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Besonderer GeburtstagHedwig Radermacher einer der ältesten Menschen mit Down-Syndrom

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Das Lebenshilfe-Wohnheim in Kall ist seit 1997 das Zuhause von Hedwig Radermacher. Dort konnte sie nun mit der Crew um Helmut Latz (l.) und Andreas Hendricks ihren 81. Geburtstag feiern.

Das Lebenshilfe-Wohnheim in Kall ist seit 1997 das Zuhause von Hedwig Radermacher. Dort konnte sie nun mit der Crew um Helmut Latz (l.) und Andreas Hendricks ihren 81. Geburtstag feiern.

Kall – Es war allen Beteiligten bewusst, dass es etwas Besonderes war, mit Hedwig Radermacher am 7. Februar ihren 81. Geburtstag zu feiern. Sie hat das Down-Syndrom. Und dass sie mit dieser genetischen Veränderung so alt werden konnte, dürfte in der Region einzigartig sein. „Mir ist niemand mit Down-Syndrom bekannt, der älter als 75 Jahre ist“, sagt Helmut Latz, Leiter der Wohnstätte der Lebenshilfe in Kall. Seit 1997 lebt Hedwig Radermacher in Kall.

Es ist ihr Zuhause geworden – und soll es auch bleiben. Denn Hedwig Radermacher sitzt mittlerweile im Rollstuhl und ist dement. Seit 2012 sei sie in dem Zustand, berichtet Andreas Hendricks, Leiter von Radermachers Wohngruppe. Ihr Hör- und Sehvermögen sei wahrscheinlich stark eingeschränkt, doch lebhaft sei sie immer noch, so Hendricks. Sie habe eine hohe Vitalität, werde mobilisiert und nehme auch am Leben der anderen teil.

Pflegeheim nicht vorgesehen

Ein Pflegeheim ist für Hedwig Radermacher nicht vorgesehen. Sie soll bleiben, wo sie sich auskennt und wo ihre Eigenheiten bekannt sind. „Sie hatte ihre Ansprüche“, sagt Andreas Hendricks lächelnd in Erinnerung an einige Begebenheiten. Wenn Hedwig Radermacher es für nötig befunden habe, dass gestaubsaugt wird, habe das erledigt werden müssen – und zur Not habe sie es selbst gemacht.

In ihrer Familie habe sie Haushaltsaufgaben übernommen und Kinder betreut, berichtet er. „Eine unglaublich selbstbestimmte Frau, die großen Wert darauf gelegt hat, auch so hier zu leben“, ergänzt Latz.

Er erinnert sich an eine Begebenheit vor etwa 20 Jahren, als Radermacher den Betrieb der Post in Kall lahmlegte, weil sie unbedingt gewollt habe, dass der Beamte ihr die Adresse vom „Anton aus Tirol“ (der von DJ Ötzi besungen wurde) heraussucht, dem sie einen Brief schreiben wollte. „Man bekam sie nicht abgeschüttelt“, so Latz lachend. In der Volksschule in ihrer Heimat in der Südeifel habe Radermacher Schreiben gelernt. „In Schönschrift“, betont Latz.

Lange im Doppelzimmer

Mit ihrer besten Freundin Margot lebte sie lange in einem Doppelzimmer. Auch als alle Bewohner ein Einzelzimmer erhielten, sei die enge Verbindung geblieben. „Wie ein altes Ehepaar“, so Latz schmunzelnd.

Für Menschen mit Down-Syndrom verlaufe der Alterungsprozess anders, berichtet er. Seine Beobachtung: „Ab Mitte 50 setzt ein rapider Alterungsprozess ein.“ Bei manchen verlaufe der sehr schnell. In den vergangenen drei Jahren habe es im Haus der Lebenshilfe drei Todesfälle von Menschen mit Down-Syndrom gegeben.

Neue Probleme

Menschen mit Behinderung im Alter zu betreuen, stellt die Lebenshilfe vor neue Probleme. Sie können sich, nachdem sie vielleicht ein Vierteljahrhundert in einer Einrichtung gelebt haben, nur schwer in einer neuen Umgebung einfinden. „Wir wollen deshalb lebenslanges Wohnen“, betont Latz. Als die Wohnstätte 1992 mit 49 Bewohnern und mit ihm als Leiter der ersten Stunde begonnen habe, sei es sein Ziel gewesen, ein differenziertes, dezentrales Wohnverbundsystem zu schaffen. In verschiedenen Außenwohngruppen und Betreutem Wohnen leben heute weitere 34 Personen. Heute sind die Bewohner zwischen 19 und 81 Jahren alt.

„Wir wollen, dass die Menschen, die von uns betreut worden sind, auch bei uns alt werden und sterben können“, so Latz. Das sei eine Riesenherausforderung und nur möglich, wenn engagierte Mitarbeiter dieses Konzept mittragen. 60 Mitarbeiter sind in Kall bei der Lebenshilfe angestellt und widmen sich dieser Aufgabe. „Das ist ein Sammelsurium von Berufsbildern“, so Hendricks. Regelmäßige Fortbildungen und Kontrollen seien notwendig. Pflegefachkräfte, Sozialarbeiter und Erzieher arbeiten gleichberechtigt nebeneinander und lernen voneinander. „Von jedem wird erwartet, dass er pflegerisch und pädagogisch tätig ist“, so Latz.

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