Rolle rückwärtsSchulen im Kreis Euskirchen bereiten sich auf die Rückkehr zu G9 vor

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Eines von drei Bündelungsgymnasien im Kreis wird in der Schleidener Clara-Fey-Schule mit Schulleiterin Roswitha Schütt-Gerhards eingerichtet.

Eines von drei Bündelungsgymnasien im Kreis wird in der Schleidener Clara-Fey-Schule mit Schulleiterin Roswitha Schütt-Gerhards eingerichtet.

Kreis Euskirchen/Schleiden – Voller Zuversicht und Vorfreude blickt Roswitha Schütt-Gerhards dem neuen Schuljahr entgegen. Nachdem in den vergangenen beiden Jahren Corona mit drohenden Schließungen wie ein Damoklesschwert über den Schulen hing, befürchtet die Leiterin der Clara-Fey-Schule in Schleiden derartiges für dieses Schuljahr nicht. Doch langweilig wird es für sie und ihre Kollegen nicht. Unter anderem stehen die Vorbereitungen für die Rückkehr von G8 zu G9 an.

Der Systemwechsel

Nachdem das Abitur nach acht Jahren (G8) statt nach neun (G9) eingeführt wurde und 2013 ein Doppeljahrgang Abi gemacht hat, wird nun die Rolle rückwärts vollzogen. Die ab 2019 an den Gymnasien eingeschulten Schüler legen ihr Abitur wieder regulär nach neun Jahren ab. Im Kreis Euskirchen sind nach Angaben der Bezirksregierung Köln alle Gymnasien zum G9-System zurückgekehrt, an den Gesamtschulen hatte dies ohnehin die ganze Zeit über Bestand.

Schütt-Gerhards begrüßt diesen Schritt. Durch das zusätzliche Jahr haben die Schüler ihrer Ansicht nach mehr Möglichkeiten, sich zu entwickeln, sich beruflich zu orientieren – kurz: erwachsener zu werden.

Die Folgen

Durch die Wiedereinführung der zehnten Klasse stehen Unternehmen und Universitäten 2025 nur ganz wenige Abiturienten zur Verfügung, da das Gros der jungen Leute ein Jahr länger an der Schule verweilt. Dennoch wird es einen Mini-Abiturjahrgang geben. Wiederholer der Jahrgangsstufe EF, Seiteneinsteiger aus anderen Schulformen und Rückkehrer von einem Auslandsjahr werden dann Abitur machen. Für sie wird zum Schuljahr 2023/24 ein Bündelungsjahrgang (siehe „Bündelungsgymnasien“) eingerichtet, auf den sich die Schulen bereits vorbereiten.

Die Bewerbung

Die Vorbereitungen für den Start des „weißen Jahrgangs“, wie die Schüler der Bündelungsgymnasien laut Schütt-Gerhards auch genannt werden, haben längst begonnen. Ein recht kompliziertes Antragsverfahren haben die Schulen dafür durchlaufen müssen. Zunächst hat der Schulträger, im Fall der Clara-Fey-Schule das Bistum Aachen, dem Vorhaben zustimmen müssen. Danach folgte die umfangreiche Bewerbung bei der Bezirksregierung, in der unter anderem die Bedingungen und Möglichkeiten dargelegt werden mussten und zu erklären war, warum man davon ausgeht, die erforderliche Zahl von 42 Schülern erreichen zu können.

Wechsel von G8 zu G9

Bündelungsgymnasien

Für den Kreis Euskirchen sind in Abstimmung mit der Bezirksregierung Köln drei Bündelungsgymnasien geplant. Neben der Clara-Fey-Schule in Schleiden sind es das Johannes-Sturmius-Gymnasium in Schleiden und das Gymnasium am Turmhof in Mechernich. Weitere sind nach Angaben von Dirk Schneemann, Sprecher der Bezirksregierung Köln, nicht vorgesehen.

Die Schulträger haben die Vorschläge zur Einrichtung der Bündelungsgymnasien gemacht, die dann von der Bezirksregierung geprüft wurden. Zu den Prüfkriterien gehörten unter anderem die räumlichen Voraussetzungen, ob ein ausreichendes Bildungsangebot vorgehalten werden kann und ob die Aussicht besteht, dass die Mindestgröße von 42 Schülern für den Jahrgang voraussichtlich erreicht werden kann.

