Landwirtschaft im Kreis EuskirchenMit Smart Farming gegen die Klimakrise

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Die Landwirtsaft im Kreis leidet unter den Folgen der Erderwärmung.

Die Landwirtsaft im Kreis leidet unter den Folgen der Erderwärmung.

  • Ernteausfälle, Waldleiden, Wetterextreme – die Folgen der Klimakrise lassen sich bereits vor unserer Haustür beobachten.
  • In unserer Serie „In Sachen Klima“ betrachten wir nun jeden Mittwoch verschiedene betroffene Bereiche genauer. Was ist der Status-Quo? Was kann und muss sich vielleicht verändern?
  • Wir sprechen mit Experten und geben Tipps, was jeder einzelne von uns tun kann.

Kreis Euskirchen – Trockenheit, Spätfrost, Extremwetter, Schädlinge – kaum eine Branche spürt die Klimakrise im Kreis Euskirchen derzeit so stark wie die Landwirtschaft. Die Folge: Die Gefahr von Bodenerosion wächst, Pflanzen können Dünger schlechter aufnehmen und leiden an Trockenstress, die Futterproduktion sinkt, Kühe geben weniger Milch. Kurzum: Die Erträge werden geringer.

„Und wenn in Euskirchen schlecht geerntet wird, heißt es nicht, dass der Euskirchener Landwirt mehr Geld für seine Ernte bekommt“, sagt Heinrich Brockerhoff. Er ist der Geschäftsführer der Kreisstellen Aachen, Düren und Euskirchen der Landwirtschaftskammer. Zwar betrifft die Klimakrise alle Landwirte in NRW, aber manche Regionen trifft es härter. Eine davon ist die Zülpicher Börde, die im Regenschatten der Eifel liegt und mit knapp 600 Millimetern Niederschlag pro Jahr die niederschlagärmste Region in NRW ist, heißt es im neuen Klimawandelanpassungskonzept des Kreises Euskirchen.

Allerdings sind Landwirte nicht nur Leidtragende der Klimakrise, sondern auch Verursacher. Denn in ihren Betrieben werden Treibhausgase wie zum Beispiel Methan ausgestoßen. Hauptverursacher dafür sind dem Konzept zufolge die Viehhaltung und das Düngen. In Nordrhein-Westfalen war die Landwirtschaft laut dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz 2018 für 2,9 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, deutlich weniger als Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr und Haushalte. Trotzdem nennt das Konzept des Kreises eine Reduktion der Emissionen in der Landwirtschaft als „wichtigsten Schritt“.

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Auch Strukturwandel wirkt sich aus

„Ressourcenschonende Landwirtschaft – das ist das Ziel“, sagt auch Brockerhoff. Die Landwirtschaft müsse sich verändern. In 15 Jahren werde es mit Sicherheit weniger Betriebe im Kreis geben. Das liege aber nicht nur an der Klimakrise, sondern auch an dem Strukturwandel, der sich seit Jahren in der Landwirtschaft vollziehe, erklärt er. Immer mehr kleinere Betriebe geben auf. Für die übrigen gilt es, sich dem Klimawandel anzupassen. „Aber das kennt die Landwirtschaft eigentlich auch“, sagt Brockerhoff. Sie sei schon immer abhängig von Wind und Wetter gewesen.

Die Klimakrise verstärke das, weil die Wetterentwicklung dadurch noch unberechenbarer werde. Zwar lasse sich beispielsweise absehen, dass die Vegetationsperiode tendenziell länger werde und sich Extremwetterereignisse häuften. Nur könne man eben nicht exakt vorhersagen, wann genau welche Extremphase komme, erklärt Brockerhoff.

Hinzu kommen Schädlinge. Wärmere Winter ließen etwa Blattläuse besser überleben und wegen neuer klimatischer Gegebenheiten gebe es auch neue Unkraut-Arten. Gleichzeitig werde der Gesetzgeber, was den Einsatz von Pflanzenschutzmittel angehe, immer restriktiver, sagt Brockerhoff.

Futterreserven aufgebraucht

Er rate den Landwirten deshalb, auf unterschiedliche Anbaukulturen und innerhalb der Kulturen auf verschiedene Sorten zu setzen – das Risiko also zu streuen. Allerdings sei die Landwirtschaft abhängig vom Markt. Beispielsweise zeige sich Roggen gegenüber Hitze und Trockenheit resistenter. Nur werde Roggen einfach nicht so viel gekauft, da lohne sich der Anbau schlichtweg nicht, so Brockerhoff.

Schwierig ist die Risikostreuung vor allem für Vieh-Betriebe. Sie bauen laut Brockerhoff hauptsächlich Gras als Eigenfutter an und können da schwer variieren. Allerdings sei Mais unter den Ackerfrüchten eher ein Gewinner der klimatischen Veränderungen. Weshalb der Anbau von Mais als Futterpflanze eher zunehme. Insgesamt seien die Futterreserven bei vielen Landwirten im Kreis aufgebraucht, so Brockerhoff. Im Grunde hoffe man nun auf mehr Regen. Ansonsten müssen die Landwirte Futter zukaufen.

3 Tipps für Verbraucher

Die Landwirtschaft ist abhängig vom Marktverhalten. Dementsprechend haben die Verbraucher auch Einfluss auf die Klimafreundlichkeit der Betriebe im Kreis. Heinrich Brockerhoff von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen nennt drei Tipps, wie Verbraucher Klimaschutz und Landwirtschaft mehr unterstützen können.

