Mechernicher FirmaArmenischer Mitarbeiter muss trotz Arbeitsvertrag ausreisen

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Sind über die Entscheidung der Behörden unglücklich: Fabian Feldmann (v.l.), Minas Manutsyan und Kristine Feldmann. Sie wollen, dass Manutsyan bleiben und weiter bei den Feldmanns arbeiten kann.

Sind über die Entscheidung der Behörden unglücklich: Fabian Feldmann (v.l.), Minas Manutsyan und Kristine Feldmann. Sie wollen, dass Manutsyan bleiben und weiter bei den Feldmanns arbeiten kann.

  • Der 26-jährige Minas Manutsyan ist in Armenien aufgewachsen und nach seinem Studium mit einem Touristenvisum nach Deutschland gereist.
  • Er sei auf der Suche nach besseren Möglichkeiten gewesen, sagt er heute, und beantragte Asyl.
  • Kurz darauf findet er einen Job bei den Feldmanns, die die Firma Präzisrohr Hilden in Roggendorf leiten. Jetzt muss er trotz unbefristetem Arbeitsvertrag ausreisen.

Mechernich-Roggendorf – Es ist heiß. In der Halle dröhnen Maschinen. Ein Stockwerk höher sitzt Minas Manutsyan mit Kristine und Fabian Feldmann in einem Büro, die drei wirken ratlos. Gut zwei Jahre ist es her, da stand Manutsyan plötzlich vor den Feldmanns und fragte nach Arbeit. Jetzt wurde sein Asylantrag abgelehnt – er muss ausreisen, sonst wird er abgeschoben.

Die Feldmanns wollen das verhindern. Irgendwie. Die Geschwister leiten die Firma Präzisrohr Hilden in Roggendorf. 30000 Tonnen Stahl verarbeiten sie hier mit 50 Mitarbeitern nach eigener Aussage pro Jahr. Seit Juli 2018 gehört Manutsyan dazu. Der 26-Jährige ist in Armenien aufgewachsen und hat dort Finanzwesen studiert. Nach seinem Abschluss reiste er mit einem Touristenvisum nach Deutschland. Er sei auf der Suche nach besseren Möglichkeiten gewesen, sagt er heute.

Er beantragt Asyl. Er habe Zeit gewinnen wollen, berichtet er, um Zeit, Land und Leute kennenzulernen und einen Job zu finden. Manutsyan wird in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) Borgentreich im Kreis Höxter untergebracht. Schnell habe er versucht, zu arbeiten, erzählt er. Zunächst habe er in der Unterkunft als Küchenhilfe gejobbt, später als Dolmetscher. Denn Manutsyan lernt schnell Deutsch und spricht fließend Englisch. Ein gutes halbes Jahr verbringt er in der ZUE, dann wird er Mechernich zugeteilt. Erneut sucht er Arbeit und landet schließlich bei den Feldmanns.

Kaum Chancen auf Asyl

Armenien zählt zwar nicht als sicheres Herkunftsland, dennoch haben armenische Staatsangehörige kaum Aussicht auf Asyl in Deutschland. Laut der Asylgeschäftsstatistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wurde von Januar bis Juli 2020 über 689 Asylanträge armenischer Staatsangehöriger entschieden. Lediglich fünf Personen davon wurden als Flüchtling anerkannt, einer erhielt subsidiären Schutz, bei 17 stellte man ein Abschiebeverbot fest. 441 Anträge wurden abgelehnt, bei 225 Personen erledigte sich das Verfahren aus anderen Gründen.

Es gibt sogar ein deutsch-französisches Reintegrationsprojekt, dass armenische Staatsangehörige bei freiwilliger Rückkehr helfen soll, in Armenien wieder Fuß zu fassen. Armenien liegt in Asien und grenzt an Russland, Aserbaidschan, den Iran und die Türkei. Es gilt als Parlamentarische Republik. Nach Angaben des Bamf leben etwa drei Millionen Menschen in dem Land. Knapp die Hälfte davon in der Hauptstadt Jerewan und ihrer Umgebung. (jre)

Zu dem Zeitpunkt habe er allerdings noch keine Arbeitserlaubnis gehabt, berichtet Kristine Feldmann. Deshalb ruft sie selbst bei den Behörden an, mit dem Vertrag bei Präzisrohr Hilden bekommt er schließlich eine Arbeitserlaubnis.

