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ErsatzkirmesMobiler Jahrmarkt in der Euskirchener Erftaue bis zum 9. August

Lesezeit 6 Minuten
Alle Wagen der Raupe „Musik Express“ werden nach jeder Fahrt von Kevin Mozien desinfiziert.

Alle Wagen der Raupe „Musik Express“ werden nach jeder Fahrt von Kevin Mozien desinfiziert.

  • 24 Tage lang, ist diese Kirmes in diesem Jahr der Ersatz für den Ausfall der Donatus-Maikirmes und des Simon-Juda-Markts.
  • Die Veranstalter hoffen auf 30000 Besucher.
  • Die 35 Schausteller sind froh, dass auf diese Weise ein kleiner Teil der Ausfälle aufgefangen werden kann.

Euskirchen – 24 Tage lang, noch bis zum 9. August, immer von mittwochs bis sonntags, gibt es nun doch eine Kirmes in Euskirchen – und so lang war sie noch nie: Der „Happy Erftauen Park“ ist in diesem Jahr der Ersatz für den Ausfall der Donatus-Maikirmes und des Simon-Juda-Markts. Die Veranstalter hoffen auf 30000 Besucher. Die 35 Schausteller sind froh, dass auf diese Weise ein kleiner Teil der Ausfälle aufgefangen werden kann.

„Wollt Ihr noch mehr?“ Andreas Zinnicker aus Landshut wirft kurz einen Blick auf die Handvoll Fahrgäste in der Gondel der Riesenschaukel „Best XXL Exclusive“. Der Turm des Fahrgeschäfts überragt als neues, temporäres Wahrzeichen von Euskirchen alles andere im Erftauenpark. Ein Elektromotor beschleunigt die Gondel bis auf 120 km/h und es geht bis in 45 Meter Höhe. Die Gondel dreht sich um die Horizontal- und Vertikalachse.

Neue Fahrgeschäfte

„Aber nicht über Kopf“ – so macht Zinnicker den Zögerlichen bei der Premiere des Fahrgeschäftes in Euskirchen Mut. Das Fahrgeschäft aus Niederbayern ist wie einige andere der von Günther Hündgen und Peter Barth Junior zusammentelefonierten Kollegen zum ersten Mal dabei. Unverhofft dank Corona.

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Constantin Derksen, neun Jahre alt, ist nach seiner ersten Steig-Kipp-Tour begeistert: „Das macht Spaß!“ Die Familie aus Lengerich im Kreis Steinfurt ist gerade auf Verwandtenbesuch in Euskirchen und schnell in die Erftaue gekommen. „Das ist doch eine gute Idee! Damit die Schausteller in diesem Jahr überhaupt was verdienen“, gibt Mutter Tanja Derksen die Bewertung vor, die fast alle befragten Besucher am Samstag auf dem Gelände zwischen Erftstraße und Marienpütz teilen. Dabei ist sie ein bisschen blass um die Nase: „Für so eine Riesenschaukel ist man einfach irgendwann zu alt…“

Reinigung nach jeder Fahrt

Eine Station weiter auf dem Einbahnstraßen-Parcours der 35 Schaustellerattraktionen desinfiziert Kevin Mozien alle Wagen des „Musik Express“ – einer jugendfreien Raupe ohne Knutsch-Verdeck und nur mit kurzer Tunnelfahrt. Nach jeder Fahrt wird das erledigt. Man wisse ja nicht, wie viele Gäste pro Fahrt dabei sein wollen, begründet Sandra Issel, die auf dem traditionsreichen Fahrgeschäft von Lebenspartner Timo Reminder gerade das Kommando im Kassenhäuschen hat, die Hygienemaßnahme.

Aus Duisburg ist der „Musik Express“ auf dem Tieflader angerollt. Das ist kein Problem gewesen, auch nicht so kurzfristig, so Issel: „Wir waren seit März startklar, bis Corona kam. So konnten wir einhängen und losfahren.“ Sie ist froh, dass mittlerweile mehrere Städte es wie die Euskirchener halten: Sie bieten – wenn auch nicht zu den traditionellen Terminen – im Sommer eine Ersatzkirmes an.

Nur das Stellenangebot am Geländer des „Musik Express“ fehlt: „Junger Mann zum Mitreisen gesucht.“ Sandra Issel lacht: „Das können wir uns in diesem Jahr nicht leisen.“ Kevin Mozien gehört zur festen Belegschaft. Stattdessen bittet ein Handdesinfektionsgerät am Zugang um Benutzung. Auf das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während der Fahrt im Express wird verzichtet: Der Fahrtwind dürfte alle menschlichen Aerosole im Nu zerstäuben.

Beim Kamelrennen von Sheila von der Gathen aus Euskirchen ist das schon anders. Was gibt es auf einer Kirmes ruhigeres als mit der Kugel den Sprung eines bunt bemalten Blechkamels auf dem Renn-Parcours auszulösen? Doch gerade herrscht gähnende Leere vor dem Rennplatz. „Ich glaube, viele Leute müssen sich erst daran gewöhnen, dass es in diesem Jahr doch eine Kirmes gibt. Warten wir mal das nächste Wochenende ab“, so von der Gathen.