1. Regionale Landwirtschaft stärken. Das heißt für den Verbraucher: verstärkt regional einkaufen.

2. Mehr Klimaschutz bedeutet, weniger Lebensmittel wegzuwerfen.

3. Mehr Klimaschutz bedeutet, emissionsärmere Lebensmittel zu bevorzugen.

Bewässerung sei bei Grünland zu teuer, erklärt Brockerhoff. Für die Ackerbaubetriebe im Nordkreis mit Kartoffel- oder Gemüseanbau sei das eher ein Thema. Doch bei der Zuteilung von Wasser stehen sie hinter der Grundwasserversorgung der Bevölkerung und der Industrie. Und der Kreis gehe immer restriktiver mit der Freigabe von Grundwasser um, berichtet Brockerhoff. Das habe einen einfachen Grund: „Wasser ist knapp.“

„Smart Farming“ gegen die Klimakrise

Eine mögliche Lösung: mehr Regenrückhaltebecken. Eventuell könne man auch das Brauchwasser aus der Industrie für die Bewässerung von Feldern nutzen, so Brockerhoff. Außerdem müsse sich die Art der Bewässerung ändern. Derzeit werden Felder mit großen Beregnungskanonen bewässert, dabei verdunste viel Wasser. Tröpfchenbewässerung sei effektiver. „Das ist dann ressourcenschonend“, sagt Brockerhoff.

Solche Techniken seien aber teuer. Trotzdem sieht Brockerhoff darin eine Chance, die Landwirtschaft klimafreundlicher zu gestalten. „Smart Farming“ gegen die Klimakrise. Denn genaue Technik reduziere und präzisiere den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Dünger und Wasser.

So werden bei organischem Dünger wie Gülle Treibhausgase emittiert. Diesen Ausstoß könne man durch den Einsatz moderner Technik reduzieren, mit deren Hilfe der organische Dünger bodennah ausgebracht und schnell eingearbeitet werde.

Der Umstieg auf Öko-Landwirtschaft sei aus klimatischer Sicht nur bedingt sinnvoll, sagt Brockerhoff. Die Klimabilanz bezogen auf die Fläche sei bei Öko zwar besser, aber die geringeren Erträge verschlechterten diese Bilanz. In Sachen Klimabilanz gebe es in der Summe keine großen Unterschiede.

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Um weitere Emissionen zu vermeiden, liegt der effektivste Faktor laut Klimawandelanpassungskonzept darin, die Viehbestände zu reduzieren. Durchsetzbar ist das für Brockerhoff aber nur über den Markt: „Wird weniger Fleisch gegessen, wird auch die Viehhaltung zurückgehen.“ Ein Beispiel für die Auswirkung des Marktes auf die Klimabilanz sei die Milch. Etwa 12 000 Milchkühe werden im Kreis gehalten. Viele Betriebe könnten heute wegen des gefallenen Milchpreises nicht mehr kostendeckend arbeiten, sagt Brockerhoff. Einige Bauern hielten daher mehr Kühe als noch vor zehn Jahren, um mehr zu produzieren. Mehr Kühe bedeuten aber mehr Treibhausgas-Ausstoß. Fläche und Vieh zu reduzieren, schlussfolgert Brockerhoff, sei für Landwirte nur dann möglich, wenn sie ihre Produkte auch teurer verkaufen könnten.

3 Fragen an einen Öko-Landwirt aus dem Kreis

Hans von Hagenow ist  Leiter des Bio-Hofes Haus Bollheim in Zülpich-Oberelvenich.

Was tut der biologisch-dynamische Betrieb Haus Bollheim für den Klimaschutz?

Hans von Hagenow: Der Ansatz von Haus Bollheim ist das Aufbauen eines ganzen Organismus, in dem sich Ackerbau, Gemüse-Anbau und Viehhaltung gegenseitig ergänzen.

Wie machen Sie das?

Durch die Vielseitigkeit. Wir haben beispielsweise eine vielgliedrige Fruchtfolge und bauen sehr viele unterschiedliche Kulturen an. Dadurch wird der Boden nicht so einseitig beansprucht und die unterschiedlichen Pflanzen haben positive Auswirkungen aufeinander. Wir verzichten auf Herbizide und Fungizide. Unkraut bekämpfen wir mechanisch, also mit Hacken und Striegeln. Wir legen Hecken an, die Nützlinge anlocken, und bauen sehr viel Kleegras und Luzernegras als Viehfutter an, das gleichzeitig Stickstoff aus der Luft bindet und in den Boden bringt. Zudem sind unsere Viehbestände kleiner als bei unseren konventionellen Nachbarn. Pro Hektar halten wir weniger als eine Kuh. Ich denke, dass es wichtig ist, insgesamt weniger Tiere zu halten.

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Was sind die Auswirkungen?

Eine andere Lebensmittelqualität, sagen jedenfalls unsere Kunden. Zudem stützt sich so ein vielfältiges System selbst sehr gut. Wir haben sicher nicht die gleichen Erträge wie unsere konventionellen Nachbarn. Es funktioniert letztlich nur über die regionale Vermarktung. 95 Prozent unserer Erträge verkaufen wir in der Region. Wir sind schon ein spezieller Betrieb und unser Vorgehen kann kein Blueprint für die gesamte Landwirtschaft sein. Aber es gibt durchaus Dinge, die konventionelle Landwirte übernehmen können. Wir stehen da auch in einem guten Austausch miteinander.

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