Wie viele Schüler dieses Angebot tatsächlich wahrnehmen, steht noch in den Sternen, da die Anmeldung gerade erst begonnen hat. (rha)

Praxisnähe

Etwa die Hälfte eines Abiturjahrgangs, so Roswitha Schütt-Gerhards Beobachtung aus den vergangenen Jahren, beginnt ein Studium. In diesem Jahr, so die Schulleiterin, haben allein vier eine Ausbildung als Schreiner begonnen.

Ein Anliegen ist es ihr daher, die Schule in Richtung Praxisorientierung weiterzuentwickeln. Zum einen könne so die Region gestärkt werden, zum anderen die Schüler ans Berufsleben herangeführt werden – es sei eine Win-win-Situation.

Zwei neue Angebote gibt es daher im neuen Schuljahr am „Clara“. Dem Wunsch aus der Schülerschaft wird entsprochen und eine AG „Wie gründe ich ein Unternehmen?“ ins Leben gerufen, in der die Schule mit der IHK kooperiert.

In der Klasse acht wird als weiteres Differenzierungsangebot das Fach Technik eingeführt, in dem Holz- und Metallbearbeitung sowie Elektrotechnik im Fokus stehen. Hier wird auch mit Firmen aus der Region zusammengearbeitet. (rha)

Unter dem Dach der Clara-Fey-Schule lernen im Gymnasium rund 700 und in der Realschule etwa 300 Schüler Tür an Tür – eine räumliche Trennung gibt es nicht. Die Realschule wird zum neuen Schuljahr erstmals mit allen Jahrgängen belegt sein. Laut Schütt-Gerhards ist diese Schulform beliebter denn je: In ihrem Haus sei die Zweizügigkeit voll ausgelastet, für einen weiteren Zug fehlen schlicht die Räume. Und auch die benachbarte Städtische Realschule sei komplett belegt.

Von den Schülern der zehnten Klasse werden einige 2023 in die gymnasiale Oberstufe wechseln. Dies und die Erfahrungen seit den 1990er-Jahren, wie viele Schüler regelmäßig zur Oberstufe wechseln, stimmen sie zuversichtlich, die geforderte Zahl an Schülern zu erreichen.

Die Anmeldung

Die Anmeldungen für die Bündelungsgymnasien laufen derzeit, an der Clara-Fey-Schule sind bereits einige eingegangen. Sie erfolgen direkt bei den Schulen, es wird keine Verteilung, etwa durch den Kreis oder die Bezirksregierung, geben. Auch sind die Schüler nicht an ihren Heimatkreis gebunden. In Schleiden etwa sind traditionell viele Schüler aus den Bereichen Simmerath/Monschau (Städteregion Aachen) und Heimbach (Kreis Düren), die dort auch das Bündelungsgymnasium besuchen können. Eine Infoveranstaltung dazu gibt’s am „Clara“ am Mittwoch, 7. September, ab 18 Uhr.

Die Vorbereitungen

Schütt-Gerhards geht davon aus, bis zu den Herbstferien Klarheit darüber zu haben, ob an ihrer Schule im nächsten Jahr der „weiße Jahrgang“ eingerichtet wird. Dann könne über die Angebote entschieden werden. Dann wird es wohl auch Klarheit über die Lehrkräfte geben. Schütt-Gerhards geht davon aus, dass sie drei zusätzliche Kollegen für das Bündelungsgymnasium benötigt und zehn für die Wiedereinführung von G9.

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Auch für die Schüler beginnen die Vorbereitungen bereits – wenn sie es möchten. Für Schütt-Gerhards und ihr Team hat sich in den vergangenen 25 Jahren herauskristallisiert, dass diejenigen, die von anderen Schulen zur Oberstufe kommen, in Mathematik einer besonderen Förderung bedürfen. Die wird zur Vorbereitung auf den Wechsel bereits dieses Schuljahr per Teams und in Präsenz angeboten.

Der Ausblick

Da beide Schleidener Gymnasien als Bündelungsgymnasien vorgesehen sind, wünscht sich Schütt-Gerhards, dass auch beide die erforderliche Schülerzahl erreichen. Um vor Ort ein möglichst breit gefächertes Fächer-Angebot machen zu können, plädiert sie für eine Kooperation – die Zeiten, in denen man an „Clara“ und „Städtischem“ nicht wirklich miteinander gesprochen habe, seien ja nun wirklich längst passé.

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