Keine Nutzpflanzen anbauenBleibelastung der Böden in Mechernich und Kall

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Die Landwirte wissen, was sie angesichts der Bleibelastung der Böden zu tun haben, sagt Professor Wolfgang Schumacher.

Die Landwirte wissen, was sie angesichts der Bleibelastung der Böden zu tun haben, sagt Professor Wolfgang Schumacher.

  • Die Böden in Kall und Mechernich sind teils stark mit Blei belastet.
  • Wie hoch ist die Gefahr wirklich?
  • Ein Interview mit Geobotaniker Prof. Dr. Wolfgang Schumacher.

Bewohnern der Bleibelastungszone Mechernich/Kall wird geraten, keine Nutzpflanzen im Boden anzubauen. Wie hoch ist die Gefahr wirklich? Und was ist mit den Äckern? Darüber sprach Michael Schwarz mit dem Geobotaniker Prof. Dr. Wolfgang Schumacher aus Antweiler.

Professor Schumacher, den Bürgern in der Bleibelastungszone Mechernich/Kall wird empfohlen, auf Nutzpflanzen zu verzichten oder sie in Hochbeeten anzubauen. Dennoch machen sich viele Menschen Sorgen. Zu Recht?

Wolfgang Schumacher: Zunächst einmal ist die Besorgnis nachvollziehbar, vor allem, wenn es sich um Böden mit höherer Bleibelastung von 750 Milligramm bis mehr als 1000 Milligramm pro Kilogramm Boden handelt. Seit langem ist aber bekannt, dass Gartenbesitzer und Landwirte durch entsprechende Bewirtschaftung dafür sorgen können, dass man auf Bodenaustausch beziehungsweise Hochbeete verzichten kann.

Wie?

Indem man durch Kalkung den pH-Wert des Bodens anhebt – am besten auf pH-Wert 6-7 – und diesen auf hohem Niveau hält, weil dann das Blei durch die Pflanzen nicht oder nur minimal aufgenommen wird. Bei sauren Böden hingegen, wie im Mechernich-Kaller Raum mit pH-Wert 4-5, ist die Bleiaufnahme hoch, auch wenn manche Pflanzen versuchen, die Bleiaufnahme durch die Wurzeln zu minimieren. Den Pflanzen sieht man die Bleischäden oft an: Sie sehen heller aus, weil sie weniger Chlorophyll haben.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema?

Die Bleiproblematik ist mir seit den 1970er-Jahren vertraut, da ich im Rahmen meiner Dissertation über die Sötenicher Kalkmulde unter anderem auch die Schwermetallböden und ihre spezifische Pflanzengesellschaften bei Keldenich und Scheven untersucht habe.

Die Nutzpflanzen aus der Landwirtschaft kommen aber zumeist direkt aus dem Boden. Müssen sich die Verbraucher da Sorgen machen?

In der Regel nicht, denn die Landwirte wissen, wie wichtig höhere ph-Werte für den Anbau von Nutzpflanzen auf bleibelasteten Böden sind.

Auf welche Pflanzenarten muss dabei besonders geachtet werden?

Unter den Nutzpflanzen ist es der Mais, der am ehesten Blei aufnehmen kann. Bei Wurzelgemüsen und anderen Gemüsen sollte man ebenfalls vorsichtig sein, während Kern- und Beerenobst in der Regel kein Problem darstellen.

Wenn also die Landwirte den pH-Wert hochhalten, besteht keine Gefahr?

Ja, das stimmt, sofern die Bleibelastung der Böden relativ gering ist. Im Verdachtsfalle sollten die Bodenschutzbehörden oder/ und die landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) eingeschaltet werden.

Es könnte also auch jeder Gartenbesitzer dafür sorgen, dass er einen hohen pH-Wert in seinem Boden hat?

Ja, natürlich. Wenn man im Garten eine geringe Bleibelastung hat, dann kann der pH-Wert durch Kalkung so angehoben werden, dass von den Pflanzen nur sehr wenig Blei aufgenommen werden kann. Wer aber ganz sicher gehen will, kann in einem Labor oder bei der LUFA testen lassen, ob die Bleigehalte unterhalb der Grenzwerte liegen.

Ältere Mitbürger wissen noch davon zu berichten, dass nahe des Bleibachs schon mal Kühe eingingen. Lag das an bleihaltigen Pflanzen?

Das war die sogenannte Bleikrankheit. Die Ursache lag nicht vorrangig an der Bleibelastung in den Pflanzen, sondern daran, dass die Gräser durch den Boden kontaminiert waren, etwa durch viele Maulwurfshaufen auf den Flächen oder durch bleihaltige Bachsedimente nach Überschwemmungen. Wenn dort dann Kühe und andere Tiere weideten oder mit Erde verschmutztes Heu verfüttert wurde , haben die Tiere das Blei mit der Erde aufgenommen. Das führte dazu, dass sie an der „Bleikrankheit“ verendeten. Damals gab es sogar eine Bleischadenskasse, aus der die betroffenen Landwirte entschädigt wurden. Das ist aber lange her, die Kasse existiert nicht mehr.

Wie sieht es bei den Wildpflanzen aus. Gibt es auch da Unterschiede?

Ja, bestimmte Wildpflanzen nehmen so viel Blei auf, das andere Arten zum Absterben bringen würde. Zu diesen sogenannten Schwermetallpflanzen, die es auch im Mechernicher Bleierzgebiet sowie bei Keldenich und Scheven gibt, gehören unter anderen die Grasnelke und das Aufgeblasene Leimkraut. Diese wachsen auf extrem bleihaltigen Böden.

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Warum können diese Pflanzen denn überhaupt überleben?

Sie haben zwar sehr hohe Bleiwerte, aber sie schaffen es irgendwie, das Blei so in der Pflanze zu lagern oder wieder auszuscheiden, sodass sie nicht daran eingehen. Normale Pflanzen würden bei dieser Bleikonzentrationen längst den Geist aufgeben.

Sie leben in Antweiler, das der Bleibelastungskarte zufolge nicht betroffen ist. Sie können also alles anpflanzen?

Ja, das stimmt. Wenn hier eine Bleibelastung vorgefunden würde, dann könnte sie nur durch ortsfremdes Material entstanden sein, das hierhin transportiert worden ist.

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