35 Jahre PfarrerinKäßmann präsentiert in Kall Parforceritt durch ihr Leben

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Ehrlichkeit und Authentizität strahlt Margot Käßmann aus, womit sie auch das Eifeler Publikum faszinierte.

Ehrlichkeit und Authentizität strahlt Margot Käßmann aus, womit sie auch das Eifeler Publikum faszinierte.

  • Margot Käßmann erzählte auf der „Lit.Eifel“ aus ihrem Leben, voller sprachlicher Finesse – und biblischer Inhalte.
  • Dass das Altern „der wahre Rock 'n' Roll“ sei, wie Peter Maffay einmalt sagte, glaubt sie nicht.
  • Nach der Lesung musste sie zahlreiche Bücher signieren.

Kall-Steinfeld – Ist es viel oder ist nur wenig dazu nötig, um mehr als 300 Menschen in seinen Bann zu ziehen? Nichts Spektakuläres hat die Frau in dem grünen Kleid, die auf der Bühne der Aula des Hermann-Josef-Kollegs in Steinfeld steht. Vor ihr steht ein Pult, das so hochgestellt ist, dass sie kaum darüber gucken kann. „Ich habe extra hohe Schuhe angezogen“, verweist Dr. Margot Käßmann auf ihre Sandalen mit den dicken Sohlen. Dann beginnt sie – und die Menschen hängen an ihren Lippen.

Schon die ersten Sätze bringen Lacher, bringen Lockerheit. Käßmann, ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover, liest im Rahmen des von Kölnischer Rundschau und „Kölner Stadt-Anzeiger“ als Medienpartnern präsentierten Literaturfestivals „Lit.Eifel“ aus ihrem Buch „Schöne Aussichten auf die besten Jahre“.

Vom Altern und vom Altsein

Doch ist es wirklich „nur“ ein Lesen? Ansatzlos gleitet die 61-Jährige aus der freien Begrüßung in den Text, die rechte Hand malt den Takt ihrer Gedanken dazu in die Luft. Sie erzählt von ihrer Rente, ihrer Familie, ihren Enkeln und vor allem vom Altern und vom Altsein. Und immer wieder von Gott und der Bibel.

Doch der Inhalt ist das eine, die Perfektion ihres Vortrages das andere. 35 Jahre Berufserfahrung als evangelische Pfarrerin prägen, denn die Predigt stellt in der evangelischen Liturgie ein zentrales Element dar. Nicht umsonst gibt es daher in Wittenberg ein Evangelisches Zentrum für Predigtkultur, in dem die Prediger in Theorie und Praxis geschult werden. Rhetorik, sprachliche Finessen, Körpersprache und auch biblische Inhalte werden hier trainiert und vermittelt.

Käßmann ist vollendet darin, mit einer eleganten Pirouette eine Alltagserfahrung humorvoll zu kommentieren, sie mit religiösem Inhalt zu verknüpfen und wieder den Bezug zum Leben herzustellen. 61 Jahre ist Käßmann jetzt alt, und obwohl sie jünger wirkt, kokettiert sie nicht damit. „Ja“, hauchen Damen im Publikum, wenn Käßmann von dem Moment spricht, als sie sich zum ersten Mal alt gefühlt habe. Als sie ihrem erkrankten Enkel über Bildtelefonie „Bruder Jakob“ vorgesungen habe, habe sie sich im Bildschirm gesehen und auf einmal die Falten und das veränderte Gesicht wahrgenommen.

Und schon nimmt sie die nächste Wendung und zitiert einen Spruch, der in den Psalmen zu finden ist: „Das Leben fähret schnell dahin, als flögen wir davon.“

Lachen und Seufzen

Käßmann schreibt, wie sie redet. Sie strahlt Ehrlichkeit und Authentizität aus. Immer wieder bringt sie das Publikum mit ihren treffsicher pointierten Beobachtungen zum Lachen, bevor es wieder ganz still wird im Saal, wenn sie meinungsstark und ohne Scheu benennt, was für sie benennenswert ist. Dann ist Seufzen zu hören, wenn sie über den Rhythmus zwischen Arbeit und Freizeit spricht, um Burn-out vorzubeugen. „Ich finde“ sagt sie oft. Dann fordert sie Erzählkultur. Und dass die Menschen wieder einander zuhören müssten in diesem Land.

Ihr hören die Menschen zu, fasziniert, amüsiert und bewegt, wenn sie über ihren Ruhestand redet, über die Mutterrolle und die Erwartungen an Frauen, über das Altern und das Sterben. Oder wenn sie erwähnt, wie der mit 69 noch einmal Vater gewordene Peter Maffay in der „Bunten“ mit dem Satz zitiert wird: „Der wahre Rock ’n’ Roll.“ „Das glaube ich ihm nicht“, sagt sie, und die Zuhörer lieben sie für diese Klarheit und den Mut, ihre Wahrnehmungen unmissverständlich auszusprechen. Und es wird deutlich: Das ist keine Predigt, das ist ein Parforceritt durch die Erfahrungen eines Lebens im Glauben an Gott.

Rund eine Stunde liest Margot Käßmann in einem Stück verschiedene Abschnitte aus ihrem Buch, die sie unmerklich ineinander fließen lässt. Mit viel Applaus danken die Zuhörer ihr für einen unterhaltsamen und bewegenden Vortrag. Noch etliche Bücher muss die Autorin für die begeisterten Zuschauer signieren.

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