Brandanschläge in Schleiden15-Jähriger zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt

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Gymnasium Schleiden

Der 15-jährige Angeklagte gestand, drei Brände am Gymnasium in Schleiden gelegt zu haben.

Aachen – Die 8. Große Jugendstrafkammer des Landgerichts Aachen hat einen  15-Jährigen aus der Gemeinde Hellenthal, der wegen sieben Brandstiftungen im Schleidener Tal angeklagt war, am Donnerstag wegen versuchten Mordes in zwei Fällen in Tateinheit mit den sieben  Brandstiftungen zu einer Jugendstrafe  von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dies teilte Thomas Birtel, Pressesprecher des Landgerichts, am Donnerstagabend auf Anfrage der Redaktion mit. Gegen den Angeklagten war wegen dessen jugendlichen Alters nicht öffentlich verhandelt worden.

Geständnis wirkt sich strafmildernd aus

Das Gericht  wertete strafmildernd sein durchgängig bereitwilliges und umfassendes Geständnis, das es ermöglicht habe, Fälle aufzuklären, die ihm möglicherweise gar nicht hätten nachgewiesen werden können.  Auch habe er Reue gezeigt, sowohl im als auch vor dem Prozess. In seinem Schlusswort, so  Birtel, habe sich der 15-Jährige noch einmal an die Geschädigten gewandt,  und zwar nicht nur an die, die im Gerichtssaal anwesend  waren, weil sie als Opfer der Brandstiftungen als Zeugen ausgesagt hatten. Er bitte  alle, sowohl seine ehemaligen Mitschüler  im Schleidener Sturmius-Gymnasium, wo er drei Brände gelegt hatte, als auch die Bürger im  Schleidener Tal um Verzeihung für die Angst, die er durch seine Taten verbreitet habe.

Erschwerend wertete die Kammer bei der Strafbemessung  den entstandenen Schaden in Millionenhöhe, vor allem beim Brand des Städtischen Sturmius-Gymnasiums in Schleiden. Und die Tatsache, dass er insgesamt fünf Menschen durch die nächtlichen Brandstiftungen an Wohnhäusern in Lebensgefahr gebracht habe und einige von ihnen auch verletzt worden seien.

Ankläger forderte sechs Jahre

Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer unter anderem wegen versuchten Mordes in zwei Fällen eine Jugendstrafe von sechs Jahren gefordert. Angesichts der Tatsache, dass die mögliche Höchststrafe bei zehn Jahren lag, attestierte Verteidiger Albert Stumm dem Ankläger, damit einen fairen Antrag gestellt zu haben. Stumm selbst plädierte vor Gericht für ein geringeres Strafmaß als das von der Staatsanwaltschaft geforderte.

Der 15-Jährige hatte vor Gericht wie schon direkt nach seiner Festnahme  bei den polizeilichen  Vernehmungen die Taten in vollem Umfang gestanden. Er bedauere dies zutiefst, hatte er schon zu Beginn der Hauptverhandlung erklärt. Bei den direkt Geschädigten hatte er sich für die Brandstiftungen sowohl schriftlich im Vorfeld als auch persönlich in der Hauptverhandlung entschuldigt. Er gäbe alles, um es ungeschehen zu machen, sagte er im Prozess. In einem psychologischen Gutachten hatte ein Sachverständiger dem 15-Jährigen volle Schuldfähigkeit attestiert, obwohl er in seiner Kindheit ein Erlebnis hatte,  dem er damals ohnmächtig gegenübergestanden hatte. Das hatte zu Schwierigkeiten in seiner Entwicklung geführt, die zeitweise die Betreuung in einer Jugendhilfeeinrichtung notwendig gemacht hatten. Dort hatte er sich aber sehr positiv entwickelt.

Doch was hatte ihn dazu veranlasst, zunächst seine eigene Schule und in der Folge sogar Häuser, deren Bewohner hätten umkommen können, anzuzünden? Gerichtssprecher Thomas Birtel mochte zur Motivation mit Hinweis auf die nichtöffentliche Verhandlung keine Angaben machen.

Auch Strafverteidiger Albert Stumm erkannte an, dass diese Frage zwar die Öffentlichkeit bewege, aber nicht umfassend beantwortet werden könne.

Fakt sei, dass er mit den Brandanschlägen  auf das städtische Sturmius-Gymnasium in Schleiden  versucht habe,  Elternsprechtage zu verhindern, weil er Ungemach wegen schulischer Fehlleistungen befürchtet habe. Auf dem nächtlichen Heimweg habe er nach der Tat zurückgeblickt und den Schein des  Großbrandes an seiner Schule  und die anrückenden Einsatzkräfte der Feuerwehr gesehen. Das, so  Verteidiger Albert Stumm, habe ihm nach eigenem Bekunden ein Gefühl der Macht gegeben, dass er solche Dinge tun könne, ohne dass ihm etwas geschehe. Dieses Machtgefühl habe in der Folge zu weiteren Brandstiftungen geführt.

Heimlich davongeschlichen

Immer wieder hatte er sich in der Folge spätabends und nachts heimlich durch  eine Terrassentür aus seinem Elternhaus geschlichen, um Feuer zu legen. So auch am Pfarrheim der evangelischen Kirche in Hellenthal  und an einem Wohnhaus in Oberhausen, dessen Bewohner sich nur durch einen Sprung aus einem Fenster im Obergeschoss vor den Flammen hatten retten können. Dabei waren sie verletzt worden.

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Im Gerichtssaal kam es im Verlauf der Verhandlung zu sehr emotionalen Momenten, wie Anwalt Stumm schilderte. Alle Geschädigten, die im Prozess als Zeugen gehört wurden, hätten die Entschuldigung des 15-Jährigen  angenommen. Eine Zeugin habe  eine menschliche Größe gezeigt, die einem den Atem habe stocken lassen. Sie habe vor Gericht geschildert, wie sie nach dem Brand  ihres Hauses vor dem absoluten Nichts gestanden habe.  Unmittelbar nach der Schilderung habe sie sich an den jungen Angeklagten gewandt und gesagt, dass sie  keinerlei Hass empfinde. Sie nehme  nicht nur seine Entschuldigung an, sondern vergebe ihm.

Sowohl der Angeklagte als auch dessen Vater und der Anwalt erklärten noch vor Gericht, dass sie das Urteil annähmen.

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