UrgesteinAlois Sommer wird 90 – und überrascht die Schleidener Bürger nochmal

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In Steinfeld werden Alois Sommer (noch 89) und Rosa Claßen (81) demnächst kirchlich heiraten.

In Steinfeld werden Alois Sommer (noch 89) und Rosa Claßen (81) demnächst kirchlich heiraten.

  • Alois Sommer hat in Schleiden und im Kreis Euskirchen viele Spuren hinterlassen – im Bildungsbereich, in der Kultur, in der Politik. Am 3. Mai feiert er seinen 90. Geburtstag.
  • Wir haben uns mit dem ehemaligen Bürgermeister unterhalten und blicken auf seine bewegte Vita.
  • Sommer hat noch viel vor: In Steinfeld will er ein zweites Mal vor den Traualtar treten.

Schleiden – Alois Sommer hat in Schleiden und im Kreis Euskirchen viele Spuren hinterlassen – im Bildungsbereich, in der Kultur, in der Politik. Am 3. Mai feiert er seinen 90. Geburtstag und zeigt, dass er immer noch für eine Überraschung gut ist.

Sommer, so hieß es salopp und humorvoll im Freundeskreis, habe „eine neue Flamme“. Und in der Tat hat der Träger des Bundesverdienstkreuzes und des Rheinlandtalers vor, noch einmal kirchlich zu heiraten: In Steinfeld will er die 81-jährige Rosa Claßen zum Traualtar führen. Sommer: „Eine althergebrachte Freundschaft hat sich in den letzten drei Jahren vertieft.“

Man kenne sich seit über 30 Jahren, erläutert Rosa Claßen. Beide sind verwitwet, zu Lebzeiten der Ehepartner waren die Paare befreundet. „Die Liebe ist vom Alter unabhängig“, lächelt Sommer, der seine eigene, 2014 verstorbene Frau Ellen viele Jahre intensiv gepflegt hatte.

In seiner guten Stube in Schleiden ertönt im Hintergrund klassische Musik, die zahlreichen Uhren melden harmonisch die verstreichende Zeit. Wenn Alois Sommer über sein Leben erzählt, dann wird die aber schnell knapp, denn der noch 89-jährige Vollblutpolitiker hat ein phänomenales Gedächtnis und erinnert sich genau an die Winkelzüge Eifeler Politik.

1954 trat er in die CDU ein, er war junger Lehrer in Birgelen im Kreis Heinsberg. „Es war die Zeit von Konrad Adenauer, der mit seiner unerschütterlichen Westbindung und der Aussöhnung mit Frankreich eine gute Politik für Deutschland machte. ,Mitdenken, mitreden, mithandeln’ lautete damals der Slogan der Jungen Union“, so Sommer.

Vita

Von 1984 bis 1995 war Alois Sommer Schleidener Bürgermeister. Auch heute noch ist er gut in der Kommunalpolitik vernetzt und zieht im Hintergrund zuweilen die Fäden.

In Schleiden war er von 1963 bis 1988 Realschuldirektor. Sowohl auf Stadt als auch auf Kreisebene war er parteipolitisch in der CDU aktiv. 1966 wurde er Vorsitzender des Schleidener Stadtverbands, ein Amt, das er über die kommunale Neugliederung hinweg für 20 Jahre inne hatte. Danach war er sechs Jahre Kreisvorsitzender der CDU, saß in Kreistag und im Stadtrat.

Außerdem war er Vorsitzender und Ehrenvorsitzender des Naturparks Nordeifel, 1988 Gründungsmitglied des Fördervereins Blankenheimer Museen und im Vorstand der Freunde und Förderer des Klosters Steinfeld. (pe)

1963 entdeckte er eine Stellenanzeige der Stadt Schleiden, die eine Realschule als Mittelschule gründen wollte. Sommer bewarb sich, wurde genommen und bekam die Aufgabe, diese Schule aufzubauen. Er, seine Frau Ellen, Sohn Thomas und Tochter „Mone“ wurden zu Eifelern. Der Integrationswunsch war da: „Ich bin gleich in zwei Vereine gegangen, in den Eifelverein und um der Integration der Kinder willen in den TuS.“

