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KlimawandelPegel des Zülpicher Sees ist in einem Jahr um über einen Meter gesunken

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Der Segelverein musste bauliche Anpassungen vornehmen, weil das Wasser des Zülpicher Sees immer weiter zurückgeht.

Der Segelverein musste bauliche Anpassungen vornehmen, weil das Wasser des Zülpicher Sees immer weiter zurückgeht.

Zülpich – Der Zülpicher See verliert Wasser – und das nicht zu knapp. Um mehr als einen Meter ist der Wasserspiegel in den vergangenen Jahren gesunken. Die Spuren sind nicht zu übersehen. Mehrere Leitern an der Eventbühne, die für die Landesgartenschau 2014 errichtet worden war, hängen in der Luft oder führen direkt auf den Sandstrand. Vor fünf Jahren waren sie noch von Wasser umspült. Vor dem Lago Beach ist der See ebenfalls gefühlt im Ebbe-Modus.

Allein in den vergangenen beiden Jahren hat der See nach Angaben von Dr. Stephan Lenk, Hydrogeologe beim Erftverband in der Abteilung Grundwasser, mehr als 60 Zentimeter Wasser verloren. Zwischenzeitlich war eine Messstation des Erftverbandes sogar trockengefallen, hing in der Luft.

Klimawandel und Dürreperioden

Die Folge: Die Experten gingen davon aus, dass der Wasserspiegel konstant sei – bis die Verantwortlichen des Zülpicher Ruder- und Segelclubs, der am Wassersportsee sein Domizil hat, den Erftverband auf den Umstand aufmerksam machten. Dabei ist der Zülpicher See, der aus einem Braunkohlentagebau entstanden ist, im Eigentum der Stadt.

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Der Klimawandel und die extrem warmen Sommer der vergangenen drei Jahre seien ein wesentlicher Faktor für das Absinken des Wasserspiegels. „Wir beobachten hier in der Region historisch tiefe Grundwasserstände“, sagt Lenk im Gespräch mit dieser Zeitung. Allerdings, so der Experte, sei der Wasserverlust zu massiv, um ihn nur mit trockenen Sommern erklären zu können. Ein anderer Grund ist Lenk zufolge der Bergbau-Einfluss, der auch Jahre nach dem Ende des Tagebaus noch auf den Grundwasserstand einwirkt. So sei nicht auszuschließen, dass das Wasser durch die Kiesschichten in tiefere Schichten absinke.

In der niederrheinischen Bucht seien vor allem Kies-Sand-Schichten, sogenannte Grundwasserleiter, vorhanden. Diese werden laut Lenk von Tonschichten separiert. Man müsse sich den Boden des Sees wie eine Art Sandwich vorstellen. Immer wieder abwechselnd Kies- und Tonschichten. Mehrere hundert Meter in die Tiefe. Ob eine der Schichten beschädigt worden sei, beispielsweise durch den Bau der Seebühne oder die Unterwassersprengung der von Tauchern entdeckten Leuchtgranate 2019, sei völlig sekundär, sagt Thomas Fischer, Vorsitzender des Zülpicher Segelclubs.

Steht ein Bagger auf dem Grund?

Wie tief ist der Zülpicher See? Und steht auf dem Grund des ehemaligen Tagebaus wirklich noch ein Bagger? Der Kreis Euskirchen gibt 68 Meter als tiefste Stelle an, Wikipedia 38. Und DLRG-Einsatzleiter René Loben berichtet, dass Taucher schon 40 Meter tief waren. Die Tauscher entdeckten damals tatsächlich einen Bagger. Der hatte allerdings die Größe eines Spielzeugbaggers. Auch eine gelbe Telefonzelle fanden die Taucher. Zülpichs Kulturreferent Hans-Gerd Dick glaubt nicht an die Bagger-Legende: „Die Technik war viel zu modern, um sie im See zu lassen. Der Betreiber war ein Geschäftsmann. Das hätte er mit Sicherheit nicht gemacht.“ (tom)

Fest steht, dass auch die Segler und Surfer mit dem gesunkenen Wasserspiegel zu kämpfen hatten und haben. Die Verantwortlichen des Vereins haben in den vergangenen Monaten bauliche Anpassungen vornehmen müssen. So wurden die Schwimmstege verlängert und Uferbereiche aufgeschüttet, damit die Boote weiterhin problemlos zu Wasser gelassen werden können.

