Im Visier der PolizeiStudentin aus Mechernich hilft in türkischem Geflüchtetenlager

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Die Zustände im Camp sind unmenschlich, deshalb halfen die Studenten den Menschen mit dem Nötigsten.

Die Zustände im Camp sind unmenschlich, deshalb halfen die Studenten den Menschen mit dem Nötigsten.

Mechernich – Ihre Masterarbeit schreibt sie zurzeit über Psychotherapie für Geflüchtete. Genau das will die angehende Psychologin Eva Schade beruflich auch anbieten, weshalb sie nach dem Master eine Therapie-Ausbildung beginnt.

Die Zeit bis zum Ausbildungsbeginn wollte die 23-Jährige, die am Gymnasium am Turmhof ihr Abitur gemacht hat, mit Freiwilligenarbeit füllen. Gleichzeitig nahm das Drama an der türkisch-griechischen Grenze vor rund vier Wochen seinen Anfang, als der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verlauten ließ, die Grenzen nach Europa seien offen. Tausende Flüchtlinge brachen daraufhin von der Türkei zur griechischen Grenze auf, wo sie jedoch mit großem Polizeieinsatz, Stacheldraht und Tränengas am Grenzübertritt gehindert wurden.

Schockierende Bilder

Eva Schade, die bereits in Flüchtlingslagern in Griechenland und im Libanon Freiwilligendienst geleistet hat, zeigte sich angesichts der Bilder und Berichte aus der Grenzregion zu Griechenland geschockt. „Das ist gegen europäische, aber auch gegen meine Werte, so mit Menschen umzugehen“, sagte sie.

Kurzerhand machte sie sich mit zwei anderen Studenten auf den Weg in den Westen der Türkei. Genau genommen nach Karaağaç, einer Kleinstadt nahe dem Grenzübergang Pazarkule, an dem sich zwischenzeitlich Tausende Menschen drängten und die Tage sowie die eisigen Nächte unter katastrophalen Bedingungen verbrachten.

Abgeriegeltes Lager

Das provisorische Lager am Grenzübergang war komplett abgeriegelt, niemand hatte Zutritt, „auch keine Hilfsorganisationen außer dem Türkischen Roten Halbmond“, so die junge Frau. Also überlegten die Studenten, wie sie effektiv helfen können.

„Schließlich haben wir Decken, Seile, Planen und allerlei Medikamente gekauft, aber auch Essen, Wasser, Seife und Desinfektionsmittel. Das alles haben wir dann verteilt“, berichte die engagierte Studentin. Einmal am Tag sei 200 bis 250 Geflüchteten erlaubt worden, den abgeriegelten Bereich zu verlassen, um einzukaufen. Bei dieser Gelegenheit konnten die Studenten Kontakt aufnehmen und ihre Hilfsgüter überreichen, die sie von Spendengeldern kaufen konnten, die sie vorab gesammelt hatten.

Türkische Polizei

Lange ging das allerdings nicht gut. „Die türkische Polizei hatte bald ein Auge auf uns und untersagte uns weitere Hilfsaktionen“, so die angehende Psychologin. Das aber schreckte die jungen Leute nicht ab, vielmehr fand die Verteilung nun heimlicher statt und nicht mehr vor dem Supermarkt an der Hauptstraße. „Schließlich haben wir uns vernetzen können mit türkischen Freiwilligen, die sich ebenfalls aktiv gegen die unhaltbaren Zustände vor Ort einsetzten.“

„Zu dem Zeitpunkt, als wir da waren, lebten an die 20 000 Männer, Frauen und Kinder in dem Camp“, erzählte Eva Schade. Türkischen Medienberichte zufolge wird das provisorische Lager seit Ende vergangener Woche geräumt. Die Menschen würden mit Bussen nach Istanbul gebracht, wo sie dann nach einer Quarantänezeit zurück an ihre letzten Wohnorte gebracht würden. „Doch viele haben da alles aufgegeben, mussten ihre Papiere abgeben und kommen nun zurück ins Nichts“, gibt die 23-Jährige zu bedenken.

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Die Corona-Krise verkürzte den Aufenthalt der drei Studenten im türkischen Grenzgebiet auf eine Woche. „Dann mussten wir ausreisen und zurück nach Deutschland fahren“, berichtete Eva Schade. Sofern es die allgemeine Lage in Zeiten von Corona zulässt, will die junge Frau, die mittlerweile in Osnabrück zu Hause ist, im Sommer für längere Zeit nach Griechenland reisen.

Eventuell auf die Insel Lesbos, um weiter freiwillige Hilfe für Geflüchtete zu leisten. „Ich möchte und kann nicht einfach stillschweigend mitansehen, was an der europäischen Außengrenze passiert“, sagt sie bestimmt. Sie werde auch nicht müde, deutschen Politikern E-Mails zu schreiben, in denen sie von ihren Erlebnissen berichte und die humanitäre Krise in den betreffenden Regionen anprangere. Meist allerdings, so Eva Schade, erhalte sie darauf keine Antwort.

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