Start der WallfahrtsaisonVon Euskirchen aus ins heilige Banneux

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Betend verharren die Pilger an der Quelle an der Rue de l’Esplanade und tauchen ihre Hände ins Wasser.

Betend verharren die Pilger an der Quelle an der Rue de l’Esplanade und tauchen ihre Hände ins Wasser.

Banneux – Es ist ruhig in diesen Tagen im belgischen Banneux Notre Dame. Die großen Parkplätze sind leer. Die Wege durch das Marienheiligtum liegen friedlich in der Aprilsonne, nur vereinzelt gehen Menschen zu der Quelle, um ihre Hände in das Wasser zu tauchen und ein Gebet zu sprechen. Bald ist es mit der Ruhe vorbei.

Am 1. Mai beginnt die Wallfahrtssaison. Rund eine halbe Million Menschen kommt pro Jahr, berichtet Rektor Leo Palm. Geschätzt. „Wir führen keine Statistik“, sagt er und lächelt freundlich. Palm ist ein freundlicher Mann mit schlohweißem Haar. Nur ein kleines Holzkreuz, das er um den Hals trägt, erinnert an seine Priesterwürde, wenn er in seinem Büro in Banneux arbeitet. Er weiß über Politik genauso informiert zu sprechen wie über Religion. Mitunter, wenn er nicht sagt, was er sagen könnte, leuchten seine blauen Augen verschmitzt auf, Lachfalten bilden sich.

Palm stammt aus der Gegend von Lüttich. An seinen ersten Besuch in Banneux, das gibt er offen zu, kann er sich nicht erinnern. Mit 14 Jahren sei er dort gewesen. Erst später habe er den Ort schätzen gelernt. Im Jahr 2009 wurde er vom Lütticher Bischof als Rektor des Heiligtums berufen.

Auf den Spuren von Mariette Beco

Die Person, um die sich in Banneux alles dreht, hat Palm noch kennengelernt, bevor sie 2011 im Alter von 90 Jahren verstarb. Mariette Beco war zwölf Jahre alt, als ihr achtmal die Mutter Gottes erschienen sein soll. Vom 15. Januar bis zum 2. März 1933 sollen die Erscheinungen angedauert haben.

„Sie sagte zu mir: ,Wir können über alles reden, aber nicht über die Erscheinungen’“, erinnert sich Palm. Sie habe alles darüber gesagt, sie sei nur der Briefträger gewesen. „Mariette war keine religiöse Frau“, erzählt Palm. Kurz vor den Erscheinungen habe sie beschlossen, ihren Katechismus abzubrechen und nicht zur Ersten Heiligen Kommunion zu gehen, weil sie nicht mit dem Pfarrer zurecht gekommen sei.

Saison beginnt am 1. Mai

„Kommt, Ihr Völker alle“ heißt das diesjährige Motto am Heiligtum , dem auch wieder deutsche Pilger folgen werden. Regelmäßig kommt am Michaelstag, dem 29. September, ein Weihbischof aus Deutschland nach Banneux, um in der Michaelskapelle zu predigen, so Marlene Backes. Gruppen aus Nettersheim, Schmidtheim, Steinfeld oder Schleiden kommen regelmäßig nach Banneux. Eine weitere ist die Motorradwallfahrt der Militärseelsorge aus Nörvenich, die am Donnerstag, 13. Juni, um 8 Uhr in der Bleibergkaserne in Mechernich mit einem Gottesdienst startet und in diesem Jahr Banneux als Ziel gewählt hat.

Die Pilgersaison startet am Mittwoch, 1. Mai, um 10.30 Uhr mit einem Hochamt in der 4000 Menschen fassenden Kirche „Jungfrau der Armen“. Um 15 Uhr ist Krankensegen,um 20 Uhr Lichterprozession. Bis 13. Oktober geht die offizielle Saison. 6000 Menschen seien zuweilen in einer Prozession in Banneux – wer das nicht erlebt habe, habe etwas verpasst, erzählt Leo Palm. „Dann wieder gibt es Tage, da ist tote Hose“, sagt er. Kein Tag gleiche dem anderen: „Genießen Sie es.“

