Weilerswister ZeitgeschichteNew Yorker Rabbiner besucht Geburtshaus seines Großonkels

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Früher Villa Stern, heute Haus Heskamp: Richard Sterns Vater Markus baute das zweistöckige Haus 1898 an der Bonner Straße 27 in Weilerswist.

  • Ein Rabbiner aus New York hat Weilerswist einen Besuch abgestattet, weil dort das Geburtshaus seines Großonkels steht. Dessen Name: Richard Stern.
  • Jack Romberg recherchiert auch in Weilerswist für ein Buch, das er über Richard Stern schreiben will.
  • Richard Stern wurde durch ein Foto berühmt, das ihn 1933 als jüdischen Geschäftsmann in Köln mit dem Eisernen Kreuz an der Brust vor seinem Geschäft zeigt.

Weilerswist – Als Jack Romberg das Haus Heskamp in Weilerswist betritt, ist er sichtlich gerührt. Schüchtern geht er die Treppen bis in das oberste Stockwerk hinauf, schaut sich jedes der hellen Zimmer genau an.

Es ist der erste Besuch für den Amerikaner in der Gemeinde. Der Rabbiner lebt mit seiner Familie in New York, ein zweites Haus hat sie in Jacksonville (Florida). Dennoch hat er eine historische Verbindung zu Weilerswist.

Sein jüdischer Großonkel Richard Felix Stern wurde 1899 im Haus Heskamp geboren, das die Familie „Villa Stern“ nannte. Sterns Onkel, der Bauunternehmer Simon Stern, hatte das Grundstück von einem Vernicher Landwirt gekauft. Markus Stern, Richard Sterns Vater, war als Anstreicher handwerklich begabt und baute das zweistöckige Haus kurz vor Richard Sterns Geburt.

Als Richard Stern acht Jahre alt war, verkaufte Markus Stern das Haus an die Eheleute Jonen und zog mit seinen sieben Kindern nach Köln.

1. April 1933: Protest gegen Nazis in Köln

Richard Sterns Vater eröffnete dort ein Geschäft für Bett- und Polsterwaren, das sein Sohn 1928 nach dem Tod des Vaters übernahm – kurz bevor Hitler an die Macht kam. Während dieser am 1. April 1933 zum Boykott gegen die jüdischen Geschäfte aufrief, war Rombergs Großonkel Stern so mutig, sich öffentlich gegen das Hitler-Regime und die Juden-Verfolgung zu stellen und somit ein Stück Geschichte zu schreiben.

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Ein Bild von ihm, auf dem er während des Boykotts vor seinem jüdischen Matratzengeschäft neben einem SA-Mann steht, hängt als Ausstellungsstück unter anderem im NS-Dokumentationszentrum in Köln. Auf der Straße verteilte er Flugblätter, um gegen den Boykott zu demonstrieren. 

Stern hatte allen Grund dazu: Er kämpfte von 1917 an für seine Heimat im Ersten Weltkrieg. Als Maschinengewehrschütze war er unter anderem an der Ostfront und erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse. 

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Boykott-Protest: Richard Stern am 1. April 1933 vor seinem Geschäft in Köln,  mit dem Eisernen Kreuz am Revers, neben ihm ein SA-Mann. 

1938 blieb das Geschäft dennoch nicht von den Pogromen der Nazis gegen Juden verschont. Richard Stern floh ein Jahr später, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, nach Amerika.

Während des Krieges kam er als amerikanischer Soldat noch einmal nach Deutschland zurück. Amerika blieb aber seine Wahlheimat, in der der Unternehmer 1967 im Alter von 68 Jahren starb.

Wohltätiger Spender

Heute hat Richard Stern sogar einen eigenen Wikipedia-Artikel. Kein Wunder, der jüdische Geschäftsmann war nicht nur für seinen Mut, sondern auch für seine Wohltaten bekannt. Er spendete Geld für Familien, die weniger Glück hatten als er, erzählt Jack Romberg.

Für ihn ist „Onkel Richard“, wie er ihn in seinen Erzählungen nennt, nicht nur der mutige, wohltätige Großonkel, sondern auch der Mann, der seinen Vater Rudi Romberg nach der Scheidung seiner Schwester Martha, Rudi Rombergs Mutter, großzog.

Es ist auch der Mann, von dem immer ein großes Bild im Büro des Rabbiners hing. Und auch der Mann, über den der 65-Jährige nun ein Buch in Amerika schreiben will.

Romberg

Der Familiengeschichte auf der Spur: Der Amerikaner Jack Romberg und seine Großcousine Anne in Weilerswist.

„Wenn ich an ihn denke, wird mir immer bewusst, wie gut ich es habe“, erzählt Romberg. Mit seiner deutschen Großcousine Anne Romberg (73) aus Essen, die Romberg im Sommer 2012 auf einer Familienfeier in Amerika kennenlernte, erkundete der Rabbiner in Deutschland nicht nur das Elternhaus seines berühmten Großonkels.

Für die Recherche zu seinem Buch, das er nun als Rentner fertigstellen will, besuchte er auch das NS-Dokumentationszentrum in Köln und die alte Synagoge in der Kölner Roonstraße.

„Durch Richards Geschichte kann ich anderen vermitteln, was Gerechtigkeit bedeutet und was es heißt, sich für Minderheiten einzusetzen. Seine Grundsätze können viel bewegen“, sagt Romberg.

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