Vorrat an Flächen stark geschrumpftKreis Euskirchen boomt als Wirtschaftsstandort

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Der Verkauf eines 21,7 Hektar großen Areals bei Obergartzem an das Molkereiunternehmen Hochwald katapultierte die Stadt Mechernich bei den Veräußerungen von gewerblichen Grundstücken 2018 an die Spitzenposition im Kreis. 

  • Im Jahr 2018 wurden im Kreis Euskirchen mehr als dreimal so viele Gewerbeflächen verkauft wie in den Jahren davor.
  • Möglich machen das Überschwapp-Effekte aus dem Kölner Raum.
  • Es gibt aber auch einige Schattenseiten, die die Bilanz mit sich bringt.

Kreis Euskirchen – Da, wo Sonne ist, da gibt’s auch Schatten. Diese Binsenweisheit trifft auch auf die Bilanz der verkauften Gewerbeflächen im Kreis Euskirchen zu. Dass 2018 mehr als dreifach so viel an Gewerbefläche verkauft wurde wie in den Vorjahren, ist ebenso beachtlich, wie die Tatsache, dass es der Kreis Düren mit 19,5 Hektar und die Städteregion Aachen mit 19,9 Hektar in dem Jahr nicht mal auf die Hälfte brachten.

Aus Sicht von Dr. Lothar Mahnke, Geschäftsführer der Aachener Gesellschaft für Innovation und Technologietransfer (Agit), liegt das nicht nur an der aktuellen Niedrigzins- und Hochkonjunkturphase. „Es sind Überschwapp-Effekte aus dem Kölner Raum spürbar“, skizzierte Mahnke im Wirtschaftsförderungsausschuss des Kreises. Davon profitiere der Kreis Euskirchen, während der Kreis Düren zu weit weg von Köln liege.

Mechernich ist strahlender Gewinner

Iris Poth, Leiterin der Stabsstelle für Struktur- und Wirtschaftsförderung des Kreises, freut sich mit den Kommunen über deren Verkäufe, relativiert aber auch: „Der Nachfrageboom wird auch durch einige Großverkäufe bestimmt und er konzentriert sich zudem auf lediglich fünf der elf kreisangehörigen Städte und Gemeinden.“ Das sind Mechernich (26,1 Hektar), Euskirchen (14,3 Hektar), Zülpich (6,1 Hektar), Weilerswist (3,4 Hektar) und Dahlem (2,0 Hektar).

Der strahlende Gewinner ist die Stadt Mechernich, wobei allein 21,7 Hektar der dort verkauften Fläche auf das Konto des Molkereiunternehmens Hochwald in Obergartzem gehen. Weitere große Verkäufe sind die an das Modeunternehmen Fond of in Euskirchen (6,7 Hektar) sowie die Standorterweiterung der Tagasako Europe in Zülpich (5,1 Hektar). Mit Abstand am meisten Gewerbefläche im Kreisgebiet nachgefragt haben die Branchen Verarbeitendes Gewerbe (27,4 Hektar), Logistik (11,6 Hektar) und Handel (7,4 Hektar), gefolgt von Dienstleistungen (4,9 Hektar) und Baugewerbe (0,6 Hektar).

Es gibt allerdings auch Schattenseiten

Doch die Bilanz hat ihre Schattenseiten. Dabei handelt es sich nicht nur um das Nord-Süd-Gefälle im Kreis, das auch durch die geografische Verteilung der Firmenstandorte verdeutlicht wird. Nach Kenntnis der Agit waren 2018 bei „beDirect“, einem Joint Venture von arvato und Creditreform (letztere ist die größte deutsche Wirtschaftsauskunftei) fast 8900 wirtschaftlich aktive Unternehmen im Kreis registriert. Die tatsächliche Zahl der Unternehmen kann höher sein, da sich Firmen aus der Datenbank löschen lassen können. Aber 71 Prozent der dort verzeichneten Firmen haben ihren Standort in den fünf Nordkreiskommunen Euskirchen (2655), Mechernich (1206), Zülpich (898), Bad Münstereifel (883) und Weilerswist (683).

