Konkrete Pläne für HybridlösungSteinbachtalsperre soll Modellprojekt werden

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Eine große Scharte klafft im Damm. Ziel ist, es eine Hybridlösung für die Steinbachtalsperre zu schaffen.

Euskirchen-Steinbachtalsperre – Es wäre die Quadratur des Kreises: Die Steinbachtalsperre als Naherholungsgebiet samt Waldfreibad, Brauchwasserspeicher für regenarme Sommer und gleichzeitiger Hochwasserschutz. Geht es nach Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt und Markus Böhm, Geschäftsführer der e-regio, ist aber genau das möglich. Nicht heute, nicht morgen. Wohl erst in zwei oder drei Jahren. Aber die multifunktionale Steinbachtalsperre soll mit Hochdruck angegangen werden – inklusive der Möglichkeit, um die Steinbach herumzuspazieren.

Bundesweit in den Schlagzeilen

Das Bauwerk, das im Sommer bundesweit Schlagzeilen machte, könnte zum Modellprojekt werden. „Das, was hier am 14.Juli passiert ist, kann überall in Deutschland und weltweit passieren“, sagt Reichelt.

Im Tagesverlauf des 14. Juli lief die Steinbachtalsperre zunächst voll. Am frühen Abend strömte das Wasser unkontrolliert über die Dammkrone. 120 000 Liter pro Sekunde flossen in Richtung Schweinheim, fünf Tage lang drohte der Damm den enormen Wassermassen nachzugeben. Was dann passiert wäre, kann niemand sagen. Der Grund: Dieses Szenario ist nicht in der Theorie von e-regio als Betreiber oder der Bezirksregierung als Talsperrenkontrollbehörde durchgespielt worden. THW und Feuerwehr pumpten tagelang Wasser aus dem Staubecken. Der Mechernicher Bauunternehmer Hubert Schilles begab sich in Lebensgefahr und baggerte 18 Meter unter der Dammkrone den Grundablass frei, der durch Erdmassen bedeckt worden war.

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Seit fünf Monaten ist das Staubecken nun leer. Nur der Steinbach schlängelt sich durch die mittlerweile grüne Talsperre. Aus der Staumauer ist ein sechs Meter breites „V“ geschnitten worden ist. Die sogenannte Scharte soll verhindern, dass zu viel Wasser Druck auf die Staumauer ausübt. Der Pegelstand kann über eine neue Rinne im Damm und über den Grundablass reguliert werden. Geht es nach Reichelt und Böhm ist das aber nur eine Übergangslösung.

Als Dauerlösung schwebt ihnen ein Konzept vor, das sogar den Damm wieder begehbar macht. Dann wären auch Spaziergänge rund um die Steinbach wieder möglich, das Areal als Naherholungsgebiet wieder vollends nutzbar. Also so, wie vor dem 14. Juli, nur anders.

Baukörper in Scharte

Die Idee ist, einen Betonbaukörper in die Scharte zu setzen. In dem sollen sich laut Böhm ein, vielleicht auch mehrere Tore befinden, mit deren Hilfe Wasser gestaut, aber auch kontrolliert abgelassen werden kann. Wie viel Wasser maximal abgegeben werden könnte, ohne bei den Anrainern Überschwemmung hervorzurufen – das soll laut Böhm nun durch ein Gutachten ermittelt werden. „Daran wird sich die maximale Stauhöhe orientieren. Um beispielsweise die Talsperre innerhalb von 24 Stunden leer zu haben, um so möglichst viel Hochwasserschutz zu generieren“, sagt Geschäftsführer Böhm.

Für die technische Lösung gibt es verschiedene Gedankenspiele. Eine konkrete Vorstellung haben weder Böhm noch Reichelt. Es gehe jetzt vielmehr darum, den Menschen eine Perspektive zu geben. „Mehr als eine Perspektive ist es aber auch nicht, weil wir noch am Anfang des Prozesses sind“, sagt Bürgermeister Reichelt, der in seiner Funktion auch Verbandsvorsteher des WES ist. Die bisher geführten Gespräche seien sehr gut gewesen, so Reichelt.

