Trauriger DackelDer kleine Sammy hätte beinahe ein neues Zuhause gefunden

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Im Tierheim wartet Sammy nun auf passende neue Besitzer.

Im Tierheim wartet Sammy nun auf passende neue Besitzer.

Euskirchen – Eigentlich sollte hier die Geschichte von einem einsamen Dackel, seinem alten, kranken Herrchen, einer Tierfreundin mit riesengroßem Herz und der mitfühlenden Auszubildenden der Euskirchener Wohnungsbaugesellschaft Eugebau erzählt werden. Eine Geschichte voller Menschen guten Willens. Eine Geschichte mit einem Happy End, wie es jedem Märchen gut zu Gesicht gestanden hätte. Eigentlich. . .

Doch leider geht es im wahren Leben nur selten zu wie im Märchen. Eine, die das mutmaßlich neben dem Dackel am meisten bedauert, ist Petra Knupp. Sie spielt zu Beginn der Geschichte so etwas wie die Rolle der guten Fee. In dieser Zeitung liest sie die Meldung von dem einsamen Dackel, der nachts so herzerweichend und ausdauernd jault, dass ein Wohnungsnachbar die Polizei ruft.

Herrchen im Seniorenheim

Der Mann sorgt sich um seinen Mitbewohner, fürchtet, er liegt hilflos in seiner Wohnung. Die Polizei findet schnell heraus, dass das Herrchen von Sammy, so heißt der Zwergrauhaarteckel, krankheitsbedingt ins Altenheim gekommen ist und sich nicht mehr um seinen Hund kümmern kann.

Für Petra Knupp ist sofort klar: Sammy zieht bei mir und Jessi, ihrer 13 Jahre alten Jack Russell Hündin, ein. Glückliche Fügung: Petra Knupp arbeitet in genau jenem Altenheim, in dem der alte Mann nun lebt. Und weil das Heim von einer Frau geleitet wird, die Hundebesuche bei ihren Bewohnern zu schätzen weiß, hätte der alte Herr sogar weiter Kontakt zu seinem Liebling haben können.

Doch erst muss Sammy ins Mechernicher Tierheim umziehen. Dort bewirbt sich Petra Knupp um den Neuzugang. Bevor sie den Knirps mit nach Hause nehmen kann, ist noch eine bürokratische Hürde zu nehmen: Das Tierheim besteht auf einer schriftlichen Einverständniserklärung von Knupps Vermieterin, der Eugebau. An dieser Stelle kommt die zweite gute Fee ins Spiel: Hanna Isenmann, ihres Zeichens Auszubildende bei der Wohnungsbaugesellschaft. Als Petra Knupp sich mit ihrem Anliegen an das Unternehmen wendet, überträgt Eugebau-Geschäftsführer Oliver Knuth die Anfrage zur Bearbeitung an seine junge, vielversprechende Mitarbeiterin.

Petra Knupp muss nicht lange auf Antwort warten. Schon am nächsten Tag bekommt sie Post von Hanna Isenmann: „Sehr geehrte Frau Knupp, Sie baten um Erlaubnis, einen Rauhaardackel in ihrer Wohnung halten zu dürfen. Die Geschichte hat mich sehr berührt. Nach Rücksprache mit der Geschäftsführung darf ich mitteilen, dass wir Sie in dieser Dackelangelegenheit sehr gerne unterstützen. Bitte nehmen Sie das Tier auf. Die Erlaubnis wird Bestandteil des Mietvertrages.“

Sammy kennenlernen

Mit dem Segen der Vermieterin in der Hand fährt Petra Knupp mit Jessi nach Mechernich, um Sammy kennenzulernen. Der sei ein lieber, unkomplizierter kleiner Hund, der sich über jede Streicheleinheit freue und sehr unter dem Verlust seines Herrchens leide, so die Einschätzung der Tierheimmitarbeiter.

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Beim ersten Spaziergang zu dritt sieht Petra Knupp gleich, dass Sammy nicht nur in sehr schlechtem Pflegezustand ist, sondern auch noch nicht viel von der Welt gesehen hat. Doch sie ist zuversichtlich, dass es ihr gelingen wird, Sammys Horizont zu erweitern, ihm einen Start in ein neues, unbeschwertes Leben als Kumpel an Jessis Seite zu ermöglichen. Schließlich ist die 67-Jährige von Kindesbeinen an den Umgang mit Hunden und Pferden gewohnt. Aus der verstörten Angstbeißerin Jessi, die im Alter von dreieinhalb Jahren zu ihr kam, hat sie einen Hund gemacht, der sein Leben genießen kann.