Lothar Mahnke wies auf eine weitere Schattenseite hin. Wenn viel verkauft wird, wird das Angebot knapper. In 47 der insgesamt 90 Gewerbegebiete im Kreis ist nichts mehr frei. In den übrigen 43 Gewerbegebieten stünden noch 253,4 Hektar zur Verfügung. Allerdings hätten sich in den vergangenen fünf Jahren die sofort verfügbaren Flächen um mehr als 50 Prozent (74 Hektar) reduziert. Im Kreis seien 71,4 Hektar sofort, 30,5 Hektar kurzfristig (innerhalb von 2 Jahren) und 151,4 Hektar mittelfristig verfügbar.

Flächenreserven

Mit 116 Hektar besitzt die Stadt Euskirchen laut Agit die mit Abstand größten verfügbaren Gewerbeflächenreserven. 24 Hektar davon seien sofort verfügbar (alle Angaben Stand 1. Januar 2019).

Danach folgen Kall (52 Hektar gesamt, 10 Hektar sofort verfügbar) und Hellenthal (26 Hektar gesamt, 3 Hektar sofort verfügbar). Wie Kall besitzt auch Nettersheim mit 10 Hektar die zweitgrößte sofort verfügbare Flächenreserve im Kreis Euskirchen.

44 Prozent der verfügbaren Fläche befinden sich somit in der Kreisstadt. Besonders geringe Anteile von jeweils unter zwei Prozent an ihrer Gesamtreservefläche weisen Schleiden, Bad Münstereifel, Blankenheim und Weilerswist auf. (ch)

Nicht enthalten ist darin die mehr als 200 Hektar große LEP-Fläche in Euskirchen und Weilerswist, die das Land für industrielle Großansiedlungen vorhält und vermarktet. Der Rückgang der sofort verfügbaren Flächen veranlasste Mahnke im Wirtschaftsförderungsausschuss des Kreises zu einer Warnung: „Der Kreis ist an einer strategischen Grenze. Hat er genug Fläche? Der Regionalplan geht bis 2040, das ist eine lange Zeit.“ Denn, so Mahnke: „Bei den Gewerbeflächen ist die Bezirksregierung restriktiv unterwegs und zementiert eher den Status Quo.“

Hinzu komme, dass ein Teil der freien Gewerbeflächen im Kreis sich an Stellen befinde, die schwer oder gar nicht zu verkaufen seien. Im Nordkreis spricht Mahnke dagegen schon fast von einer „Überhitzung“. Aus Sicht der Agit müssen die Städte und Gemeinden im Kreis verstärkt Anstrengungen unternehmen, ihre gewerblichen Flächenreserven zeitnah zur Marktreife zu bringen. Besonders gelte das für autobahnnah gelegene Standorte. Dort könnten künftig überregional größere Ansiedlungen, die etwa einen Drei-Schicht-Betrieb und einen nächtlichen Lkw-Umschlag benötigten, angesiedelt werden.

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Unter die Lupe nehmen müssten die Kommunen auch die „häufig in die Jahre gekommenen“ alten Gewerbegebiete, die oft durch Leerstände, Brachen oder nicht adäquate Nutzungen wie Schrotthandel, Autovermietungen oder Vergnügungsstätten geprägt seien. Diese Gebiete böten die Möglichkeit, nichtstörendes Gewerbe, Dienstleistungen und Nahversorgungseinrichtungen anzusiedeln und so den Verbrauch von Freiflächen für neue Ausweisungen zumindest teilweise zu kompensieren.

Auch neue Modelle auf der Basis interkommunaler Gewerbegebiete seien eine Möglichkeit. Mahnke nannte das Beispiel eines Gewerbeflächenpools in der Städteregion Aachen. Bei diesem Projekt kooperierten Kommunen mit wenig Flächen und hoher Nachfrage mit jenen Kommunen, in denen noch genügend Flächen vorhanden seien.

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