Kreis EuskirchenSeit 25 Jahren atomwaffenfreie Zone

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Während Übungen wurden die Lenkwaffen der Luftverteidigungsbasis regelmäßig in Startposition gebracht.

Während Übungen wurden die Lenkwaffen der Luftverteidigungsbasis regelmäßig in Startposition gebracht.

Kreis Euskirchen – Fast nur den Menschen der näheren Umgebung war bekannt, dass im Kreis Euskirchen jahrzehntelang Atomwaffen stationiert waren. Es handelte sich um die beiden Raketenbasen bei Euskirchen-Billig und Blankenheim-Mülheim.

Dort betrieben belgische Soldaten im Rahmen der Nato-Luftverteidigung eine Basis mit Boden-Luft-Raketen des Typs Nike, die bei Bedarf mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden konnten. Im Inneren der Anlage waren in einem speziellen Hochsicherheitstrakt amerikanische Soldaten für die atomaren Sprengköpfe zuständig. Der Kreis Euskirchen wurde mit der Errichtung der beiden Feuerstellungen selbst zum möglichen Ziel gegnerischer Nuklearwaffen.

Es ist nun genau 25 Jahre her, dass im Juni 1988 die Amerikaner mit ihren Atomsprengköpfen die Anlage in Mülheim räumten. Der Kreis Euskirchen ist ein Vierteljahrhundert lang atomwaffenfreie Zone.

Offiziell firmierte die im Volksmund in seltsamer Verniedlichung als „Niki“ bezeichnete Anlage als B-Batterie der 51. Schwadron des 13. Belgischen Flugkörperbataillons – so lautete die militärische Bezeichnung. Die Einheit gehörte organisatorisch zur Luftwaffe. Aufgestellt wurde sie 1959, im gleichen Jahr gab es die ersten Übungsschüsse der belgischen Raketentruppen mit Ajax- und Nike-Raketen in New Mexico. Diese Flugkörper waren amerikanische Entwicklungen.

In Europa sollten sie einen Luftsperrriegel gegen angreifende Flugzeuge des Warschauer Paktes aufbauen. Aus den USA zurückkommend, bezog die belgische Raketeneinheit zunächst einen Standort „Roderhöhe“ am Lager Elsenborn. 1961 wurden die in Deutschland vorgesehenen Standorte der belgischen Flugkörpereinheiten inspiziert, im Kreis Euskirchen betraf das Blankenheim-Mülheim und Billig bei Euskirchen.

In den folgenden beiden Jahren richtete sich die Einheit in Blankenheim ein, so wie die Anlagen betriebsbereit wurden. Sogenannte „Shelter“ mit der Funktion von „Raketen-Garagen“ wurden errichtet, in denen die Flugkörper auf Laufschienen vor Sicht und Witterung geschützt standen. Hinzu kamen Abschuss-Plattformen vor den Sheltern, ein Wachturm und ein Munitionsdepot, in dessen innerem Bereich seit November 1965 amerikanische Spezialtruppen für die Atomsprengköpfe verantwortlich waren.

„Arge Mülheim“ übernahm Bauarbeiten

Die Bauarbeiten übernahm die „Arge Mülheim“, eine Arbeitsgemeinschaft bedeutender Baufirmen. Anfangs wurde der Waldweg von der Mülheimer Mühle an für die Baufahrzeuge ausgebaut. Zusätzlich entstand die Straße, die heute in Richtung Gewerbegebiet und Finkenberg verläuft.

Der Zubringer von Reetz her wurde verlegt und um die Raketenbasis herumgeführt. Etwas abgesetzt in Richtung Finkenberg entstand eine Feuerleitstellung mit mehreren Radaranlagen und den Zielführungssystemen, während die Wohnungen der Soldaten „In den Alzen“ errichtet wurden. Die eigentliche Kaserne stand im heutigen Gewerbegebiet und ist inzwischen abgerissen worden. Dort bezogen Belgier und US-Soldaten die Quartiere.

Somit war der Kreis Euskirchen von 1965 bis Juni 1989 zum Atomwaffenstandort geworden. Bei den Nike-Raketen handelte es sich um Kurzstreckenwaffen, die im Rahmen der Flugabwehr sowohl konventionelle als auch bei Bedarf nukleare Sprengköpfe inmitten angreifender feindlicher Flugzeugpulks zur Explosion bringen sollten.

So sollten die gegnerischen Maschinen zum Absturz gebracht oder am weiteren Angriff gehindert werden. Angeblich soll die Sprengkraft der größten Raketenköpfe bei 40 Kilotonnen TNT gelegen haben.

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Lenkwaffen im Ernstfall über der Eifel zum Einsatz gekommen wären, mit allen Folgen nuklearer Detonationen in der Atmosphäre. Die Militärs betrieben einen hohen Absicherungsaufwand, es blieb dennoch kein Geheimnis, dass häufig auf dem Parkplatz an der B 51, von dem man die Raketenbasis einsehen konnte, Ostblock-Lastwagen verdächtig lange geparkt waren.

Die Raketenbasis mit ihren Soldaten bildete lange Zeit einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor für Blankenheim. Als die Militärs 1989 abzogen, hinterließen sie also eine Lücke.

Die eigentliche Raketenbasis ist heute ein verwildertes Areal, in dem die leeren Bauwerke an eine heiße Phase des Kalten Krieges für den Kreis Euskirchen erinnern.

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