Abo

Interview mit Wirtschaftsförderer„Made in Eifel“ weltweit gefragt

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt

Das Unternehmen  Procter & Gamble  liefert von Euskirchen Produkte in  die gesamte Welt. 

  • Im dm-Verteilzentrum in Weilerswist und bei Procter & Gamble in Euskirchen arbeiten zusammen mehr als 3000 Menschen.
  • Wie steht es um den Standort, seine Unternehmen und Start-ups? Und was macht ein Wirtschaftsförderer eigentlich?
  • Das erklärt Christof Gladow im Interview.

Wie behaupten sich große Unternehmen und der Mittelstand  am europäischen Markt? Darüber sprach Peter W. Schmitz mit dem Vize-Chef der Stabsstelle für Struktur- und Wirtschaftsförderung, Christof Gladow.

Wie sind die Unternehmen im Kreis Euskirchen aufgestellt?

Die hiesige Wirtschaft ist durch einen ausgewogenen Branchenmix gekennzeichnet. Einen großen Anteil an der Wertschöpfung haben dabei Holzwirtschaft, Kunststoffindustrie, Logistik, Maschinenbau, Metall- und Papier-Industrie sowie das Handwerk und der Tourismus. Es überwiegt der klassische Mittelstand, darunter viele familien- und inhabergeführten Unternehmen, die bereits seit Generationen ihre Wettbewerbsfähigkeit, Wachstumsstärke und Innovationskraft unter Beweis gestellt haben. Wir sind stolz auf die Hidden Champions – also Unternehmen, deren exzellente Produkte und Dienstleistungen sie zu Europa- oder gar Weltmarktführern gemacht haben.

Gibt es im Kreisgebiet ein Nord-Süd-Gefälle?

Das Handwerk ist mit leistungsstarken Unternehmen gleichmäßig über das Kreisgebiet verteilt. Hier ist kein Nord-Süd-Gefälle zu erkennen. Logistik- und Industrie-Unternehmen mit regelmäßig hohem Transportaufkommen bevorzugen indes Standorte mit unmittelbarer Autobahn-Anbindung. Sie sind daher verstärkt im nördlichen Teil des Kreises anzutreffen. In den waldreichen Eifel-Kommunen haben sich viele Unternehmen der holzverarbeitenden Industrie und der Papierwirtschaft angesiedelt. Produkte der Sägewerkstechnik werden in die gesamte Welt geliefert.

Der Tourismus dürfte auch ein Wirtschaftsfaktor sein...

Vor allem im südlichen Teil des Kreises stellt er einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Der Nationalpark Eifel zieht jährlich Hunderttausende Besucher an – im Jahr 2018 wurde mit mehr als 900.000 Gästen ein neuer Rekord aufgestellt. Dies versetzt Hotellerie, Gastronomie und sonstige Tourismus-Dienstleister dank steigender Gäste- und Übernachtungszahlen in die Lage, ein breites Spektrum an Arbeitsplätzen zur Verfügung zu stellen.

Was würde der Lückenschluss der A 1 für die hiesigen Firmen bedeuten?

In Anbetracht der prognostizierten Entwicklung des Güterverkehrs auf der Straße ist im europäischen Kontext eine durchgehende Autobahnverbindung zwischen Skandinavien und Spanien eine dringliche verkehrspolitische Aufgabe. Hierfür fehlen aktuell 25 Kilometer auf der Autobahn 1 zwischen Blankenheim und Kelberg. Spediteure kostet der Umweg über die Dörfer bares Geld. Anwohner stören sich am erhöhten Verkehrsaufkommen in Ortschaften, durch die der Schwerlastverkehr rollt. Der Lückenschluss würde Gütertransporte reduzieren und beschleunigen: Rohstoffe gelangen schneller in den Kreis, Produkte erreichen schneller die Kunden. Hiesige Gewerbe- und Industriegebiete würden für standortsuchende Unternehmen attraktiver.

Schnelles Internet steht nicht allen zur Verfügung. Hat dieses Defizit schon Unternehmen von einer Ansiedlung abgehalten?

Ja, mit Sicherheit! Der Kreis möchte den flächendeckenden Ausbau von NGA-Breitband-Anschlüssen zugunsten der Privathaushalte sowie als aktiven Beitrag zur Zukunftssicherung der angesiedelten Unternehmen und zur Erweiterung des Bildungsangebots für Schulen realisieren. Mittelfristig soll allen noch nicht mit 30 Mbit/s versorgten Haushalten, Schulen und Gewerbebetrieben schnelles Internet in Form von gigabit-fähigen Anschlüssen zur Verfügung stehen. Insbesondere für die im Ausbaugebiet angesiedelten Unternehmen stellt sich die Verfügbarkeit von breitbandigen Internetanschlüssen zunehmend als unverzichtbare Infrastrukturvoraussetzung sowie als harter Standortfaktor dar.

Die LEP-Fläche Prime Site Rhine Region wartet seit Jahren auf Investoren. BMW zog es in den Osten, ein Zuliefer-Betrieb für E-Autos soll in Münster angesiedelt werden. Wie stehen die Chancen?

