Nach der FlutIHK gegen Wiederaufbau des Berufskollegs Eifel

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Ist nach Ansicht der Industrie- und Handelskammer Aachen nicht zukunftsfähig: das Berufskolleg des Kreises in Kall.

Kreis Euskirchen. – Geht es nach der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen, ist das Berufskolleg Eifel in Kall bald Geschichte. Die IHK befürwortet die Aufgabe des Standorts. Das geht aus einem Schreiben von IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Bayer an Landrat Markus Ramers (SPD) hervor, das der Redaktion vorliegt. „Betriebe entscheiden sich bewusst gegen die Beschulung im Kreis Euskirchen“, heißt es darin. Der Kreis Euskirchen habe beim Wiederaufbau die „einmalige Chance“, sich auf einen Standort mit Strahlkraft zu konzentrieren und das Berufskolleg Eifel (BK) in Kall zu schließen.

„Wir sehen die Beschlusslage und die darauf aufbauende Planung mit großer Sorge. Dementsprechend haben wir uns gegenüber dem Schulträger kritisch geäußert“, so Bayer: „Aus den bisherigen Gesprächen und Dokumenten ist für uns nicht erkennbar, aus welchen Gründen am Erhalt beider Standorte, in Kall und in Euskirchen, festgehalten wird. Das Szenario wurde uns gegenüber stets als verbindlich gekennzeichnet, aber nicht mit Argumenten unterlegt.“

Einstimmiger Beschluss im Kreistag

Auf Antrag von CDU, FDP und UWV – dem die anderen Fraktionen zustimmten – war beschlossen worden, dass der Kreis Euskirchen unter Einbeziehung der Kammern und Wirtschaftsverbände ein Konzept zur Schaffung konkreter Standortvorteile für das Berufskolleg Eifel erarbeiten möge.

„Wir haben gegen die Entscheidung für den Wiederaufbau in Kall maßgebliche Bedenken“, so der IHK-Chef: „Insgesamt empfehlen wir dringend, die Standortfrage im Interesse eines starken Bildungsangebots noch einmal ergebnisoffen zu prüfen.“ Einer Arbeitsgruppe des Kreistags mit „eingeschränkter Zielsetzung“, wie vom Kreis vorgegeben, werde sich die IHK „allenfalls beratend“ anschließen.

Schorn reagiert mit Unverständnis

Eine Haltung, die beim FDP-Fraktionsvorsitzenden Frederik Schorn Kopfschütteln auslöst: „Die Flutkatastrophe sieht die IHK Aachen offenbar als Chance zum Abriss im Kreis Euskirchen. Wir sehen sie als Chance zum Neuanfang für das Berufskolleg Eifel. Keinesfalls werden wir die Bildungslandschaft im Südkreis verkümmern lassen. Schon heute müssen angehende Handwerker für manche Klassen aus der Eifel bis nach Köln fahren.“

Die von der IHK vorgeschlagene Schließung des Berufskollegs Eifel würde laut Schorn den Fachkräftemangel verschärfen und der Region nach der Flutkatastrophe einen zweiten Schlag versetzen. „Wir sind davon überzeugt, dass der Kreis durch Investitionen in den Standort Kall eine von Angebot und Infrastruktur her erstklassige Einrichtung schaffen kann, welche dem Bedarf im Kreis Euskirchen gerecht wird und Einpendler aus den Nachbarkreisen anzieht“, so der Chef der Kreis-FDP.

"Erstklassiges Angebot schafft Nachfrage"

Die IHK gehe davon aus, dass die sinkenden Schülerzahlen in Kall strukturell bedingt, also nicht umkehrbar seien. Das sieht Schorn anders: „Ein erstklassiges Angebot schafft Nachfrage. Es handelt sich um eine Investition in die Zukunft unserer Region.“

Kammern eingeladen

Landrat Markus Ramers wollte sich auf Anfrage der Redaktion nicht zum Vorstoß der IHK äußern.

Allerdings, so der Verwaltungschef, habe er Vertreter der IHK und der Handwerkskammer zur Sitzung der interfraktionellen Arbeitsgruppe „Wiederaufbau der Berufskollegs“ an diesem Dienstag eingeladen. (tom) 

Zur Ankündigung der IHK, sich unter der Voraussetzung einer Standortgarantie für das BK Eifel nur eingeschränkt an der Wiederaufbauplanung zu beteiligen, ergänzt Schorn: „Für die unsouveräne Haltung der IHK fehlen mir Geduld und Verständnis. Nicht zum ersten Mal behandelt die IHK Aachen den Kreis Euskirchen als Zonenrandgebiet. Von einer IHK erwarten wir wahlweise Unterstützung für den Standort, konstruktive Mitarbeit oder eben Zurückhaltung gegenüber einstimmigen Entscheidungen des Kreistags.“

Stolz sehr enttäuscht

Kopfschütteln erntet die IHK mit ihrem Schreiben auch bei den anderen Kreistagsparteien. „Als ich das gelesen habe, war ich schon sehr enttäuscht“, sagt Ute Stolz, CDU-Fraktionsvorsitzende: „Wenn die IHK nicht versteht, was der Berufskolleg-Standort Kall soll, dann verstehe ich die IHK nicht.“ Um gegen den Fachkräftemangel vorzugehen, brauche es Ausbildung. Ohne Ausbildungsmöglichkeit vor Ort ziehe es die jungen Menschen doch sofort in die Ballungsräume. Das Berufskolleg in Kall sei daher für den Südkreis wichtig.

Motivation unklar

SPD-Fraktionschef Thilo Waasem erklärte: „Wir sind ein großer Flächenkreis, da braucht es Infrastruktur auch in der Fläche.“ Die Gründe des einstimmigen Kreistagsbeschlusses für beide Berufskolleg-Standorte im Kreis hätten sich nicht geändert. Ihm leuchte nicht ein, was die IHK zu ihrem Schreiben bewogen haben könnte. Schließlich habe sie auch Mitgliedsbetriebe im Südkreis. Er habe dort mit einigen gesprochen und die sähen das ganz anders als die IHK.

Fast wie eine Inszenierung

UWV und Grüne wundern sich derweil, dass die IHK erst jetzt mit ihren Bedenken um die Ecke komme. Sie hätte sich doch schon früher in die Diskussion einbringen können, sagt Jörg Grutke, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Sein Kollege von der UWV sieht das ähnlich. Auf ihn wirke das Ganze schon fast inszeniert, so Franz Troschke. Beide betonen wie ihre Kollegen von SPD,CDU und FDP, dass der Berufskolleg-Standort Kall für den Südkreis enorm wichtig sei.

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Dabei negieren die Parteien nicht die von der IHK angesprochenen Probleme. Es sei klar, dass der Standort zukunftsfähiger werden müsse. „Wir sind ja dabei, neue Konzepte zu entwickeln“, sagt Stolz. „Es heißt nicht: Weiter so!“, betont Grutke. Die Vorschläge des IHK hingegen nennt er „altbacken“. Wenn es nur noch einen zentralen Bildungsstandort in Euskirchen gebe, so Grutke, dann sei der gesamte Südkreis der Verlierer. Strukturelle Probleme, da sind sich die Parteien einig, löse man damit nicht.  

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