„Wenn der See der Stadt am Herzen liegt, dann kümmert sie sich um einen geregelten künstlichen Zu- und Ablauf“, sagt beispielsweise Segler André Hauschke. Zumal die Abbruchkante immer näher ans Ufer heranrücke. Das könnte für Badegäste gefährlich werden. Fischer bezeichnet den Wasserverlust als „relativ dramatisch“.

Ende des Wasserrückzugs nicht in Sicht

Ein Ende des Rückzugs des Wassers ist nicht in Sicht. „Unsere Prognosen zeigen, unabhängig vom Klimawandel, dass der Wasserspiegel durch menschliche Einflüsse noch ein wenig sinken wird“, erklärt Stephan Lenk. Austrocknen werde er aber nicht. Dafür sei er viel zu tief und groß. „Das können wir ausschließen“, so der Experte. Auch ein Umkippen des Sees, eben wegen des fehlenden Zulaufs, sei auszuschließen. Der See werde durch Grundwasser gespeist. „Es strömt von Süden Grundwasser in den See hinein. Der Seewasserspiegel entspricht damit dem Grundwasserspiegel im Umfeld. In Richtung Norden strömt das Grundwasser wieder aus.“ Durch die Bewegung sei gewährleistet, dass der Sauerstoffgehalt im Wasser auf einem guten Level bleibe.

Das Wasser im Zülpicher See sei sehr nährstoffarm. Deshalb habe er eine hervorragende Wasserqualität, so Lenk: „Ich habe davon abgeraten, beispielsweise den Vlattener Bach einzuleiten. Einerseits, weil er gar nicht genug Wasser führt. Andererseits wäre der Bach nährstoffreicher. Das würde sich auf die Wasserqualität auswirken.“

Der Rückgang des Wasserstands sei auch für die Seepark Zülpich gGmbH eine enorme Herausforderung, ließ ein Sprecher der gGmbH mitteilen. Die trockengefallenen Bereiche werden nach Angaben des Sprechers auch in diesem Jahr im Bereich des Badestrandes mit neuen Sandaufschüttungen versehen, sodass sich die Strandfläche weiter vergrößern wird. Ab dem Eventstrand erfolge in den brachgefallenen Flachwasserzonen eine Uferbepflanzung. Die Bepflanzung solle zudem helfen, die hervorragende Wasserqualität zu erhalten und ausreichend Laichflächen bereitzustellen, so der Sprecher.

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Ähnlich wie die Legende des Baggers auf dem Grund des Sees (siehe „Steht ein Bagger auf dem Grund?“) wurde zuletzt gemutmaßt, dass die alten Entwässerungsleitungen in etwa 40 Metern Tiefe aus Zeiten des Tagebaus etwas mit dem Absinken des Wasserspiegels zu tun haben könnten. In diesem Zusammenhang wurde auch immer wieder der noch aktive Tagebau Inden ins Spiel gebracht. „Der Tagebau Inden und der Zülpicher See haben überhaupt nichts miteinander zu tun“, erklärt Lenk. Nach dem Ende des Braunkohlentagebaus sei das Grundwasser in den 1970er-Jahren wieder gestiegen. Zudem wurde der Tagebau mithilfe des Vlattener Bachs geflutet. Es werde weder Wasser hinein- noch abgepumpt.

Genau wie der Zülpicher See ist auch der Neffelsee bei Füssenich ein Relikt des Tagebaus rund um die ehemalige Römerstadt. Er reichte damals sogar bis ans Weiertor heran. Um dort nach Braunkohle baggern zu können, wurde der jüdische Friedhof im Bereich des Weiertores verlegt – 225 Grabstätten bettete man 1958 nach Köln-Ehrenfeld um.

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