Sie ist auf zwei Jahre befristet, genau wie sein Arbeitsvertrag. Manutsyan habe sich schnell eingearbeitet und eine tolle Lernkurve gezeigt, berichten die Feldmanns. Sie sind begeistert von dem jungen Mitarbeiter. „Es war unser Bestreben, ihn so weiterzubilden, dass er hier als Maschinenführer arbeiten kann“, sagt Kristine Feldmann. Sie entfristen seinen Arbeitsvertrag. Doch die Arbeitserlaubnis wird nicht verlängert. Denn inzwischen haben die Behörden über den Asylantrag beschieden – negativ.

Unbefristeter Arbeitsvertrag

Weder die Feldmanns noch Manutsyan stört das. Da sei schon alles mit rechten Dingen abgelaufen, sagt Fabian Feldmann. Nur verstehen sie nicht, warum Manutsyan ausreisen muss. Er habe einen unbefristeten Arbeitsvertrag und sorge seit zwei Jahren für sich selbst, so Fabian Feldmann. „Und es ist auch nicht so, als ob er einem gut ausgebildeten Deutschen den Arbeitsplatz weg nimmt“, fügt er an.

Im Gegenteil. Es sei schwer in der Branche, fähigen und arbeitswilligen Nachwuchs zu finden. „Einen vielversprechenden Mitarbeiter nun zu verlieren, ist für uns ein Schlag“, sagt er. „Wir profitieren als Unternehmen. Wir brauchen den Herrn Manutsyan.“ Deshalb setzen sich die Feldmanns für ihn ein.

Das sagt die Ausländerbehörde

Man sei an die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gebunden, erklärt die Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen auf Nachfrage.

Im Fall von Minas Manutsyan seien alle Rechtsmittel ausgeschöpft und der Asylantrag abgelehnt. Bis zum 11. August sei ihm eine Duldung ausgestellt worden. Dann soll über eine freiwillige Ausreise gesprochen werden. Zudem diene der Termin der Identitätsklärung. Denn es liege weder ein Pass noch eine Identitätskarte vor.

Ihm ein Arbeitsvisum auszustellen, sei nicht möglich. Bei einem unanfechtbar abgelehnten Asylantrag könne nur aus humanitären Gründen ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

Es sei wichtig, dass Manutsyan bei der Identitätsfeststellung mitwirke und freiwillig ausreise. Bei einer Abschiebung erhalte er ein Einreiseverbot für die Dauer von 30 Monaten. In Armenien könne er dann einen Antrag auf ein Arbeitsvisum stellen, ein gültiger Arbeitsvertrag erhöhe dabei sicher seine Chancen. (jre)

Sie habe bereits mit den Ämtern telefoniert, berichtet Kristine Feldmann. Bei der Ausländerbehörde habe man ihr gesagt, das Beste sei, Manutsyan reise freiwillig aus und beantrage dann in Armenien ein Arbeitsvisum. Doch das koste Geld und Zeit. „Ich halte ihm den Arbeitsplatz gerne frei“, sagt Kristine Feldmann. Nur sei es einfach sehr unsicher, ob und wann Manutsyan zurückkomme.

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Am heutigen Dienstag hat der Armenier seine letzte Anhörung. Da soll er alle Papiere mitbringen, inklusive eines gültigen Rückreise-Tickets. Die Feldmanns wollen ihn begleiten. „Für uns wäre es halt schön, wenn die Ausländerbehörde uns ein bisschen Spielraum lassen würde“, sagt Kristine Feldmann. Sie wollen versuchen, mehr Zeit zu gewinnen. Zeit, in der Manutsyan sich alle nötigen Papiere besorgen kann. Vielleicht gebe es eine Möglichkeit, von hier aus ein Arbeitsvisum zu beantragen, hofft Kristine Feldmann.

Ein Bekannter habe ihr geraten, Manutsyan einen Ausbildungsplatz zu geben, damit er nicht abgeschoben werden könne. Für die Feldmanns keine gute Lösung. Manutsyan sei bereits sehr gut ausgebildet. In einer Ausbildung würde er wesentlich weniger verdienen, und danach hätten sie dasselbe Problem wie jetzt, sagt Fabian Feldmann. Aber: „Wenn ihn das rettet, machen wir das“, so Kristine Feldmann. Das Rückreise-Ticket hat Manutsyan noch nicht gebucht. Er hoffe, sagt er, dass er bei den Behörden Verständnis erwirken und bleiben kann.

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