworten. Es ist ja noch nicht juristisch entschieden, ob es wirklich keine Stichwahl geben wird. Daher wird die Entscheidung zur Landratsfrage bei einigen wohl bis zum Ende des Jahres noch reifen müssen. Ich habe aber immer gesagt, dass meine Kandidatur eine Kandidatur der Einladung ist, und diese Einladung steht nach wie vor.

Gilt das auch für die AfD?

Wer meine bisherige politische Positionierung zur AfD kennt, weiß, dass ich mir eine Zusammenarbeit mit ihr nicht vorstellen kann.

Von der SPD im Bund ist derzeit eher Gegen- als Rückenwind für Ihren Wahlkampf zu erwarten. Betonen Sie deshalb immer wieder, dass die Landratswahl eine Persönlichkeitswahl ist?

Ich betone das, weil es wirklich eine Persönlichkeitswahl ist.

Wird denn das Logo der SPD auf Ihren Plakaten zur Landratswahl zu sehen sein?

Ich bin voller Überzeugung Sozialdemokrat und werde das auch nie leugnen. Beim Logo kommt es darauf an, ob sich weitere Parteien oder Initiativen für meine Wahl engagieren werden.

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