Die NRW-Landesregierung favorisiert wohl Münster als Standort für die Batteriezellen-Forschung und Euskirchen als Produktionsstandort. Dass die Prime Site Rhine Region in den vergangenen Jahren immer wieder im Gespräch war, wenn es um bedeutende Ansiedlungsvorhaben ging, belegt die Attraktivität dieser Fläche. Das stimmt uns zuversichtlich. Wir sind froh, über eine unbebaute, gut erschlossene Industrie- und Gewerbefläche von 205 Hektar Größe, was 300 Fußballfeldern entspricht, zu verfügen. Die interkommunale Premium-Fläche befindet sich zu 85 Prozent auf dem Gebiet der Stadt Euskirchen und zu 15 Prozent im Gemeindegebiet Weilerswist. Sie liegt damit äußerst attraktiv im Städtedreieck Köln, Bonn und Aachen, mitten in der wirtschaftlichen Kernregion Westeuropas. Das Areal ist von der Landesregierung exklusiv für flächenintensive Großprojekte reserviert. Das Ziel ist eine Großinvestition, bei der zahlreiche Arbeitsplätze entstehen. Das würde uns im Strukturwandel einen riesigen Schritt nach vorne bringen.

Wie viele Start-ups gibt es im Kreis?

Die genaue Anzahl können wir ad hoc nicht nennen. Die Region hat aber viele kreative Unternehmensgründer/-innen, die sich sowohl den wirtschaftspolitischen als auch den gesellschaftspolitischen Herausforderungen stellen. Der Kreis ist bereits heute Heimat für viele Unternehmen, die innovative Produkte, Verfahren und Dienstleistungen anbieten.

Durch unser Starter-Center NRW am Standort Euskirchen versuchen wir, Jungunternehmer/-innen bestmöglich auf ihren Start in die Selbstständigkeit vorzubereiten. Zudem begleiten wir Start-ups durch Veranstaltungen und Wettbewerbe in der Region, um den Kreis als Standort innovativer Unternehmen noch weiter ins Bewusstsein zu rufen.

Die Unternehmen im Kreis Euskirchen ernähren nicht alle Bürger. Es gibt viele Auspendler, die in den Metropolen ihre Brötchen verdienen.

Arbeitnehmer/-innen zeichnen sich hier durch große Mobilität aus. Sie sind bereit, auch weite Wege zu ihren Arbeitsplätzen, insbesondere im Köln-Bonner-Raum, auf sich zu nehmen.

Was tun Sie gegen den Fachkräftemangel?

Ein herausragendes Ziel der Kreiswirtschaftsförderung ist es, möglichst viele junge Menschen davon zu überzeugen, dass sie auch in unserer Region hervorragende Karriere-Chancen bei attraktiven Arbeitgebern haben. Wir organisieren Jobexpeditionen für Schüler unserer Berufskollegs. Wir holen sie in kleinen Gruppen mit einem gecharterten Bus in der Schule ab und besuchen mit ihnen die spannendsten und innovativsten Unternehmen

Viele von ihnen sind in der Eifel kulturell und sozial verwurzelt und würden gerne hier einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz finden. Um junge Menschen und Familien von außerhalb für den Kreis Euskirchen zu begeistern, präsentieren wir uns auf Karrieremessen und werben für die Qualitäten des Lebensraumes und Wirtschaftsstandortes. 

Ein Problem gibt es in puncto Unternehmensnachfolge.

Das ist korrekt. Es kommt vor, dass die Kinder das Unternehmen der Eltern nicht übernehmen wollen. Im Hotel- und Gaststätten-Sektor gibt es zurzeit 20 Betriebe, die auf der Suche nach einem Nachfolger sind. Das ist wegen der unattraktiven Arbeitszeiten nicht ganz einfach.

Auch im Handwerk gibt es das Nachfolger-Problem und den Fachkräftemangel, obwohl die Branche boomt. Es gibt offenbar noch immer ein Imageproblem. Eltern raten ihren Kindern von einer handwerklichen Ausbildung ab, weil sie sich die Hände schmutzig machen könnten. Dabei sind viele Handwerksbetriebe inzwischen Hightech-Unternehmen.

Was ist die Kernaufgabe eines Wirtschaftsförderers?

Wir orientieren uns mit unserem Angebot sehr eng an den Bedürfnissen der Wirtschaft. Wir beraten insbesondere bei Themen wie Existenzgründung, Unternehmensnachfolge, Fördermöglichkeiten, Fachkräfteentwicklung, Technologietransfer, Digitalisierung, Weiterbildung, Standortmarketing, demografischer Wandel und Familienfreundlichkeit. In unseren Reihen haben wir einen Technologie-Scout, einen Klimaschutz-Manager und einen Energie-Berater.

Mit Wirtschaft, Politik und Verwaltung entwickeln wir Zukunftsstrategien für den ländlichen Raum. Getreu unserem Motto „Wirtschaftsstandort Kreis Euskirchen – Immer ein Grund mehr!“ versuchen wir, Menschen und Unternehmen von den hiesigen Standortvorteilen zu überzeugen.

KStA abonnieren