Oase als ÜbergangsquartierSchleidener Kitas können nach Flut nicht genutzt werden.

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Elke Emmerich (l.), Andrea Wollgarten von der Kita Malsbenden.

Elke Emmerich (l.), Andrea Wollgarten von der Kita Malsbenden.

Schleiden-Vogelsang – Es ist still an diesem Dienstagvormittag in der DRK-Akademie in Vogelsang. So still, wie es hier normalerweise ist – aber auch so still, wie es seit einigen Wochen nicht mehr ist. Denn Kinderlachen und das Trappeln kleiner Füße beherrschen aktuell das Klangbild in den Fluren und Seminarräumen. Die 40 Kinder der Kita Wingertchen in Gemünd-Malsbenden, die im Hochwasser schwer beschädigt wurde, haben hier ihre Notunterkunft gefunden. Doch an diesem Morgen unternehmen sie eine kleine Kräuterwanderung.

„Eigentlich klappt alles gut“, sagt Andrea Wollgarten. Sie hat die Leitung des Kindergartens und auch die Idee gehabt, einmal zu fragen, ob nicht in Vogelsang Räume zur Verfügung stehen. In ein Übergangsquartier in einer Turnhalle habe sie mit den Kinder nicht so gerne ziehen wollen. Denn das komplette Erdgeschoss der Einrichtung in Gemünd kann nicht mehr genutzt werden. Ohne zu zögern, räumten die DRKler die Akademie frei. Aus den Seminarräumen wurden Gruppenräume, die großen Freiflächen wurden mit Zäunen abgesichert, damit niemand verloren gehen kann.

Ständige Erinnerung an die Flut

„Für die Kinder ist das eine Oase“, sagt Andrea Wollgarten. Einmal aus dem Flutgebiet herauskommen, wo auch die Kinder ständig an die Ereignisse erinnert werden, deren Elternhaus nicht betroffen ist. „Die Kinder haben alle viel gesehen, was Kinder nicht sehen sollten“, stellt Erzieherin Jana Berners fest. Auch wenn nicht viele darüber redeten – die Erfahrungen der Flutnacht belasteten die Kinder, bestätigt Wollgarten. „Die Konfrontation ist da, das ist für alle ein Thema“, sagt sie. Die Kinder könnten nicht verstecken, wie sie großgeworden sind, in der Flut, in der Corona-Zeit.

Doch auch für die Erwachsenen seien die Bilder nicht einfach zu ertragen. Einige würde sich nicht trauen, nach Gemünd zu fahren, sagt Wollgarten. Anders Elke Emmerich: „Wenn wir in die Einrichtung kommen und die Ruine sehen, dann wird wieder alles wach.“ In Eigenarbeit sei über anderthalb Wochen der Estrich im Erdgeschoss herausgestemmt worden. Geholfen hätte viele Helfer wie der Junggesellenverein Malsbenden, ein Radsportverein, viele Freiwillige. Aber: „Es gab keinen Strom, kein Internet“, sagt sie.

Umzug fast ohne Spielzeug

Viel ist zerstört worden in der Flut. So zog die Einrichtung fast ohne Spielzeug nach Vogelsang. Doch durch Spenden wie von der Aktion „Ein Ziegelstein für Gemünd“, die Bürger aus Peine organisiert haben, konnten die Verluste ausgeglichen werden.

„Ich habe gedacht, es gibt ein Chaos, aber alle sind zufrieden“, sagt Wollgarten. Niemand störe sich an dem Müllberg, der sich in Sichtweite der Not-Kita auftürmt. Und auch, dass es erst ab 1. Oktober wieder warmes Mittagessen gibt, sei auf einem Elternabend nicht moniert worden, berichtet Berners: „Sie sagten, sie könnten doch zufrieden sein, dass es eine Betreuung gebe.“ Und doch vermissen die Kinder ihre alte, geliebte Einrichtung. „Das ist immer wieder Thema“, so Berners. Auch für die zehn Mitarbeiter ist das begrenzte Raumangebot eine Herausforderung. Zu gern würden sie aus dem Notbetrieb wieder in den Regelbetrieb gehen und mit den Kindern pädagogisch arbeiten.

