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Bleibelastung in MechernichAnwohner legen Gutachten vor – Bodenaustausch gefordert

Lesezeit 5 Minuten
Der Umgang mit der Bleibelastung im Mechernicher Boden erhitzt seit vielen Jahren die Gemüter.

Der Umgang mit der Bleibelastung im Mechernicher Boden erhitzt seit vielen Jahren die Gemüter.

  • Seit Monaten äußern Anwohner erhebliche Zweifel daran, ob der Kreis Euskirchen sachgerecht mit der Bleibelastung in den Neubaugebieten umgeht.
  • Nun haben sie ein Gutachten vorgelegt. Was der Professor für Bodenschutz am Vorgehen der Behörden kritisiert und was er vorschlägt, erfahren Sie bei uns.

Mechernich – Geht der Kreis Euskirchen sachgerecht mit der Bleibelastung in den Neubaugebieten in Mechernich-Nord um? Seit Monaten äußern Anwohner erhebliche Zweifel daran. Nun legen sie ein Gutachten vor, das sie bei Professor Dr. Helmut Meuser von der Hochschule Osnabrück in Auftrag gegeben haben.

Der Professor für Bodenschutz und Bodensanierung hat die vorliegenden Messergebnisse sowie das Vorgehen der Behörden unter die Lupe genommen.

Durch seine 13-seitige „Gutachterliche Stellungnahme zur Bleibelastung in Mechernich“ fühlen sich die Beschwerdeführer in ihrer Kritik an den Behörden und in ihren Sorgen um die Gesundheit bestätigt. „Wir sagen nicht, dass man hier nicht leben kann“, sagte ein Anwohner dieser Zeitung: „Wir sagen auch nicht, dass man hier nicht bauen kann. Allerdings müssen dafür Regeln eingehalten werden.“

Die Messungen

Professor Meuser bewertet im Gutachten die Messungen, die für das Baugebiet Mechernich-Nord/Kommern-Süd vorliegen. Sie schwanken zwischen 488 und 1680 Milligramm Blei pro Kilogramm Erde. Der Mittelwert liege somit bei 840 Milligramm. Nicht nur dieser Mittelwert, schon der Minimalwert von 488 Milligramm überschreite Vorsorgewerte und Prüfwerte für Kinderspielplätze und Wohngebiete. Das ist unumstritten, auch der Kreis hatte in der Vergangenheit immer betont, dass Prüfwerte vorlägen. Die Frage ist aber: Zieht der Kreis die richtigen Schlüsse aus diesen Messungen? Der Gutachter kommt zu dem Schluss, dass dies in wichtigen Teilen nicht der Fall ist (siehe auch „So reagiert der Kreis auf das Gutachten“).

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Schadstoffe

Wie viele Schadstoffe nehmen Erwachsene und Kinder (Wirkungspfad Boden-Menschen) durch Verschlucken oder Einatmen auf, wenn sie sich in den Wohngebieten dauerhaft aufhalten? „In den hier zu betrachtenden Baugebieten ist von einer intensiven Nutzung auszugehen, da sich stets die gleichen Personen im eigenen Hausgarten aufhalten“, schreibt der Professor. Auch die Aufnahme durch Einatmen spiele eine große Rolle – vor allem im Sommer, vor allem bei Baumaßnahmen. Für Kinderspielplätze gelte ein Prüfwert von 200, für Wohngebiete von 400 Milligramm pro Kilo. Die Prüfwerte“, so der Experte, „sind für den Parameter Blei relativ niedrig angesetzt, was human-toxikologisch determinierte Gründe hat.“ Für die Nutzung von Kinderspielplätzen und den Wirkungspfad Boden-Mensch stünden insbesondere Personen im Alter von ein bis acht Jahren im Fokus.

So reagiert der Kreis auf das Gutachten

Die Euskirchener Kreisverwaltung kritisiert, dass sich Professor Dr. Helmut Meuser bei der Erstellung seines Gutachtens nicht mit dem Kreis in Verbindung gesetzt habe. „Der Kreis Euskirchen hätte sich bei der Erstellung gerne konstruktiv eingebracht“, erklärte der Pressesprecher des Kreises, Wolfgang Andres.

Diese Zeitung hatte dem Kreis eine Kopie des Gutachtens mit der Bitte um eine Stellungnahme zur Verfügung gestellt. „In Bezug auf den darin dargestellten Handlungsbedarf ist festzuhalten, dass zurzeit bereits Detailuntersuchungen im Auftrag der Stadt Mechernich durchgeführt werden“, erklärte die Kreisverwaltung.

