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Nach TodesfallKreis Euskirchen stoppt Astrazeneca-Impfung für Frauen unter 55

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Im Impfzentrum in der einstigen Eifelhöhen-Klinik geht der Betrieb weiter. Jedoch erhalten Frauen unter 55 Jahren zunächst keine Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin mehr.

Im Impfzentrum in der einstigen Eifelhöhen-Klinik geht der Betrieb weiter. Jedoch erhalten Frauen unter 55 Jahren zunächst keine Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin mehr.

Kreis Euskirchen – Nachdem eine 47 Jahre alte Frau kurze Zeit nach der Impfung mit dem Impfstoff von Astrazeneca an einer Hirnvenenthrombose gestorben ist, wird eine weitere Frau mittleren Alters derzeit stationär behandelt. In beiden Fällen besteht nach Angaben des Kreises Euskirchen der Verdacht auf einen Zusammenhang mit dem Impfstoff von Astrazeneca.

Stopp mit sofortiger Wirkung

Daher hat der Kreis in Abstimmung mit der ärztlichen Leitung des Regionalen Impfzentrums in Marmagen am Montagmittag entschieden, dass mit sofortiger Wirkung der Impfstoff Astrazeneca nicht mehr an Frauen in der Altersgruppe unter 55 Jahren verimpft wird. Der Kreis berichtet, dass er die Bezirksregierung und das NRW-Gesundheitsministerium über die neue Lage informiert und das Moratorium vermeldet habe. Der Kreis betont jedoch ausdrücklich, dass es sich dabei um eine vorsorgliche Maßnahme handele und sie „in keiner Weise der Entscheidung zuständiger Bundesbehörden vorgreifen soll“. Laut Landrat Markus Ramers sei dies eine Maßnahme des vorbeugenden Gesundheitsschutzes.

Beide Patientinnen hatten laut Kreis mit dem Abstand weniger Tage zur Impfung eine Sinusvenenthrombose entwickelt. Die 47 Jahre alte Patientin verstarb an den Folgen. Bei der zweiten Patientin handelt es sich nach Angaben des Kreises um eine 28-Jährige, die in der Stadt Bonn lebt. Da sie im Kreis Euskirchen arbeitet, wurde sie im Marmagener Zentrum geimpft. Sie werde derzeit in einer Spezialklinik behandelt, ihr Zustand sei stabil.

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Personal musste Frage und Antwort stehen

Auch nachdem der Todesfall am Samstag bekannt geworden war, waren die Impfungen in Marmagen mit dem Astrazeneca-Impfstoff fortgesetzt worden. Für den Sonntag waren im Impfzentrum 280 Verabreichungen des entsprechenden Vakzins vorgesehen. Nach Angaben des Kreises seien 24 dieser Termine – weniger als zehn Prozent – nicht wahrgenommen worden. Jedoch habe das Personal im Impfzentrum am Wochenende verständlicherweise zahlreiche Fragen zu dem Thema zu beantworten gehabt.

Rückfragen bei den Oberbehörden, wie denn nun weiter verfahren werden solle, waren nach Angaben des Kreises damit beantwortet worden, „dass das Paul-Ehrlich-Instuitut die Vorgänge gewissenhaft prüfe, eine abschließende Stellungnahme jedoch nicht erfolgen könne“. Ramers hatte dazu mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und Staatssekretär Dr. Edmund Heller telefoniert, die sich für eine zeitnahe, abschließende Klärung durch die Fachleute einsetzen wollen.

Krisenstab sah sich zum Handeln gezwungen

Jedoch brannte den Verantwortlichen im Kreis die Zeit unter den Nägeln, da am Montag um 14 Uhr die Impfungen in Marmagen beginnen sollten. Also entschied der Krisenstab zu handeln. Wie der Kreis berichtet, fällte er die Entscheidung über den vorsorglichen Impfstopp nach fachlicher Beratung durch Gesundheitsamts-Chef Christian Ramolla und nach Rücksprache mit dem Leitenden Impfarzt Frank Gummelt sowie dessen Stellvertreterin Dr. Ulrike Zunker.