1965 wurde er von der Politik entdeckt: „Ich musste auf dem Ehrenfriedhof eine vaterländische Rede zum Volkstrauertag halten. Danach kam das Kreistagsmitglied Franz Küpper zu mir und sagte, ,Sie gehen für mich in den Schleidener Kreistag’. Dann, ein Jahr später, habe Josef Pelster gesagt: „Wir haben hier einen jungen, dynamischen Realschuldirektor, der könnte eigentlich den CDU-Vorsitz übernehmen.“ Sommer war ganz überrascht, ging nach Hause zu seiner Ellen und sagte: „Hür ens, ich ben jett wure.“ Im letzten Schleidener Kreistag wurde er Fraktionsvorsitzender und war maßgeblich an der Kommunalen Neugliederung beteiligt.

Eigentlich war eine Fusion der Eifelkreise Monschau und Schleiden im Gespräch. Doch daraus wurde nichts, denn in Düsseldorf sei man der Ansicht gewesen: „Aus zwei Armen macht man keinen Reichen.“ Das ökonomisch schwache Schleiden sollte nach Euskirchen und Erftstadt orientiert werden, was zu ziemlichen Friktionen geführt habe, erinnert sich Sommer.

25 Jahre im Kreistag

„Insgesamt war ich 25 Jahre im Kreistag. Nach anfänglichem Nebeneinander – hier in der Eifel gab es Orte, von denen man in Weilerswist noch nie gehört hatte – hat sich das gut zusammengefunden“, zieht Sommer Bilanz. Und weist darauf hin, dass die „Generalmentalitäten“ der Bevölkerung zwischen Eifel und Mechernich in Richtung Euskirchen sich ziemlich unterscheiden.

„1971/72 kam die kommunale Neugliederung, und ich wurde Vorsitzender des fusionierten Stadtverbandes mit Gemünder und Dreiborner CDU-lern“, sagt Sommer. Er zog die Fäden, dass der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Leiter des Städtischen Gymnasiums, Dr. Herbert Hermesdorf, Schleidener Bürgermeister wurde. „Wo wird denn der Hermesdorf gewählt?“, war vorher geargwöhnt worden. „Der kommt auf die Reserveliste, dann ist er durch“, sagte Sommer – und genau so kam es.

Sommer schwamm jedoch nicht immer auf einer Welle der Zustimmung. „Ich habe hier und da auch opponiert.“ So sei er für die Entwicklung des Gewerbezentrums Oberhausen gewesen, quasi als Gegengewicht zu Kall. Das nahm ihm die Geschäftswelt übel. Auch habe es Knatsch gegeben, weil er dagegen war, die Ladestraße in Gemünd durch das Grundstück Gaul zu führen. Und er besaß die politische Kühnheit, sich mit der SPD zu verbünden, als es darum ging, den geplanten Abriss der Arembergischen Rentei zu verhindern. Das Vorhaben konnte gestoppt werden, doch Sommer hatte sich dreimal unbeliebt gemacht.

1974 wollte er ein Koppelmandat für den Kreistag haben, was ihm verwehrt wurde. In den Stadtrat kam er auch nicht, er durfte nur als sachkundiger Bürger in zwei Ausschüssen mitreden. Doch dann suchte eine Delegation aus den Höhendörfern Dreiborn, Harperscheid, Schöneseiffen, Herhahn, Morsbach, Berescheid ihn auf und bat ihn, sie im Euskirchener Kreistag zu vertreten. „Ich habe mich breitschlagen lassen“, lacht Sommer.

Dort war er seit 1972 Vorsitzender des Sport- und Kulturausschusses, also zuständig für von Oberkreisdirektor Dr. Karl-Heinz Decker gerne als „kulturellen Klimbim“ bezeichnete Sachfragen. Doch der Kreis Schleiden brachte viel mit in die kommunale Ehe: Das Blankenheimer Museum, Theateraufführungen in Gemünd und das Eifeler Musikfest in Steinfeld. Und den Naturpark Nordeifel, gegründet vom früheren Regierungspräsidenten Hubert Schmitt-Degenhardt. 1986 übernahm Sommer dessen Vorsitz für 18 Jahre.