Geplant ist, dass schon bald wieder Wasser gestaut werden soll. „Minimal. Nur der Boden wird von Wasser bedeckt sein. Davon wird keine Gefahr ausgehen“, betont Reichelt im Gespräch mit dieser Zeitung. Geschehen soll das, sobald die technischen Arbeiten am Damm abgeschlossen sind. Die e-regio als Betreiber rechnet damit, dass das im ersten Quartal des kommenden Jahres der Fall sein wird.

In der Höhe der Ablaufrinne soll sich irgendwann mal der sogenannte Dauerstau befinden – so hoch soll das Wasser im kommenden Jahr nicht gestaut werden. „Der wird so oder so künftig deutlich niedriger sein als vor dem 14. Juli“, ergänzt Böhm.

„Ein Vorteil der Hybridlösung ist auch, dass der Damm da bleibt, wo er jetzt ist“, so der Verwaltungschef. Alles andere würde Reichelt zufolge ein „sehr umfangreiches Verwaltungsverfahren auslösen“. Reichelt: „Wir haben das gedanklich durchgespielt, halten es aber nicht für praktikabel, weil es dann zehn Jahre länger dauert.“

Eine Idee von Schweinheimer Bürgern, die sich zur Initiative „Hochwasserschutz für Schweinheim – Was ist möglich?“ zusammengeschlossen haben, ist, den Damm der Steinbachtalsperre um 300 Meter in Richtung Tal zu verlagern, damit das Stauvolumen wächst.

Waldfreibad soll moderner werden

Seitens der Verwaltung denkbar ist, dass der Betrieb des Waldfreibads weitergeht. Bisher wurde dafür eine recht hohe Staumenge benötigt, weil das Wasser per Umlaufbetrieb getauscht wurde. „Wir haben eine alte Technik im Freibad. Wir würden das neue Projekt zum Anlass nehmen, die Umrüstung der Technik zu diskutieren“, sagt Reichelt. Dann sei die Verpflichtung, viel Wasser in der Talsperre haben zu müssen, nicht gegeben. Aktuell müsse „relativ viel Wasser“ in der Steinbachtalsperre sein.

Chronologie zum 14. Juli an der Steinbachtalsperre

Während der Flut waren alle Augen auf die Steinbachtalsperre gerichtet. Der Grund: Der Damm drohte zu brechen. Die e-regio als Betreiber der Talsperre hat eine Chronologie der Ereignisse am 14. Juli erstellt.

16.35 Uhr: Der Pegel erreicht das Betriebsstauziel (278,88 Meter ü. NN). Das Wasser läuft ab diesem Moment über die Hochwasserentlastung in den Steinbach.

17 Uhr: Der Pegel ist um 18 Zentimeter gestiegen. Das entspricht einer Wassermenge von 300 Litern pro Sekunde, die über den Überlauf abgeleitet wird. Das meldet die e-regio an Bezirksregierung und Erftverband.

18.10 Uhr: Die Bezirksregierung wird informiert, dass der Damm mit hoher Wahrscheinlichkeit überflutet wird. Auch die Leitstelle wird in Kenntnis gesetzt. Eine Stunde später steht laut e-regio fest, dass der Damm innerhalb der nächsten Stunden überflutet wird. Stetiger Austausch der Krisenstäbe des Kreises und der Kommunen.

20 Uhr: Kronenstau: Anschließend läuft die Talsperre bis 23 Uhr über. Bis zu 120 000 Liter Wasser pro Sekunde bahnen sich ihren Weg. (tom)

Und was kostet das Projekt? „Dafür ist es zu früh“, sagt Reichelt. Böhm fügt hinzu: „Als nächsten Schritt würde man nun eine Konzeptstudie erstellen, die dann in den entsprechenden Gremien vorgestellt wird.“

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