WM-Absage wegen CoronakriseKampfsport-Training findet jetzt im Wohnzimmer statt

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In ihrem Wohnzimmer hält sich die Gemünder Taekwondo-Kampfsportlerin Jessica Rau mit Krafttraining und Stretching fit.

In ihrem Wohnzimmer hält sich die Gemünder Taekwondo-Kampfsportlerin Jessica Rau mit Krafttraining und Stretching fit.

  • Für einen Sportler gibt es nichts Schlimmeres, als seiner Leidenschaft nicht nachgehen zu können, eine Auszeit nehmen zu müssen.
  • Der Frust bei der Gemünder Taekwondo-Sportlerin Jessica Rau ist groß. Gefühlt sei es derzeit kalter Taekwondo-Entzug.
  • Doch der sportliche Ehrgeiz ist größer als die Enttäuschung – auch in Zeiten der Coronavirus-Pandemie.

Gemünd – Die Weltmeisterschaft in Dänemark ist bereits abgesagt, ein geregeltes Training angesichts geschlossener Hallen kaum möglich. Jessica Rau ist natürlich maßlos enttäuscht. „Im Schreiben des Verbands ist explizit die Rede von abgesagt und nicht verschoben. Es sollte der Saisonhöhepunkt werden“, sagt die Gemünder Taekwondo-Sportlerin.

Sportler in Corona-Zeiten

Infolge der Corona-Krise wurden alle sportlichen Aktivitäten verboten. In allen Sportarten wurden die Spielbetriebe vorerst unterbrochen, Sportplätze und Hallen – natürlich auch im Kreis Euskirchen – geschlossen, der Trainingsbetrieb für Mannschaften und Teams eingestellt.

Inzwischen wurde auch die Fußball-Europameisterschaft abgesagt, sie soll im Sommer des kommenden Jahres stattfinden. Abgesagt und nicht verschoben ist die für Mai geplante Taekwondo-Weltmeisterschaft in Dänemark. Davon betroffen ist Jessica Rau aus Schleiden-Gemünd. Da sie, wie alle anderen Sportler auch, nicht in den Hallen trainieren darf, wollen wir in einer Art Tagebuch von ihr wissen, wie sie sich in den kommenden Wochen fit hält.

Dies wollen wir von drei weiteren Sportler und Trainern im Kreis Euskirchen ebenfalls erfahren.

Was gibt der Trainer der Handball-Mannschaft des TV Palmersheim, Peter Trimborn, seinen Spielern für Tipps, wie sie individuell trainieren und sich fit halten können. Wird er selbst die Zeit nutzen, um über Verbesserungen des Trainings nachzudenken und hat er bereits Pläne für nach der Corona-Krise.

Was macht Basketballer Nico Zimmermann von der DJK ErftBaskets Bad Münstereifel. Der Center ist gleichzeitig Mitinhaber des aktuell ebenfalls geschlossenen Arboretum-Naturparcours in Nettersheim. Hat er Kontakt mit seinem Trainer Philipp Sparwasser und seinen Mannschaftskollegen? Tauschen sich die Basketballer telefonisch oder per Videochat aus, um zu erörtern, wie sie sich durch spezielles Einzeltraining fit halten können?

Wo sind die Gedanke beim Euskirchener TSC?

Welche Gedanken macht sich Benny Wiedenau, Spielführer des Landesligisten Euskirchener TSC, wie es mit seiner Mannschaft und dem finanziell nicht auf Rosen gebetteten Verein weitergehen wird?

Bringt den Kickern als Mannschaftssportlern das Einzeltraining überhaupt was? Aber fit bleiben müssen sie auch. In lockerer Reihenfolge und abwechselnd werden wir über die Erfahrungen der drei Sportler und des Trainers berichten. Den Auftakt macht die Kampfsportlerin Jessica Rau. (mez)

Nach dem Aus der Titelkämpfe wisse sie aktuell gar nicht so recht, für was sie derzeit überhaupt trainieren solle. Doch der sportliche Ehrgeiz ist größer als die Enttäuschung – auch in Zeiten der Coronavirus-Pandemie. Für einen Sportler gibt es nichts Schlimmeres, als seiner Leidenschaft nicht nachgehen zu können, eine Auszeit nehmen zu müssen.

Wohnzimmer wurde zum Trainingsraum

Doch ganz ohne Taekwondo geht es auch für Rau nicht. Ihr Wohnzimmer hat die 26-Jährige in einen kleinen Trainingsraum verwandelt. „Da kann ich meine Kraftübungen machen und mich dehnen“, erklärt die Kampfsportlerin. Einen Rückwärtssalto kann sie aber nicht wie gewohnt trainieren. Auch auf eingesprungene Kicks, die normalerweise zum täglichen Training dazugehören, muss die Eifelerin verzichten.

Die Verletzungsgefahr auf dem Laminat im Wohnzimmer sei einfach zu groß. Da auch das gemeinsame Training mit ihren Teamkolleginnen Jana Abt und Sabrina Pütz auf Eis liegt, wird moderne Technik eingesetzt. „Wir machen verschiedene Übungen und filmen diese. Dann schicken wir sie dem Trainer, und der legt die Bildsequenzen an seinem Computer übereinander und erkennt sofort, wo wir synchron waren und wo nicht“, erklärt die Sozialpädagogin des Caritasverbands für die Region Eifel.

Dreimal pro Woche joggen als Ausgleich

Da es nicht viele Möglichkeiten zu trainieren gibt, geht die Kampfsportlerin dreimal pro Woche joggen und macht anschließend im Park noch Dehnübungen. „Ich stehe regelmäßig mit meinem Trainer in Kontakt. So schwierig die Situation auch ist, so wenig fühle ich mich alleingelassen. Der Kontakt erfolgt aber nur virtuell“, sagt Rau, die normalerweise jeden Tag in der Halle steht – sei es als Sportlerin oder als Trainerin, denn sie ist auch Co-Landestrainerin im Kinder- und Jugendbereich der Nordrhein-Westfälischen Taekwondo Union.

Dreimal in der Woche geht Jessica Rau joggen. Danach finden ausgiebige Dehnübungen statt.

Dreimal in der Woche geht Jessica Rau joggen. Danach finden ausgiebige Dehnübungen statt.

Gefühlt sei es derzeit kalter Taekwondo-Entzug. Da auch nicht feststeht, ob die Universiade im Juli in Belgrad stattfinden wird, klammert sich Rau bei der Motivation an den Strohhalm deutsche Meisterschaft, die Ende des Jahres terminiert ist.

„Dort möchte ich im Team den vierten Titel in Folge gewinnen“, sagt sie. Sollte das gelingen, ist der Frust, den Rau derzeit schiebt, sicherlich vergessen. Zumal das Jahr schon schmerzhaft begonnen hatte. Unmittelbar vor dem ersten Wettkampf bei den German Open Poomsae in Hamburg verletzte sich die 26-Jährige am Hüftbeuger. „Mein Trainer wollte mich nicht starten lassen, aber ich habe auf die Zähne gebissen“, so Rau, die sich trotz der Verletzung im Freestyle-Einzel die Bronze- sowie im Team mit Abt und Pütz die Silbermedaille holte. „Die jetzige Phase ist sicherlich zur Entschleunigung wunderbar, aber richtig trainieren würde ich schon gerne“, sagt Rau.

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