FluchtPaar aus Eritrea findet sich in Euskirchen wieder

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Für ihre Töchter Betiel (6) und Luna (2) wünschen sich Nuguse Tomas und seine Frau Metemet Haile eine Zukunft in Sicherheit. 

Euskirchen – Es ist eine von jenen Geschichten, die stellvertretend für das Schicksal zahlreicher Geflüchteter steht. Im Mittelpunkt Nuguse Tomas und seine Frau Metemet Haile, die mit ihren beiden Töchtern in einer kleinen Euskirchener Mietwohnung leben – in Sicherheit und vereint.

Tomas arbeitet als Busfahrer, seine Frau macht gerade ihren Führerschein. Es gibt einen Balkon, die ältere Tochter Betiel geht nach den Sommerferien in die erste Klasse. Zwölf Jahre war das Paar getrennt, bevor es sich schließlich in Euskirchen wiederfand.

Normales Leben in Eritrea kaum möglich

Bereits Jahre vor der großen Migrationsbewegung 2015 floh Nuguse Tomas aus seinem Heimatland Eritrea. Der Grund? „Die Diktatur“, erklärt er knapp. In Eritrea sei ein normales Leben kaum möglich, Männer müssten im Militär dienen – oft auf unbestimmte Zeit. 2009 heiratete er seine Frau Haile, gerade volljährig seien sie damals gewesen. Sie seien sich schnell einig gewesen, sich in Eritrea keine gemeinsame Zukunft vorstellen zu können. „Der Plan war, dass ich vorgehe und sie nachkommt“, erklärt er.

Dass damit eine zwölfjährige Odyssee für das frisch getraute Paar beginnen sollte, dass sie sich zeitweise sogar aus den Augen verlieren und schließlich in Euskirchen wiederfinden würden, das ahnten die beiden zu dem Zeitpunkt noch nicht.

„Ankommen“ - die Serie

Teilhabe am gesellschaftlichen Leben

In der Serie „Ankommen“ stellen wir Menschen vor, die sich aus unterschiedlichen Gründen mutig auf den Weg gemacht haben – in ein neues Land und damit in eine neue Kultur und Gesellschaft. Was gefällt ihnen an Deutschland, was bleibt fremd? Und welchen besonderen Herausforderungen mussten und müssen sie sich stellen, um am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben zu können. Integration, da sind sich alle einig, ist ein langwieriger Prozess. 

Ein wechselseitiger Prozess

Das Ministerium für Integration (BMI) versteht unter gelungener Integration ein „sich einer Gemeinschaft zugehörig fühlen“. Zuwanderung könne nur als ein wechselseitiger Prozess gelingen: „Sie setzt die Aufnahmebereitschaft der Mehrheitsgesellschaft voraus wie auch die Bereitschaft der Zugewanderten, die Regeln des Aufnahmelands zu respektieren und sich um die eigene Integration zu bemühen“, schreibt das Ministerium auf seiner Homepage.  

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Die Bilder überfüllter Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer sind wohl in den meisten Köpfen verbreitet – auf genau so einem Gefährt habe der heute 32-Jährige von Nordafrika nach Sizilien übergesetzt. Anschließend habe er acht Jahre in Italien gewohnt.

„Dort gibt es wenig Arbeit und man braucht Freunde, die einem eine Unterkunft geben“, berichtet er. Derweil habe Haile versucht, ihm hinterher zu reisen, doch es sei ihr nicht gelungen. So konnte sie nur innerhalb Afrikas flüchten. „Wir haben uns in dieser Zeit immer wieder besucht“, erinnert sich Tomas.

Die Erlebnisse der Flucht hat Spuren hinterlassen

Die erste Tochter Betiel wurde geboren. 2018 sei es Haile gelungen, den Kontinent zu verlassen, doch es habe sie nicht nach Italien, sondern nach Deutschland verschlagen. An ihre Flucht denkt sie nicht gerne: „Mir geht es nicht gut, wenn ich mich erinnere. Ich möchte lieber nicht darüber reden.“ Ihr Mann erklärt, dass Haile durch das Erlebte psychisch stark belastet sei.