Oder sie wissen schlicht noch nichts vom „Happy Erftauen Park“. Nur jeweils 600 Besucher kamen an den beiden ersten Tagen seit der Eröffnung am Donnerstag – das ist kein Massenansturm. Es fehlt allerdings noch jede Ausschilderung zum Spektakel. „Wir warten auf unseren Grafiker“, sagt Mitinitiator Günther Hündgen.

So wurde zwar in Rekordzeit ein Rettungswege- und Hygienekonzept ausgearbeitet, doch bisher nur DIN-A-6 kleine Handzettel gedruckt, mit einer schlecht lesbaren Lagekarte auf der Rückseite. Und das war’s bislang. „Es fehlen noch Schilder mit den Öffnungszeiten, Umleitungsschilder – und einmal Einbahnstraße mit Pfeilrichtung rechts“, so Hündgen. Letzteres ist nötig, damit die Besucher nach der Eingangskontrolle auch korrekt in den Einbahnstraßenparcours starten.

Eine einmalige Sache

Der „Happy Erftauen Park“ wird eine einmalige, der Corona-Pandemie geschuldete, Veranstaltung bleiben. Darauf weist der Euskirchener Schausteller Günther Hündgen, einer der beiden Initiatoren der 24-tägigen Ersatzkirmes, hin. „Das Gelände hier ist nur zum Teil befestigt und die Strecken für die Versorgungsleitungen, etwa für Wasser, sind sehr lang. Die Euskirchener Kirmes bleibt in der Stadt“, sagt Hündgen.

Erfreut zeigt sich Hündgen über die schnelle und gute Zusammenarbeit mit der Stadt bei der Genehmigung dieser „Ersatzkirmes“: „Das war freitags von Peter Barth Junior und mir geplant, und montags war die mündliche Zusage da!“ Mit im Organisationsteam, das den „Happy Erftauen Park“ in zwölf Tagen auf die Beine stellte, sind noch Peter Barth Senior und Fredi Zündorf.

Geöffnet ist der „Happy Erftauen Park“ mittwochs bis samstags von 13 bis 21.30 Uhr, sonntags von 12 bis 21.30 Uhr. Eintritt und die Nutzung der Parkplätze sind kostenlos. 1500 Besucher maximal sind gleichzeitig erlaubt. Über eine Bändchengebühr von einem Euro wird das kontrolliert, zudem müssen die Besucher ihre Kontaktdaten zur eventuellen Rückverfolgung einer Infektionskette hinterlegen. (sli)

Solchen Sorgen treibt die Clique aus drei Euskirchener Familien beim „Crazy Ball“ von Mario Barber aus Köln nicht um. Celina, fünf Jahre alt, konzentriert sich auf den weichen Stoffball, mit dem sie die wenige Meter entfernt stehende Blechbüchsen-Pyramide möglichst zur Gänze und in einem Wurf zerstören will. Das geht am besten eben nicht mit roher Gewalt, weiß Celina wenige Sekunden später.

Sie darf sich trotzdem aus den Gewinnen bedienen, die Schausteller Mario Barber großzügig zur Prämie deklariert: Riesenball, Stoff-Lama – und vor allem Kinderschminke. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt Barber etwas dramatisch, während er die Büchsen wieder zur Pyramide aufstellt. „Man lebt und liebt als Schausteller seinen Beruf. Wenn die Kinder vor einem stehen und sich über einen Gewinn freuen – das ist jetzt alles weg.“

Also sagte er sofort zu, als ihn Barths Anfrage erreichte – schließlich ist er auf den beiden traditionellen Kirmessen in Euskirchen Stammgast. Die 24 Tage in den Erftauen werden ihm das Jahr umsatzmäßig gesehen nicht retten, wo er eigentlich seit März im 300-Kilometer-Umkreis um Köln unterwegs wäre. Aber es ist mehr als nichts.

Miguel Jeske, drei Jahre alt, bevorzugt das Entenangeln per Magnet aus dem kleinen Fließgewässer im Spielgeschäft von Roswitha Müller. „Das ist hier in der Erftaue viel entspannter als bei dem Geknubbel auf der Kirmes in der Stadt“, sagt Mutter Michelle.

Ihr wäre die Adresse als dauerhafter Kirmesplatz am liebsten – was allerdings nicht möglich ist (siehe „Eine einmalige Sache“). Idylle ist zwar gut und schön zwischen Nervenkitzel und leckeren Fritten an der Bude. Doch für Schausteller und Veranstalter kann es gerne etwas unruhiger werden: Der erhoffte Publikumsansturm ist bisher aus geblieben. Das ernüchtert. Für die als Zielmarge nach 24 Tagen ausgegebenen 30000 Besucher ist, so Hündgen, wie man so schön sagt, viel Luft nach oben.

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