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„Uns belastet die Ungewissheit. Wir wissen nicht, was wird, wir leben in den Tag“, sagt Emmerich. Ob die alte Einrichtung wiederhergestellt werde, sei ihnen nicht bekannt. „Man lebt wie bei einem Umzug aus Kisten und richtet sich nicht ein.“ Denn auch sie werden mit einer anderen Kita in einen gemeinsamen Containerkomplex für vier Kitagruppen umziehen. Bis dahin genießen sie die Möglichkeiten in Vogelsang. „Auch wenn es drinnen eingeschränkt ist, draußen gibt es tolle Möglichkeiten“, sagt Wollgarten. Und für den Fall, dass es regnet, steht auch noch die Fahrzeughalle an der Akademie zur Verfügung.

Lösungen in Containern schaffen

Sechs Kindergärten im Stadtgebiet Schleiden sind bei der Flutkatastrophe stark beschädigt oder zerstört worden: beide DRK-Kitas in Gemünd sowie die in Oberhausen und Olef, zudem die Profinos-Einrichtungen in Gemünd und Schleiden. Übergangsweise sind sie derzeit im Bürgerhaus Herhahn, in den Kitas Dreiborn, Harperscheid und Imgenbroich, in der reaktivierten Kita Wollenberg und der DRK-Akademie Vogelsang untergebracht.

Drei bis vier Monate sind derartige Lösungen laut Schleidens Beigeordnetem Marcel Wolter gemäß des Landes-Baurechts zulässig, bei denen nicht alle Regeln, etwa in Sachen Platzangebot, eingehalten werden. Danach sind etwa Überbelegungen der anderen Kitas nicht mehr zulässig, es müssen Lösungen geschaffen werden, in denen die gesetzlichen Vorgaben und DIN-Normen eingehalten werden.

In drei Großraumcontainern, die aus zahlreichen kleineren Containern zusammengebaut werden, werden nun Übergangslösungen geschaffen, die auch längerfristig Bestand haben, bis die Kitas saniert oder neu gebaut sind.

Für bis zu zwölf Gruppen und 200 bis 250 Kinder sowie 30 Erzieherinnen wird in den Container-Kitas Platz sein. Wie viele Kinder diese genau besuchen werden, ist laut Wolter noch nicht klar. Da beispielsweise in Gemünd zahlreiche Familien ihre schwer beschädigten Häuser verlassen haben und vorübergehend woanders wohnen, ist auch denkbar, dass einige Kinder in diesen Orten die Kitas besuchen.

Der oder die Standorte stehen laut Wolter noch nicht fest. Ziel sei, die drei Einheiten möglichst an einem Ort zu platzieren, der im Schleidener Tal und unweit der Bundesstraße liegt. Doch dafür seien noch Abstimmungsgespräche und Baugenehmigungen erforderlich. Bis Ende der Woche soll laut Wolter Klarheit herrschen. Der Eröffnungstermin für die Übergangs-Kitas steht ebenfalls noch nicht fest. Es müssen nicht nur die Container geliefert und aufgebaut, sondern auch die Infrastruktur unter anderem mit Wasser, Strom, Heizung, Telefon und Parkplätzen geschaffen werden.

Die Kinder aus Olef werden nicht in die Container einziehen. Laut Wolter ist ihre Kita nicht so stark beschädigt, so dass sie in einigen Wochen in ihre angestammte Einrichtung zurückkehren können. Im kommenden Mai/Juni können die Schleidener Kinder womöglich ebenfalls in ihren gewohnten Kindergarten zurückkehren. Auch die Kita an der Gemünder Grundschule wird saniert.

Neukonzeptionen, die möglicherweise auch Neubauten bedeuten, sind laut Marcel Wolter für die Kitas in Olef sowie in Gemünd, die in Malsbenden und am Kreuzberg, vorgesehen. Diese Einrichtungen seien aufgrund ihrer Größe auch vor der Flut nicht mehr ganz zeitgemäß gewesen. Als etwa die Kitas in Gemünd vor Jahrzehnten gebaut wurden, gab es laut Wolter eben noch ganz andere Anforderungen – auch an Dinge wie die Erreichbarkeit.

Drei Gruppen sind demnach heute eigentlich der Standard, um gute und durchgängige pädagogische Angebote in den Kitas machen zu können. Dies begründet sich, so Wolter, unter anderem in der U3-Betreuung, die vor Jahrzehnten noch überhaupt kein Thema gewesen sei. Daher werde nun detailliert geschaut, welche Lösung für welche Kita in welchem Ort die beste wäre. Bis Ende des Jahres, so Wolters Plan, werde eine Strategie für die Zukunft der Kitas entwickelt sein, über die dann der Stadtrat zu entscheiden habe. (rha)

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