Sammys Betreuer in Burgfey freuen sich, unter den vielen Bewerbern, denen das Schicksal des alten Mannes und seines Hundes nahe gegangen ist, eine so erfahrene neue Besitzerin für den zehn Jahre alten Rüden gefunden zu haben. Die hat bereits einen Termin beim Tierarzt ihres Vertrauens gemacht, um Sammy einer Grundsanierung zu unterziehen. Seine Impfungen müssen aufgefrischt werden, die Zähne müssen behandelt werden, die langen Krallen gekürzt und Flöhen und Milben in Fell und Ohren der Garaus gemacht werden. Glücklich stimmen die Tierpfleger Sammys Einzug bei Petra Knupp zu.

Rotzfrecher kleiner Macho

Doch an dieser Stelle wechselt die Tonart der Geschichte von Dur zu Moll. Kaum in Knupps Wohnung angekommen, zeigt sich der Knirps von einer ganz anderen Seite: Das schüchterne Häuflein Elend aus dem großen, kalten Tierheimzwinger mutiert zum rotzfrechen kleinen Macho, der seine Wohltäterin attackiert, in die Wohnung pinkelt und mit gefletschten Zähnen auf dem Küchentisch steht.

Sein Benehmen kann Petra Knupp nicht aus der Ruhe bringen. Im Gegenteil, ihr ist sofort klar, dass es dem kleinen Dackel in seiner Vergangenheit nicht nur an Pflege, sondern auch an Erziehung und klarer Führung gemangelt hat. Eine Aufgabe, der sie sich nicht nur gewachsen fühlt, sondern auf die sie sich auch freut, weil sie sieht, welches Potenzial Sammy hat. Er wäre nicht der erste Hund, der unter ihrem Einfluss zu einem sozialeren Wesen werden würde. Sechs bis sieben Wochen schätzt sie, wird sie brauchen, um Sammy die Grundregeln friedlichen Zusammenlebens beizubringen. Denn der kleine Kerl erweist sich als durchaus lernfähig, begreift gleich am ersten Tag, dass Bade- und Schlafzimmer für ihn tabu sind.

Doch Petra Knupps ehrgeizige Pläne mit Sammy werden von Jessi durchkreuzt. Die alte Hündin ist zutiefst verunsichert über den neuen Mitbewohner. Wenn er gemaßregelt wird, bezieht sie das auf sich und versteht die bis dahin für sie so heile Welt nicht mehr. Als Jessi eines Nachts am ganzen Körper zitternd, mit wackelndem Kopf im Wohnzimmer steht und sich nicht auf ihren Schlafplatz traut, zieht Petra Knupp die Reißleine. Jessi hat vor einigen Wochen ihren zweiten Schlaganfall erlitten, auf einen weiteren will Petra Knupp es nicht ankommen lassen. „Ich würde mir mein Leben lang Vorwürfe machen.“ Am nächsten Morgen bringt sie Sammy zurück ins Tierheim.

„Sonst wird aus ihm ein Wanderpokal“

Sein Blick, als sie ihn einem Tierheimmitarbeiter in den Arm drückt, wird sie wohl noch lange verfolgen. Nun hofft sie, dass sich die richtigen Menschen für den Rüden melden. Kein älteres Ehepaar, das Sammy einen Platz auf der Couch zu bieten hat. Den würde er nämlich, da ist sich die Hundefrau sicher, im Zweifel binnen kürzester Zeit mit Zähnen und Klauen verteidigen. Petra Knupp ist kein Fan von Jägern, dennoch glaubt sie, dass Sammy bei einem Weidmann, der sich mit dem Charakter von Dackeln auskennt und ihm eine Aufgabe gibt, gut aufgehoben wäre. „Sonst wird aus ihm ein Wanderpokal“, so ihre pessimistische Prognose. Damit das nicht passiert, ist sie bereit, die neuen Besitzer mit all ihrer Erfahrung zu unterstützen.

Hanna Isenmann, die gute Fee der Eugebau, wird jedenfalls nicht die einzige sein, die sich freuen wird, wenn es doch noch ein Happy End in dieser Dackelangelegenheit geben würde.

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