Banneux Notre Dame ist etwa 72 Kilometer von Schleiden entfernt. Von der Eifel aus empfiehlt sich der Weg über Kalterherberg durch das Hohe Venn, über Jalhay und Theux. Von Euskirchen sind es über die A1 und die A4 etwa 113 Kilometer. Ab Aachen geht es über die A44/E40 bis Battice, über die E42 bis Theux und N62 nach Banneux. Die Adresse für Navis ist Rue de l’Esplanade 57, Sprimont (oder Banneux), Belgien. (sev)

www.banneux-nd.be

Beco habe ein schweres Leben gehabt. Ihre zwei Töchter starben vor ihr, ihr Sohn habe Alkoholprobleme, berichtet Palm. Schon zu den Zeiten der Erscheinungen wurde sie für ihre Berichte in der Schule gehänselt. „Nicht weit von hier, in Beauraing, erschien kurz vorher einer Gruppe von Jungen die Jungfrau 30 Mal“, berichtet Palm. Darüber sei in Belgien damals viel berichtet worden, was den Verdacht geweckt habe,

Beco habe sich wichtig machen wollen. Später sei auch ihre Ehe in die Brüche gegangen, als sie zum Unwillen ihres Mannes ein finanziell sehr lukratives Angebot der belgischen Freimaurer ausgeschlagen habe, ihre Visionen zu widerrufen, erzählt Palm.

Gründung der Gesellschaft im Jahr 1933

Kurz nach dem Bekanntwerden der Erscheinungen wollten Menschen an der Stelle beten, an der die „Schöne Frau“, wie Mariette sie nannte, sich gezeigt habe. Doch das sei nicht einfach gewesen, so Palm: „Die Mutter Gottes hat es sich nicht gut ausgesucht.“ Sie sei im Gemüsegarten der Becos erschienen und mit Marietta die Gemeindestraße hinuntergegangen, um dort an einer Quelle stehenzubleiben – alles Orte, die sich in Privat- oder Kommunalbesitz befanden.

1933 wurde eine Gesellschaft ohne Erwerbszweck gegründet, wie es in Belgien heißt. Sie baute den Becos ein neues Haus und errichtete am Ort der Erscheinungen die Kapelle. Vier Hektar Land inklusive der Straße erwarb die Gesellschaft von der Gemeinde, die eine neue Straße 100 Meter weiter nördlich baute. Bis heute wird die Gesellschaft nur durch Spenden finanziert. 1947 wurden die Erscheinungen nach drei Untersuchungen durch den Bischof von Lüttich anerkannt.

„Ich finde besonders schön, dass hier ein internationaler Ort ist“, so Palm. Aus Vietnam, Kroatien, China und auch Afghanistan kommen die Gläubigen. In dem Waldstück hinter der Quelle bauen sie Gedenksteine, jede Nation einen eigenen.

Backes betreut Pilger aus ganz Deutschland

Die Pilger aus Deutschland betreut Marlene Backes. „Ich habe noch nie so viele Schuhe verschlissen wie hier“, sagt sie lachend. Lange Wege seien auf dem Gelände zurückzulegen. Sie öffnet die Michaelskapelle, die in Adenauers Zeiten gebaut wurde. Große Glasfenster zeigen die Kapelle von Rhöndorf, wo Adenauer wohnte, und Mont St. Michel. „Die Kapelle ist ein Zeichen für die deutsch-französische Freundschaft“, erläutert Backes.

80 Ehrenamtliche und 30 Hauptamtler sind in Banneux Notre Dame tätig. Dabei beziehe sich der Name nicht auf das Heiligtum, so Palm: „Die Einwohner haben ihr Dorf der Madonna geweiht, nachdem die Deutschen im Ersten Weltkrieg den Ort verschont haben.“ An der Quelle steht eine Gruppe aus Miami. Sie seien auf einer Reise zu Wallfahrtsorten in Europa, berichtet Mother Adela Galinda. Banneux sei ein spezieller Ort.

Die deutschen Pilger betreut Marlene Backes, hier vor der Michaelskapelle.

Die deutschen Pilger betreut Marlene Backes, hier vor der Michaelskapelle.

Der Weg, den die Mutter Gottes mit Marietta zurückgelegt habe, sei ein Symbol für das Leben, wo man der „Lady“ folgen sollte. Pragmatischer geht Alphonse Noel aus Lüttich mit dem Heiligtum um. Mit Plastikflaschen geht er an die Hähne, um das Wasser abzufüllen. Der Lkw-Fahrer will es unterwegs trinken. Natürlich glaube er an die Erscheinungen – aber eben auch an das Wasser.

Für wen Banneux der richtige Ort ist? Palm muss nicht lange nachdenken: „Ich würde keinem abraten, einmal gucken zu kommen.“ Man müsse nicht an Marienerscheinungen glauben, um ein guter Katholik zu sein: „Das ist ein wenig wie beim Eiskunstlaufen. Es gibt es die Pflicht, aber die Kür ist so viel schöner.“

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