Liebeserklärung vorm Bonner SchwurgerichtOpfer macht Angeklagter Heiratsantrag

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Auch Verteidiger Albert Stumm wurde vor Gericht von der Liebeserklärung des Opfers an die Angeklagte überrascht.

Auch Verteidiger Albert Stumm wurde vor Gericht von der Liebeserklärung des Opfers an die Angeklagte überrascht.

Bonn/Mechernich – Liebesschwüre auf der Anklagebank: Die Beteiligten am Bonner Schwurgericht wurden am Dienstag im Gerichtssaal Zeugen einer erstaunlichen Romanze. Am zweiten Prozesstag gegen Irina K. (Name geändert), die im Stadtgebiet Mechernich versucht haben soll, ihren Lebensgefährten mit einem Messerstich in die Brust zu töten, sollte das Opfer aussagen.

Nur zögernd ging der 40-Jährige zum Zeugenstuhl. Dann überraschte er alle mit einer Liebeserklärung an die Angeklagte. „Ich bin mit Irina verlobt“, sagte er, zunächst noch zögerlich. Dann sprach er weiter, schon etwas fester und mit Nachdruck: „Ich liebe sie und will sie, wenn sie wieder freikommt, heiraten.“ Der Wunsch des Zeugen, die Frau, die die wegen versuchten Totschlags an ihm angeklagt ist, zu heiraten, machte Kammervorsitzenden Klaus Reinhoff einen Moment lang sprachlos: „So etwas erleben wir auch nicht alle Tage am Schwurgericht.“

Kaum Erinnerung an die Tat

Alle Blicke wandten sich daraufhin zur Anklagebank, wo die Angebetete zu Tränen gerührt mit ihrer Dolmetscherin in der zweiten Reihe saß. Auch Irina K. beteuerte: „Ich liebe ihn und will ihn heiraten.“ Für die schreckliche Tat, an die sie sich kaum erinnern will, entschuldigte sich die 33-Jährige bei ihrem Verlobten, mit dem sie bereits ein gemeinsames Kind hat.

Nach dem gegenseitigen Liebesbekenntnis vor Gericht wollte der Lebensgefährte nicht mehr als Zeuge aussagen und berief sich auf sein Aussageverweigerungsrecht. Schließlich zog er, da er auch kein Interesse mehr an der Strafverfolgung hat, die Nebenklage zurück. Der damit überflüssig gewordene Vertreter der Nebenklage wurde von der Kammer entpflichtet und durfte den Saal verlassen.

„Das erlebt man in seiner Laufbahn nur einmal“

Selbst der Verteidiger von Irina K., Albert Stumm, wusste nichts von der sich anbahnenden Versöhnung. „Das erlebt man in seiner Laufbahn nur einmal“, erklärte er anschließend.

Das Verfahren wird trotz der Verlobung noch zu Ende geführt, denn bei einem Offizialdelikt wie versuchtem Totschlag gibt es ein öffentliches Interesse, das Verbrechen aufzuklären und zu ahnden.

Mit Küchenmesser zugestochen

Nach einem Streit mit dem Lebensgefährten will die Angeklagte am Abend des 13. Dezember 2019 völlig außer sich und verzweifelt gewesen sein. Der 40-Jährige soll mit einem Zechkumpan und dem letzten Haushaltsgeld über Stunden in einer Spielhalle verschwunden sein, obwohl sie gerade erst operiert worden war. Ihren ohnmächtigen Zorn habe sie mit Bier und Whisky-Cola betäubt und all seine Habe vor die Tür geworfen. „Ich wollte so nicht mehr weiterleben“, hatte Irina K. zum Prozessauftakt gesagt. 1,76 Promille hatte eine Blutentnahme später ergeben. Als ihr Lebensgefährte nach Hause gekommen war, soll die 33-Jährige laut Anklage mit einem Küchenmesser einmal kräftig zugestochen, die Wohnungstür zugeschlagen und den Verletzten liegen gelassen haben. Der 40-Jährige überlebte nur durch schnelle Nothilfe von Nachbarn und Operation.

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Die Verlobung, vor allem das Verzeihen des Opfers, wird die Strafe für Irina K. womöglich mindern. Auch dass sie an dem Abend wegen ihres exzessiven Alkoholkonsums und der affektgeladenen Situation nur eingeschränkt schuldfähig war, könnte sich im Urteil für sie positiv auswirken. In der kommenden Woche wird der Prozess am Schwurgericht fortgeführt.

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