2019 sei auch er schließlich nach Deutschland gekommen. Ein Problem, das viele Geflüchtete aus seinem Land haben, sei der fehlende Reisepass. „In Eritrea bekommen nur sehr wenige Menschen einen Reisepass. Es ist eine Diktatur, die Regierung will verhindern, dass jemand ausreist“, erklärt Tomas, der eine Ausbildung zum Busfahrer absolviert hat. Heute arbeitet er für den Stadtverkehr (SVE) und den Regionalverkehr Köln (RVK) im Kreis Euskirchen.

Vier Jahre lang kein Lebenszeichen erhalten

Als er in Deutschland angekommen sei, habe er nicht gewusst, wo seine Frau sei. Zu dem Zeitpunkt hätten die beiden bereits seit vier Jahren kein Lebenszeichen mehr voneinander gehabt. Persönliche Habseligkeiten, Papiere – das meiste habe er auf der Flucht verloren und somit auch keine Kontaktmöglichkeit mehr gehabt.

Nuguse Tomas kommt schließlich nach Essen. Das habe er sich nicht ausgesucht, er sei der Stadt durch die zuständigen Behörden zugewiesen worden. Dort habe er sich ans Rote Kreuz gewandt und nach seiner Frau gefragt sowie seine Informationen hinterlegt.

Mit Hilfe von DRK und Caritas wiedergefunden

Metemet Haile sei derweil in Euskirchen mit der Tochter im Geflüchteten-Wohnheim untergekommen. Das Rote Kreuz und die Caritas hätten sich schließlich darum gekümmert, dass die Kontaktinformationen ihres Mannes zu ihr gelangten. „Zuerst ging es darum, ob sie mich überhaupt wiedersehen will“, erzählt Tomas. Immerhin seien vier Jahre vergangen seit ihrem letzten Treffen.

Doch Haile wollte ihren Mann wiedersehen. „Wir haben uns am Bahnhof in Euskirchen wieder getroffen. Ich bin aus dem Zug gestiegen und sie hat dort gewartet“, erinnert sich der Vater. Und seine Frau ergänzt: „Wir hatten uns so lange nicht gesehen.“

Familie fühlt sich wohl und willkommen in Euskirchen

Kurze Zeit später sei Tomas zu seiner Frau nach Euskirchen gezogen, habe die Ausbildung angefangen und die beiden hätten eine Wohnung gefunden. Die zweite Tochter Luna wurde geboren. „Wir fühlen uns hier wohl und willkommen“, sagt Haile.

Doch einfach sei es nicht immer. Seit sie in Euskirchen lebe, gehe es ihr psychisch zwar wieder besser, doch die Fluchterfahrungen belasteten die Mutter zwischenzeitlich immer wieder.

Auch der fehlende Kontakt zur restlichen Familie sei belastend, sagt Tomas: „Wir haben unsere Familien seit etwa zehn Jahren nicht mehr gesehen. Der Kontakt ist schwierig, weil es in Eritrea kein Facebook oder Whatsapp gibt.“

Deutsche Staatsbürgerschaft ist das Ziel

Trotzdem sehen sie der Zukunft positiv entgegen. „Nach einer bestimmten Zeit bekommt man einen deutschen Pass. Das ist unser Ziel, weil wir bleiben und eine eigene Wohnung kaufen wollen“, so Tomas.

Ein weiterer Wunsch beziehe sich auf die gemeinsamen Kinder. „Wir möchten nicht, dass unsere Töchter so etwas auch erleben müssen. Wir wünschen uns eine gute Zukunft für sie“, sagt Nuguse Tomas.

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Die sechsjährige Tochter Betiel liebt es, zu malen und mit Barbiepuppen zu spielen. Seit längerem versuche sie ihre Eltern zu überzeugen, ein Trampolin zu kaufen. „Ich gehe auch gerne ins Schwimmbad“, erzählt sie. Jetzt aber freut sich das Mädchen erst einmal auf die Schule. Ihren Namen schreiben kann die Sechsjährige bereits. 

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