Nach Hochwasser„Adventsshopping“ bringt wieder Leben in lädierten Gemünder Ortskern

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Klein, aber lokal ist das kleine Adventsdorf vor der Alten Schule in Gemünd.

Klein, aber lokal ist das kleine Adventsdorf vor der Alten Schule in Gemünd.

Schleiden-Gemünd – Fast wirkt die Ansammlung von Holzbuden wie das berühmte kleine gallische Dorf, das sich der Eroberung durch die Römer widersetzt. Ganz Gemünd ist nach der Flutkatastrophe im Wiederaufbau, ein Großteil der Läden noch geschlossen, mit großen Holzplatten verbarrikadiert. Ganz Gemünd? Nein, ein kleiner Weihnachtsmarkt aus neun Holzbuden, einem Zelt und einem Getränkewagen bringt wieder Leben in die gebeutelte Stadt.

„Adventsshopping“ nennt sich das Konzept, das die Wirtschaftsförderin Bianka Renn ausgearbeitet hat. In die augenblickliche Tristesse der einstigen Gemünder Einkaufsmeile, der Dreiborner Straße, soll es mehr als ein wenig Festtagsfreude und Adventsstimmung bringen. Es geht um Hoffnung, um die Option auf Zukunft und einen Lichtblick in einer schwierigen Zeit.

Besucher kommen, um Händler zu unterstützen

„Ich hätte gedacht, es wäre mehr los“, sagt eine Kundin aus Olef. Sie sei extra gekommen, um die Händler zu unterstützen, erzählt die gebürtige Gemünderin. „Man weiß doch, was hier los ist, das interessiert einen doch“, betont sie. Und so ist ihre Tasche so voll geworden, dass sie die letzten Dinge in der Hand tragen muss.

Ein paar kleine Sachen sind es, die sie am Parfümstand für Nikolaus als Geschenk für ihre Tochter eingekauft hat. Auch das Jahrbuch des Geschichtsvereins hat sie sich am Stand der Buchhandlung Wachtel besorgt.

Auch wenn der Andrang an diesem regnerischen Samstagnachmittag überschaubar ist, menschenleer ist der Gemünder Ortskern vor der Alten Schule nicht. Immer wieder kommen kleinere oder größere Gruppen durch die Fußgängerzone geschlendert. Ein Anziehungspunkt ist die Glühweinbude der KG Rot-Weiß Gemünd.

„Am Freitagabend war es hier richtig voll“, freut sich Ottmar Heinrichs, der Generalmajor der Roten Funken, und verteilt die Armbänder, die den Besuchern den Zugang erlauben. 2G-plus, also genesen, geimpft und dazu noch getestet, ist die Ansage in Sachen Corona-Prävention an allen Buden und auch im Einkehrzelt. Doch Heinrichs schüttelt den Kopf über die Sinnhaftigkeit so mancher Vorgabe. „2G-plus gilt nur für die Besucher. Wir hinter der Theke und die Händler müssen dagegen nur 3G – genesen, getestet oder geimpft – nachweisen, weil das hier ein Arbeitsplatz ist“, erläutert er.

Öffnungszeiten

Das „Adventsshopping“ in Gemünd ist am dritten Adventswochenende freitags von 12 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 12 bis 17 Uhr geöffnet. Am vierten Adventswochenende sind die Buden zu den gleichen Zeiten am Freitag und Samstag geöffnet. Das Begegnungszelt „14/7 Einkehr“ ist freitags von 17 bis 21 Uhr sowie samstags und sonntags von 12 bis 21 Uhr geöffnet. Darüber hinaus soll das Zelt auch an Heiligabend, 24. Dezember, ab 19 Uhr geöffnet sein. (sev)

Verwirrung um verschiedene 2G-Regelungen

Auch ist an diesem Samstagnachmittag noch nicht so allen klar, was jetzt eigentlich wo gilt. 2G im Außenbereich oder 2G-plus an den Gastroständen oder was? „2G-plus überall“, sagt Ulrike Geuenich es jedem, der es hören möchte. Sie betreibt das Begegnungszelt „14/7 Einkehr“ vor der Alten Schule und ist die Pächterin des Gemünder Brauhauses, das heftig von der Flut betroffen ist. „Das Haus ist Totalschaden. Das Wasser stand bis über die Theke“, sagt sie.

Neujahr 2020 hat sie das Brauhaus übernommen, was bedeutet: zwei Monate offen, dann kam Corona. Nach einer guter Sommersaison sei der zweite Lockdown gekommen und dann die Flut. Auch privat ist sie betroffen. „Wenn mein Nachbar mich nicht gerettet hätte, wäre ich ertrunken“, erzählt sie. So laut und so aggressiv habe sie Wasser noch nie erlebt.

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Doch sie will ihr Lokal wieder öffnen, unbedingt. Doch wann? Sie hofft auf das Frühjahr, jedenfalls, wenn alles pünktlich geliefert wird. „Allein die Spülmaschine, die ich sofort nach der Flut bestellt habe, hat Lieferzeit bis Mai“, berichtet sie. Bis dahin solle das Zelt stehenbleiben. Stadt und Brauerei würden sie sehr unterstützen. „Der Geschäftsführer der Gemünder Brauerei, Jochen Schweizer, hat den Getränkewagen selbst aus Pforzheim hierher gefahren“, sagt sie.

Viele trauen sich nicht in das Gemünder Zentrum

In dem beheizten und geschmückten Zelt steht auch der Wunschbaum, den der Arbeiter-Samariter-Bund und die Hilfsorganisation Archenova aufgestellt haben. Hier können Kinder aus Gemünd Weihnachtswünsche aufschreiben, die am 21. Dezember von 18 bis 20 Uhr erfüllt werden sollen.

Die Idee des Weihnachtsmarktes kommt besonders bei den Händlern gut an. „Das ist eine tolle Aktion“, freut sich Nadine Sperling von der Parfümerie „Goldmaries“. Sie sei glücklich, dass sie hier sei. An ihrem eigentlichen Standort in Schleiden habe sie ihr Geschäfte gerade zwei Monate geöffnet gehabt, bevor Corona gekommen sei. Jetzt sei ihr Ladenlokal zerstört. „Doch wir werden wieder aufmachen, nur der Standort ist noch nicht geklärt“, kündigt sie an.

Auch Lothar Braunisch, Inhaber der Buchhandlung Wachtel, lobt das Konzept. „Es ist schön, dass die Menschen zusammenhalten“, sagt er. Viele würden sich aber nicht in das Gemünder Zentrum trauen, sie wollten das Elend nicht sehen.

Kein Markt in Schleiden

Nicht so Heike und Christoph Kammers. „Wenn so etwas angeboten wird, dann muss man da doch hingehen“, sagt er entschieden, während seine Frau sich über die Produkte von „Goldmaries“ beraten lässt. Eine Haltung, auf die auch Bianka Renn von der Stadt Schleiden hofft. „Es ist eine Aktion, um den Handel in Gemünd wieder zu aktivieren“, sagt sie. Sie glaube daran, dass die Händler wieder auf die Füße kommen.

Die 2G-plus-Regel für den Markt habe die Stadt bereits vor den letzten Änderungen der Corona-Regeln beschlossen. Demnach seien eine Lockerung auf 2G im Außenbereich möglich. „Wir werden das am Montag besprechen“, so Renn. Darüber hinaus werde für die nächsten Wochenenden eine Teststation in der Alten Schule eingerichtet.

Ausgeliehen hat die Stadt die Buden beim Junggesellenverein Schleiden, der in diesem Jahr keinen eigenen Markt anbietet.

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