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Mittwoch ist SchlussLetztes Internat im Kreis Euskirchen macht nach 93 Jahren dicht

Lesezeit 4 Minuten
Über den glänzenden Parkettboden sind in den Jahrhunderten zahlreiche Nonnen, Angestellte und Schüler gegangen.

Über den glänzenden Parkettboden sind in den Jahrhunderten zahlreiche Nonnen, Angestellte und Schüler gegangen.

  • Zuletzt wohnten nur noch 14 Schülerinnen und Schüler im Füssenicher St.-Nikolaus-Stift.
  • Unser Autor hat die Verwaltungsleiterin an einem ihrer letzten Arbeitstage im Internat begleitet.

Zülpich-Füssenich – Die 28 Stufen zu ihrem Büro werden für Gabriele Münch zwar dieselben sein, das Gefühl aber ein anderes. In dem Knarren der Holztreppe schwingt ab sofort ein großes Stück Melancholie mit. Da ist die Verwaltungsleiterin des St.-Nikolaus-Stifts sicher. Am diesem Mittwoch endet nämlich das Kapitel Internat und Wohnheim in Füssenich. Nach 93 Jahren. „Das ist ein schmerzhafter Einschnitt“, sagt Münch. Und das ausgerechnet im 13. Jahr ihrer Verwaltungsleitung.

Überraschend sei die Entscheidung des Kuratoriums nicht gekommen. „Eine solche Entscheidung trifft man nicht von heute auf morgen. Das war ein längerer Prozess“, erklärt die 58-Jährige. Zuletzt wohnten nur noch 14 Schülerinnen und Schüler im Internat. Fünf von ihnen sind mit ihrer schulischen Ausbildung noch nicht fertig. „Sie haben sich ein Zimmer auf dem Gelände gemietet. Das haben wir ihnen angeboten und sie haben es gerne angenommen“, so Münch.

Die Nachfrage nach einem Platz im Internat sei immer geringer geworden. „Natürlich haben wir jedem neuen Schüler einen Platz angeboten. Ein Internat ist vielleicht nicht mehr zeitgemäß“, sagt Münch im Gespräch mit dieser Zeitung. So seien die Schüler in den vergangenen Jahren mobiler geworden. Manch einer sei beispielsweise täglich die 60 Kilometer zwischen Hillesheim und Füssenich gependelt, weil er in seinem Heimatort den Freundeskreis und das Vereinsleben nicht habe aufgeben wollen. „Das ist sehr ehrenwert, aber für uns war es schlecht“, sagt die 58-Jährige, die seit vier Jahrzehnten beim St.-Nikolaus-Stift beschäftigt ist.

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Angefangen habe alles mit einer Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten. Damals waren die Ordensschwestern noch in Füssenich. Sie verließen 1999 das Nikolaus-Stift. „Sie haben große Fußstapfen hinterlassen. Sie zu füllen, war eine echte Herausforderung. Und ihr Weggang war genauso einschneidend wie jetzt die Schließung des Internats“, sagt Münch. Die sei aber allein aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten unumgänglich gewesen.

Geschichte des Klosters

Das Kloster in Füssenich gibt es bereits seit dem Jahr 1147. Der damalige Kölner Erzbischof Arnold I. ließ es errichten. Später zogen dort die Nonnen des Prämonstratenserordens aus Duisburg-Hamborn ein. So wurde das Gotteshaus damals nicht als Pfarrkirche, sondern als Klosterkirche erbaut und in Erinnerung an die aus dem frühen Mittelalter stammende Kapelle nach dem heiligen Nikolaus benannt.

Nachdem 1794 französische Revolutionstruppen linksrheinische Gebiete besetzt hatten, wurde den Schwestern die Güterverwaltung entzogen. 1802 erfolgte die formelle Aufhebung des Klosters und die Übernahme durch den französischen Staat. Später erwarb das Kölner Bankhaus Schaafhausen das Kloster.

Als die Bank 1848 bankrott ging, ersteigerte Großbauer Krosch aus Bettenhoven bei Jülich den Besitz. Dieser vererbte ihn seiner ledigen Nichte Magdalena Hambloch, die ihn schließlich dem Erzbischöflichen Stuhl in der Domstadt Köln mit der richtungsweisenden Auflage vermachte, dort eine Erziehungsanstalt für Mädchen zu errichten.1896 zogen die Augustinerinnen mit den ersten zehn Schülerinnen in das neu benannte „St.-Nikolaus-Stift zu Kloster Füssenich“ ein. Ostern 1953 wurde die „Frauenfachschule B“ eröffnet, in der man die Fachschulreife erlangen konnte.

Später wurden Internat und Wohnheim angegliedert. 1999 verließen die letzten Ordensschwestern das historische Kloster. Nun endet an diesem Mittwoch mit der Schließung des Internats und Wohnheims ein weiteres Kapitel der langen Geschichte des Füssenicher Klosters. (tom)

480 Euro kostete ein Internatszimmer pro Monat – Frühstück, Mittagessen, Kaffee und Kuchen sowie Abendessen inbegriffen. Und besonders wichtig für die Internatsschüler: inklusive Internet. Die laufenden Kosten habe der Betrag aber nur dann gedeckt, wenn alle 70 Plätze im Internat belegt gewesen seien. Das Kuratorium müsse verantwortungsvoll mit dem Geld der Stiftung umgehen. Da das Internat in den vergangenen Jahren ein hoher Kostenfaktor gewesen sei, sei die Schließung ein logischer Schritt gewesen.

Was mit den Räumen passiere, stehe noch nicht fest. „Es gibt zahlreiche Ideen. Wir hoffen, dass wir eine gute Nachfolgenutzung finden werden“, sagt Münch, die das Kloster voller Überzeugung als Schmuckstück bezeichnet. „Das sehen auch unsere Schüler so. Mit Vandalismus haben wir eigentlich überhaupt keine Probleme“, versichert sie. So lange es noch kein schlüssiges Gesamtkonzept für die Zukunft gibt, werden einzelne Räume bereits anders genutzt, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war. Aus dem Meditationsraum im ersten Obergeschoss ist bereits ein Klassenraum geworden.

Mit der Schließung des Internats in Füssenich endet nicht nur am Nikolausstift eine Ära. Es ist auch das letzte Internat im Kreis Euskirchen, das seinen Betrieb einstellt. „Wir waren ja schon immer ein bisschen anders. Bei uns sind Jugendliche ins Internat gezogen, und keine Kinder wie bei der klassischen weiterführenden Schule“, so Münch. Dieses „Anderssein“ habe sich auch anderweitig bemerkbar gemacht. „Wir waren und sind wie eine Familie, die in einer großen Wohngemeinschaft lebt“, sagt die Verwaltungschefin, die froh ist, dass die Schule auf soliden Füßen steht. Mehr als 520 Schüler werden im kommenden Schuljahr von 40 Lehrern und Erziehern unterrichtet.

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