1984 wurde er Schleidener Bürgermeister – als Dr. Hermesdorf nicht mehr wollte und ihm sagte: „Das läuft auf Sie zu.“ Immer noch ist Sommer ein „Homo Politicus“, der auch seinen Parteifreunden ins Gewissen redet. So will er Bürgermeister Ingo Pfennings animieren, bei der Schleidener CDU auch mal jüngere Talente ans Ruder zu lassen.

Stimmen enger Wegbegleiter

Dr. Karl-Heinz Decker (82) war von 1973 bis 1993 Oberkreisdirektor des Kreises Euskirchen. Decker erinnert sich gerne an das öffentliche Wirken von Alois Sommer. „Sein Engagement galt im hohen Maße der Eifel und der historischen Entwicklung dieses Raumes“, sagt er. Im Eifelverein und im Naturpark Nordeifel habe Sommer sehr viel bewirkt. Vor allem sein Engagement für die Kulturgüter der Eifel sei bemerkenswert. Sommer habe sich außerdem sehr engagiert an der Gründung von Radio Euskirchen beteiligt, auch, als die Verhandlungen strapaziös geworden seien. Decker: „Sommer hat nie die Türen zu anderen zugeschlagen, sondern immer nach Gemeinsamkeiten gesucht.“

Dr. Dieter Pesch (74) war lange Jahre Kreistagsabgeordneter der CDU, bis er sich mit ihr überwarf. Außerdem war Pesch von 1981 bis 2007 Leiter des Freilichtmuseums Kommern und hat später das Kulturforum Eifel in Gemünd geleitet. „Wir waren zwar nie im selben Ausschuss des Kreistags, haben uns aber immer verstanden“, erinnert sich Pesch, der mit Sommer gut befreundet ist. Während Pesch im Planungsausschuss und auch im Bezirksplanungsrat tätig war, wirkte Sommer im Kulturausschuss. „Wir hatten immer gleiche Einstellungen, haben uns oft in Steinfeld getroffen und nach der Messe die neuesten Witze ausgetauscht“, amüsiert sich Pesch. Sommer habe übrigens nicht nur Kunstwerke von Eifelmalern gesammelt, sondern eine Zeit lang auch intensiv Uhren. „Wenn man ihn anfangs der neunziger Jahre zur vollen Stunde anrief, bimmelte es ständig bei ihm“, erinnerte er sich.

Eine weitere Leidenschaft Sommers sei das Lateinische: „Bei Schlussfolgerungen sagte er immer präter propter („ungefähr, etwa“). Einige Politiker hätten Sommer nacheifern wollen und sich dabei ein wenig blamiert. Pesch: „Sie sagten mit dem Brustton der Überzeugung ,ettezzera ettezzera’ und meinten et cetera. Sommer hat aber nur geschmunzelt und nie einen bloßgestellt.“. Bei der anstehenden Geburtstagsfeier des Jubilars wird Pesch eine Rede halten. Dem Jubilar hat er versprochen, dass sie zur Hälfte in Latein sein wird. Das dürfte anstrengend werden...

Werner Rosen (95), der ehemalige Gemeindedirektor von Hellenthal, erinnert sich gerne an die 30 bis 40 Reisen ins Glottertal, die seine Familie gemeinsam mit den Sommers unternommen hat. „Das hatte er schon lange entdeckt, bevor es durchs Fernsehen bekannt wurde“, sagt er. Was die Politik angehe, so sei er selbst seit 1974 in der CDU. Daher wisse er, dass Sommer gut vernetzt sei und in den letzten Jahren oft seine Hände im Spiel gehabt habe, wenn es galt, vakante Bürgermeisterstellen neu zu besetzen. (pe)

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