Diese Untersuchungen dienten der Überprüfung, inwieweit die bestehenden Vorgaben im Bleibelastungsgebiet den heutigen Maßstäben des Bodenschutzrechtes genügen. „Insofern bleiben die Ergebnisse dieser Untersuchungen abzuwarten“, sagte Pressesprecher Andres. (sch)

Bauvorhaben

In den Bebauungsplänen müssten die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Belange des Umweltschutzes gewährleistet sein, stellt Meuser fest:. „Die Amtsträger (in diesem Fall der Kreis Euskirchen) müssen eine Gesundheitsgefährdung ausschließen (Amtshaftung).“ Andernfalls liege ein Abwägungsfehler vor, der juristische Konsequenzen nach sich ziehen könne.

Um eine mögliche Bodenbelastung baurechtskonform zu behandeln, gebe es die Möglichkeit, Kennzeichnungen und Festsetzungen einfließen zu lassen. „Konkrete Festsetzungen wurden in der vorliegenden B-Plan-Begründung nicht formuliert, wohl aber Hinweise, die rechtlich als weniger bindend zu werten sind“, stellt Meuser mit Blick auf die Unterlagen fest.

In älteren B-Plänen, etwa für die Baugebiete Vierwege und Auf dem Rücken in Mechernich, werde von den Behörden auf die Bleibelastung mit Verweis auf die Karte „Bleigehalt der Böden und Halden im Raume Mechernich“ des Geologischen Landesamtes aus dem Jahr 1986 sowie auf die dort gemessenen Werte von 2000 bis 5000 Milligramm pro Kilo Erde hingewiesen. „Eine die Bleibelastung genau bestimmende zeichnerische Kennzeichnung im Plan wurde nicht vorgenommen“, stellt der Experte jedoch fest.

Umgang mit dem Boden

Meuser nahm auch die Verordnungen zur Verwertung und Entsorgung des Bodens unter die Lupe. Darin werde ausgeführt, dass auzuhebender Boden möglichst auf dem Grundstück bleiben solle. Das aber sei „in Anbetracht der Bodenkontamination in Verbindung mit der geplanten Nutzung als problematisch einzustufen“, erklärt der Professor.

Das Material müsse viel mehr einer Deponie zugeführt werden. Die Hinweise, ausgehobener Boden solle wirtschaftlich sinnvoll entsorgt werden, „widersprechen den abfallrechtlichen Vorgaben, die in Deutschland angewendet werden“, heißt es in dem Gutachten.

Verhaltenshinweise

Auch über den sachgerechten Umgang mit Obst und Gemüse in den belasteten Gebieten werden die Bewohner vom Kreis in einer Broschüre informiert. In der Broschüre „Zur gesundheitlichen Vorsorge in der Mechernich-Kaller Bleibelastungszone“ rät die Abteilung Umwelt und Planung, Obst und Gemüse aus dem Areal vor dem Verzehr gründlich zu waschen.

Doch das reiche nicht, so Meuser. Grundsätzlich sei es ja richtig, wenn im Falle einer Bodenbelastung von Seiten der zuständigen Behörde Schutz-‐ und Beschränkungsmaßnahmen den Nutzern übergeben werden, erklärt der Fachmann: „Im vorliegenden Fall wird jedoch auf den Wirkungspfad Boden-Pflanze nur unzureichend eingegangen.“ Offensichtlich fehlten hier Informationen, denen solche Hinweise zugrunde liegen sollten. Gleiches gilt für die Vorgaben zu Kinderspielplätzen.

Das Merkblatt „Hinweise zur gesundheitlichen Vorsorge“ des Kreises Euskirchen sollte „dringend überarbeitet werden und weiterhin an die Bewohner als Informationsgrundlage verteilt werden“, fordert Meuser.

Weitere Schritte

In den bereits bebauten Gebieten, in denen Prüfwert-Überschreitungen festgestellt wurden, sollten laut Meuser Proben bis zu einer Tiefe von 35 Zentimetern für den Pfad Boden-Mensch (bespielte Flächen ohne Sandspielbereiche) entnommen werden; für den Pfad Boden- Nutzpflanze gar bis zu einer Tiefe von 60 Zentimetern. Eine kombinierte Probe-Entnahme sei dabei möglich. „Versiegelte Flächen sind auszulassen. Die Beprobung sollte nach Möglichkeit grundstücksbezogen stattfinden“, so der Professor. In den noch nicht fertiggestellten Baugebieten sollte ebenfalls in einer Tiefe bis zu 60 Zentimetern beprobt werden.

Außerhalb der versiegelten Flächen sollten die Gartenflächen in einer Tiefe von 60 Zentimeter ausgekoffert und durch zertifizierten, nicht kontaminierten Boden ausgetauscht werden. „Bei den bestehenden Gärten sind Flächen mit Altbaumbestand, dichter Grasnarbe und anderen Boden bedeckenden Vegetationsformationen gegebenenfalls auszulassen.“ In den ausgewiesenen und vorgesehenen Spielbereichen sollte bis zu einer Tiefe von 35 Zentimetern kein belastetes Bodenmaterial vorzufinden zu sein, so Meuser.

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