Unverständnis bei Flut-BetroffenenBehörden schließen Versorgungszentrum in Gemünd

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Offene Böden und unverputzte Wände, Schimmelbefall und Nagerspuren führten zur Schließung des Versorgungszentrums. 

Schleiden-Gemünd – Das Ende kam schnell und überraschend. Am Donnerstag schlossen das Ordnungsamt der Stadt Schleiden und die Lebensmittelüberwachung des Kreises Euskirchen das „Kunterbunte Versorgungszentrum am Kreisverkehr“ in Gemünd. Ab diesem Zeitpunkt durften keine Spenden mehr ausgegeben werden. Kleiderspenden, die für die Flutopfer bereitlagen, sind bereits entsorgt.

Jenny Böhmer, eine der Ehrenamtlichen, die das Versorgungszentrum betreiben, ist immer noch fassungslos. Rund 150 Familien seien pro Woche in das Spendenlager gekommen. Schädlingsbefall habe sie nicht festgestellt. Das Zentrum war im einstigen Gemünder Hof eingerichtet – in Keller und Erdgeschoss hat die Flut ebenfalls gewütet. „Wir liegen am Bach, ein Fenster im Keller ist zur Lüftung offen“, sagt sie. Es seien Rattenfallen aufgestellt gewesen, doch darin sei nie etwas gefangen worden. Alles, was nicht desinfiziert werden könne, müsse weggeschmissen werden.

Unverständnis bei den Flut-Betroffenen

Bei den Nutzern sorgt die Entscheidung für Unverständnis. „Ich war regelmäßig beim Spendenlager im Bösen Wolf und auch hier einmal in der Woche“, erzählt Melanie Weber. Sie wohnt an der Bruchstraße und ist wie die meisten Malsbendener von der Flut betroffen. „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt sie über die Schließung. Es gehe ihr dabei nicht um das Finanzielle – darum, kostenlos Lebensmittel zu erhalten. Ihr seien vor allem die Gespräche und der Kontakt mit Leidensgenossen wichtig. „Es geht um die Anerkennung, es geht darum, wenigstens etwas Hilfe zu bekommen“, sagt sie. Das Versorgungszentrum sei nicht nur für die Gemünder wichtig gewesen, sondern auch für Menschen aus Kall oder der weiteren Umgebung.

Nach der Schließung schalteten die Ehrenamtler auf Plan B um. Am Samstag standen als mobiles Versorgungszentrum Lieferwagen am Kreisverkehr und gaben gespendete Lebensmittel aus. Ein wenig ging es zu wie auf dem Wochenmarkt, an jedem Auto sammelten sich Menschen. „Ich bin sehr traurig, ich denke, dass die Menschen darauf angewiesen sind“, sagte eine Frau, die sich regelmäßig aus Obergartzem auf den Weg nach Gemünd macht.

Für sie als alleinerziehende Mutter und Flutopfer sei es oft finanziell eng. Das Auto sei weg, die Winterkleidung abgesoffen. Ein Ehrenamtler legt ihr Lebensmittel in die bereitgehaltene Tüte. Ob sie vielleicht eine zweite Portion wolle? „Ja, tu’ rein, eine Extraportion für das Pubertier“, sagt sie lachend angesichts des Appetites ihrer Nachkommenschaft.

„Ich lebe in der ersten Etage, das Erdgeschoss ist entkernt, der Putz ist abgemacht“, sagt ein älterer Mann aus Gemünd. Auch für ihn sei die Versorgungsstelle wichtig, auch wenn er nur selten dagewesen sei. „Wir sind keine Großverdiener“, sagt er. Er finde das gut, solch eine Versorgungsstelle müsse es geben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Melanie Bröxges aus Neuss beliefert das Versorgungszentrum mit Spenden. Zwei weiße Sprinter aus ihrem Team sind an diesem Samstag nach Gemünd gekommen, um eine mobile Ausgabe zu gewährleisten. „Aufgrund der Auflagen kann so eine Entscheidung im normalen Leben richtig sein“, sagt sie. Doch dass eine Behörde sechs Monate nach einer Katastrophe auf die Idee komme, solch ein Versorgungszentrum zu schließen, mache sprachlos.

„Wir haben in Deutschland noch 40.000 Menschen, die genau so leben, ohne Estrich, ohne Putz. Die leben, kochen, essen und schlafen in ihren kontaminierten Häusern.“ Dann eine Spendenausgabe zu schließen, sei unverständlich. Die Grundversorgung müsse aufrechterhalten werden. Ein alternativer Standort sei noch nicht in Sicht. „Bis dahin machen wir es mobil“, kündigt sie an. Ihr Helferteam sei privat organisiert – es müsse erst einmal eine Summe aufgebracht werden, mit der möglicherweise ein alternatives Spendenlager angemietet werden könne. 

KStA abonnieren