Heimat-Check in OverathEine Stadt mit vielen Dörfern und großem Selbstbewusstsein

Lesezeit 4 Minuten
OV_Stadtmitte_2498

Die Stadtmitte von Overath von oben

Overath – Overath hat einen Beinamen aus alter Zeit: Früher, als man noch nicht für 9,99 Euro nach Mallorca fliegen konnte, lockte der Ort als „Perle an der Agger“ die Sommerfrischler aus Köln an. Overath ist liebens- und lebenswert geblieben, auch wenn sich seither vieles geändert hat. Zum Beispiel, man mag es glauben oder auch nicht, die geografische Lage: Zwar liegt Overath-City natürlich auch heute noch an der Agger, die im Laufe der Jahrhunderte ein bisschen hin- und her mäandert ist und damit die Aggerauen an Gut Eichthal ermöglicht hat, aber Groß-Overath liegt seit der Kommunalreform 1975 auch richtig und nicht nur punktuell an der Sülz. An der es übrigens ebenfalls Auen gibt, um die im Moment heftig gestritten wird, aber dazu später.

Geändert hat sich aber nicht nur Overath im Laufe der Jahre, sondern auch die Kölner haben sich geändert: Sie kommen nicht mehr bloß zum Tages-ausflug ins Bergische oder, wie beim „Kartoffelkrieg“ im Krisenjahr 1923, um sich gewaltsam mit Lebensmitteln einzudecken. Sondern sie bleiben: Sie kaufen sich ein Grundstück (wenn sie das Glück haben, eins zu finden) oder ein Haus, und schlagen Wurzeln in der Kleinstadt, in der sie weiterhin Kölsch trinken, Karneval feiern und dem FC die Daumen drücken können.

Legende vom Glockengießergeschlecht hält sich

Die Overather bilden ein sympathisches Völkchen, das der damalige Bürgermeister Andreas Heider (CDU) in seiner Festansprache zur 950-Jahr-Feier 2014 so beschrieben hat: „Heute sind zwei Drittel aller Overather Zugezogene, aber dennoch sind wir eine homogene Bevölkerung. Wir haben keine Ghettos und keine Trabantensiedlungen, keine Parallelgesellschaften.“

Manche von den Neu-Overather wissen viel, andere alles und einige sogar mehr als alles – womit wir bei der Legende vom Overather Glockengießergeschlecht wären. Sie hält sich hartnäckig seit Jahrzehnten. Die Glocke hat es ins Stadtwappen geschafft und ins Bürgerhaus, und von den vermeintlichen Overather Glockengießern ist sogar in amtlichen Rathaus-Papieren die Rede. Beispielsweise im „Integrierten Handlungskonzept“ (InHK) von 2018, mit dem die Stadt, aus anderen Gründen, nicht beim Land reüssieren konnte: „Im Mittelalter war Overath bekannt durch Glockengießer“, heißt es amtlich-sibyllinisch im „InHK“.

Nach dem aktuellen Stand der Forschung ist es richtig, dass irgendwann im Mittelalter Overather nach Köln ausgewandert sind. Deren Abkömmlinge haben viele Jahre später angefangen, Glocken zu gießen. „Glockengießerstadt Overath“ ist damit, freundlich formuliert, ein frommer Irrglaube, gleichwohl zeigt sich auch hier wieder die besondere Verbindung von Overath und Köln.

Acht Nachbargemeinden aus drei Kreisen

Der Ortsname Overath ist wie bereits erwähnt doppeldeutig. Da ist zum einen der Hauptort, der der gleichnamigen Stadt (Stadtrechte seit 1997) den Namen gibt. Hier befinden sich die zentralen Einrichtungen wie das Schulzentrum mit Gymnasium und Sekundarschule, das Rathaus, Hallenbad, Bahnhof, Ärzte, Apotheken und Haupteinkaufsstraße (inklusive schadstoffbedingter Umweltzone).

Das könnte Sie auch interessieren:

7339 der 27.281 Overather Menschen lebten Ende 2018 hier, so die städtische Einwohnerstatistik. Aber Overath hat noch viel mehr Dörfer zu bieten: „Die weiteren Ortsteile befinden sich im Aggertal (Vilkerath), im angrenzenden Sülztal (Steinenbrück, Untereschbach, Immekeppel und Brombach) und auf den umliegenden Anhöhen (Marialinden und Heiligenhaus)“, heißt es im Rathaus.

Die knapp 70 Quadratkilometer große Stadt hat reizvolle Hügel und Täler und Wälder und Wiesen und viele Wandermöglichkeiten, und dazu eine Menge Nachbar-Kommunen, nämlich gleich acht Stück: Lohmar, Much und Neunkirchen-Seelscheid im Rhein-Sieg-Kreis, Engelskirchen und Lindlar im Oberbergischen Kreis und Rösrath, Bergisch Gladbach und Kürten im Rheinisch-Bergischen Kreis.

„Kurze Beine, kurze Wege“

Höchster Punkt des Stadtgebietes, und auch des gesamten Rheinisch-Bergischen Kreises, ist mit 348 Metern der Kleine Heckberg bei Federath, niedrigster mit 82 Metern die Agger bei Kombach. Die Vielzahl der kleinen Zentren führt in Zeiten des demografischen Wandels auch zu Problemen: Wie lang beispielsweise kann es sich Overath noch leisten, alle Grundschulen zu erhalten? Bislang sehen sich die Stadtväter parteiübergreifend dem Grundsatz „Kurze Beine, kurze Wege“ verpflichtet. Auch muss sich die Stadt entscheiden, wie viel mehr Besiedlung und wie viel mehr Gewerbe sie zulassen will. Wo immer neue Wohn- oder Gewerbegebiete geplant sind, gibt es große Konflikte, ob nun in Rappenhohn, im Sülztal oder im Ginsterfeld.

Den demografischen Wandel bekommen auch andere Institutionen in der Stadt zu spüren. So hat sich die evangelische Kirchengemeinde nacheinander von beiden Kirchen getrennt, um eine neue, kleinere für ihre schrumpfende Gemeinde zu bauen. Pfingsten 2020 soll sie fertig sein. Bis dahin finden die Evangelischen Asyl bei den Katholiken – noch ein Beispiel für das warme, menschenfreundliche Klima in der Stadt. Und ein Beispiel dafür, dass die Overather Herausforderungen annehmen – so wie ihr berühmtester Mitbürger, der frühere Boxweltmeister Henry Maske, der 2007 als 43-jähriger einen grandiosen Comeback-Sieg schaffte.

KStA abonnieren