Travestie-KünstlerRené Schaffrath verwandelt sich auf der Bühne in Regina Red

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Bei einem Programm von Regina Red sollte sich niemand zu sicher fühlen und sich im Publikum verstecken. Die „Dame“ hat keine Kontaktscheu und sucht sich ihre Opfer auch in den Tiefen des Saales.

Bei einem Programm von Regina Red sollte sich niemand zu sicher fühlen und sich im Publikum verstecken. Die „Dame“ hat keine Kontaktscheu und sucht sich ihre Opfer auch in den Tiefen des Saales.

Kall – Erfahrene Veranstaltungsbesucher wissen: Wer in der ersten Reihe sitzt, läuft Gefahr, ins Programm einbezogen zu werden. Der Rückzug in die hinteren Regionen des Saales bietet allerdings auch keine Sicherheit, wenn Regina Red auftritt.

Denn die Diva mit den knallroten Haaren steht nur höchst selten auf der für sie vorbereiteten Bühne. Die meiste Zeit ist sie im Saal unterwegs und geht auf Tuchfühlung mit dem Publikum. Gesang, Gags und freche Sprüche, das sind die Zutaten, mit denen der Travestie-Künstler René Schaffrath seine Auftritte gestaltet.

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Die Verwandlung des René Schaffrath: Rund eine Stunde dauert es, bis aus dem  Mann eine Frau in vollem Glitzer-Make-up geworden ist.

Rein äußerlich betrachtet braucht es viel mehr, bis aus dem in Hallschlag lebenden Schaffrath die Bühnenfigur Regina Red wird. High-Heels, Nagellack, Glitzerfummel und jede Menge Schminke sind die Utensilien, mit denen er das bei dem Publikum so beliebte Verwirrspiel Travestie um Geschlechtergrenzen und -klischees betreibt.

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Schon zwei Stunden vor Beginn der Show, als der Bühnenkünstler in Kall eintrifft, sind die besten Plätze im Saal Gier besetzt. Auch der WDR ist vor Ort, um die Verwandlung des Friseurs in eine Frau zu verfolgen. „So etwas erwartet man in Paris, aber nicht in der Eifel“, beschreibt die Realisateurin des Films, Anke Bardenberg, ihren Ansatz.

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Grundierung, jede Menge Puder und Stifte gehören genauso dazu wie ein Stückchen Tesafilm, dass dem Augenaufschlag die richtige Richtung verleiht.

Rund eine Stunde benötigt Schaffrath, um sich umzustylen. Eine gute Rasur ist die Grundlage: Gesicht, Brust und auch die Arme. Nur die Haare auf den Beinen werden mit doppelten Strumpfhosen kaschiert. Dann kommen die diversen Make-Ups, Püderchen, Stifte und Glitzerfarben zum Einsatz, die fürs wirkungsvolle Bühnen-Make-up nötig sind.

„Regina ist eine teure Frau“, sagt Schaffrath und lacht. Rund 150 Euro gehen monatlich für die Schminksachen drauf. Die Grundzüge brachte er sich selbst bei. Den letzten Schliff holte er sich in dem renommierten Travestielokal „Pulverfass“ in Hamburg. Doch sich täglich zu schminken, eine Frau zu sein, das ist nicht der Traum von Schaffrath. „Ich bin froh, ein Mann zu sein“, sagt er.

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Nicht fehlen dürfen die Kunststoff-Brüste  und die Hilfe von Birgit Dederichs.

Gepackt hat es ihn, als er vor etwa acht Jahren bei einem Geburtstag einen Kölner Travestiekünstler sah. „Auf der Heimfahrt wusste ich: Das will ich auch“, erzählt Schaffrath. Das nötige Rüstzeug, Posen, Kostüme, Schminken, habe er sich komplett alleine beigebracht. „Das ging irgendwann von selbst“, erinnert er sich.

Die Programme schreibt er in Eigenregie. Doch auf die Bühne kommen sie nur, wenn Birgit Dederichs ihr Okay gibt. Seit drei Jahren begleitet sie Schaffrath bei allen Auftritten, hilft bei den Kostümen und kümmert sich im Saal darum, dass die richtige Musik abgespielt wird. An diesem Freitag kehrt sie kurz vor Beginn der Show von einer Romreise zurück. „Es macht einfach Spaß“, sagt sie. Es sei schön, zu sehen, wie das Publikum eine gute Zeit habe und für eine Stunde die Sorgen vergessen könne.

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So sieht René Schaffrath nach der Verwandlung aus.

Vor drei Jahren haben sich Schaffrath und seine Frau scheiden lassen. Seit Frühjahr 2017 ist er mit Verena Bistritz aus Frauenkron zusammen. „In einer Beziehung sollte einer auf High-Heels laufen können“, sagt sie lachend und mit Seitenblick auf die hohen Hacken an Regina Reds Bühnenschuhen, die mit Größe 40/41 übrigens nicht riesig sind: Sie sei das jedenfalls nicht.

Schaffrath und sein Alter Ego Regina Red haben sich im Laufe der Jahre eine eigene Herangehensweise an die Travestie erarbeitet. Immer wieder erinnert er sein Publikum mit kleinen Späßen daran, dass er in Wirklichkeit keine Frau ist. „Es ist eine Huldigung an die Frauen“, sagt er. Ihm gefielen Travestiekünstler nicht, die zickig seien und so täten, als seien sie Frauen: „Letzten Endes sind wir alle doch nur geschminkte Männer.“

Zur Person

Seit 1975 lebt der am 3. Oktober 1972 in Erftstadt-Liblar geborene René Schaffrath in der Eifel. In Dahlem besuchte er die Grund- und anschließend die Hauptschule. Nach seinem Abschluss begann er 1990 eine Lehre als Friseur, die er drei Jahre später abschloss. Seitdem arbeitete er zehn Jahre in Stadtkyll und seit 2003 in Olzheim. Heute lebt Schaffrath in Hallschlag.

2014 wurde Schaffrath bei einem Wettbewerb im „Pulverfass“ in Hamburg als bester deutscher Nachwuchs-Travestiekünstler ausgezeichnet. Danach trat er noch einen Monat dort auf. Seine Lieder singt Schaffrath alle live. (sev)

Doch die Macht, die ihm die Verunsicherung der Gäste über gedehnte Geschlechtergrenzen verleiht, nutzt er hemmungslos aus. Ständig ist er im Publikum unterwegs, lässt sich auf Schöße fallen, streichelt Glatzen, berührt Schultern. „Eigentlich ist jedes Publikum gleich.“ So ortet er bei der ersten Nummer, wo das Frauenklübchen ist, wo die Junggesellen sitzen, wo der Mann ist, der am liebsten unter der Bank verschwinden würde, weil die Frau ihn gegen seinen Willen mitgenommen hat. „Da weiß ich: Da gehe ich gleich mal Guten Tag sagen“, lacht Schaffrath, der um keinen flotten Spruch verlegen ist. Und Anmache aus dem Publikum? Flapsige Antworten habe er ohne Ende für alle Situationen auf Lager. „Die Leute vergessen immer, dass ich das Mikrofon habe“, droht er vergnügt.

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