Da derzeit nicht ausgeschlossen werden könne, „dass Tatsachen vorliegen, die gegen eine alters- und geschlechtsübergreifende Verimpfung“ des Astrazeneca-Vakzins sprechen, erhalten Frauen unter 55 Jahren im Kreis Euskirchen diesen Impfstoff zunächst nicht mehr. „Es war eine schwierige Entscheidung, die sich keiner leicht gemacht hat“, sagt Kreis-Pressesprecher Wolfgang Andres. Von Staatssekretär Heller hat der Kreis am Nachmittag laut Andres erfahren, dass man die Entscheidung des Kreises akzeptiere und respektiere – und dass man auf eine Grundsatzentscheidung seitens des Paul-Ehrlich-Institus drängen werde.

32000 Impfdosen sind seit dem 27. Dezember im Kreis Euskirchen verabreicht worden. Im Marmagener Impfzentrum waren es in den ersten sechs Wochen, seitdem es in Betrieb ist, 17000 – davon 11 000 Dosen des Biontech- und 6000 des Astrazeneca-Vakzins.

Impfungen mit Biontech laufen weiter

Die Biontech-Impfungen laufen wie geplant weiter. Männer sowie Frauen, die älter als 55 Jahre sind, erhalten auch weiterhin den Astrazeneca-Impfstoff. Jedoch können die Frauen, deren mit Astrazeneca geplanter Impftermin abgesagt wurde, nicht alternativ mit Biontech geimpft werden, da die Impfdosen nach Angaben des Kreises alle verplant und die entsprechenden Termine vergeben sind. Und auch die Frauen unter 55, die sich mit Astrazeneca impfen lassen wollten, sind vom Stopp betroffen, da das Vakzin derzeit überhaupt nicht verabreicht wird.

Darüber hinaus waren am Montagnachmittag zahlreiche Fragen offen, wie es im Kreis nun mit den Astrazeneca-Impfungen weitergeht. „Wir sind auf eine Entscheidung und klare Ansagen angewiesen“, so Andres. Die Bestellungen der Impfstoffe hängen davon laut Andres genauso ab wie das Terminmanagement. Ab der Woche nach Ostern sollten beispielsweise auch die Zweitimpfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin beginnen.

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Doch wann das Paul-Ehrlich-Institut die Untersuchungen abschließt, ob die Impfung ursächlich für den Tod und die schwere Erkrankung der beiden Frauen war, ist laut Kreis unklar. Genauso unklar ist, wann von dort eine Entscheidung zur Unbedenklichkeit des Impfstoffs kommt. Doch eins stellt Ramers klar: „Kein Impfstoff wird vernichtet. Alle Frauen, denen heute oder morgen kein Impfangebot gemacht werden kann, werden zeitnah nachgeimpft.“

Das Gesundheitsministerium NRW erklärte auf Nachfrage, eine mögliche allgemeine Einschränkung werde derzeit geprüft. Dies geschehe durch die Ständige Impfkommission (Stiko). Bei der Entscheidung in Euskirchen handele es sich „um eine medizinische Entscheidung, die vorsorglich vor Ort getroffen worden ist“, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gegenüber.

Alle Daten zu möglichen Nebenwirkungen bei Impfstoffen „laufen beim Paul-Ehrlich-Institut und dem RKI zusammen. Dort werden die neuen Erkenntnisse fortlaufend überprüft“, so der Sprecher. Die Stiko berate derzeit, ob durch die Entwicklung der vergangenen zehn Tage eine erneute Anpassung der Impfempfehlung erforderlich sei, so der Sprecher des Ministeriums. Bis dahin schränkt Nordrhein-Westfalen die Impfungen voraussichtlich nicht ein.

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