Interview zum Synodalen Weg„Die Corona-Krise ist ein Säurebad“

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Vor einem Jahr demonstrierten Frauen für mehr Macht in der Kirche.

  • Gregor Maria Hoff ist Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Universität Salzburg.
  • Als Berater des Forums „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ wirkt er beim Synodalen Weg mit.
  • Er sagt: Wenn die Kirche noch in irgendeiner Weise relevant sein will für die Menschen in dieser Gesellschaft, muss sie drängende Fragen beantworten.

Herr Professor Hoff, Sie haben für den Synodalen Weg ein Positionspapier zur Corona-Krise geschrieben. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Die Reformagenda wird durch die Pandemie forciert: Drängend gewordene Fragen nach Macht und Ohnmacht, nach dem Verhältnis der Geschlechter, nach gelingender Kommunikation sind offenbar geworden, und das sind genau die Fragen des Synodalen Wegs. Die Krise ist ein Säurebad. Wenn die Kirche noch in irgendeiner Weise relevant sein will für die Menschen in dieser Gesellschaft, muss sie an diesen Punkten ansetzen.

Was meinen Sie mit „offenbar geworden“?

Die Art, wie die Kirche in den ersten Wochen auf die Pandemie reagiert hat, hat gezeigt, wie sie in ihrem Auftreten und in ihren Vollzügen auch durchsetzt ist von magischen Relikten. Helikopter-Rundflüge von Priestern, die mit der Monstranz aus der Luft Stadt und Land segnen – das sind dubiose Erscheinungen, die kenntlich machen, in welch spannungsvollen Umbrüchen die Glaubenskultur der Kirche sich befindet. Das muss auf dem Synodalen Weg zum Thema werden. Die Pandemie ist ein „Zeichen der Zeit“ – hier zeigt sich, was wir unter „Gott“ verstehen. Wie wir glauben. Wie wir die Wirklichkeit Gottes kommunizieren.

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Gregor Maria Hoff

Mit welchen Schlussfolgerungen?

Ein Kirchenregiment, das von einem Fixpunkt aus kirchliches Leben organisieren, bestimmen und im Griff behalten will, funktioniert nicht mehr. Es löst sich mit der zunehmenden Digitalisierung, die über die bloße Technik hinaus unsere gesamte Kommunikation verändert, unter einer scheinbar fest gefügten Oberfläche auf. Auch das ist durch die Corona-Krise noch einmal schlaglichtartig deutlich geworden, in der Christinnen und Christen sich in vielfältiger Weise dezentral organisiert haben – bis hin zur Feier von Gottesdiensten, die sich eben nicht in gestreamten Messen aus Domen und Kathedralen erschöpften. Die Konzentration auf den Ritus ist in einer Weise hochgeschossen, dass sie vieles andere überlagert hat. Kirche ist aber viel mehr als Liturgie und ihre Inszenierung. Gelebter Glaube ist vielfarbiger und vielschichtiger. Auch darum geht es auf dem Synodalen Weg: mehr Räume, Freiräume zu schaffen für unterschiedliche Glaubensformen und die aktive Beteiligung der Gläubigen.Das Evangelium muss erfahren werden, damit es geglaubt werden kann. Menschen müssen erleben können, was es heißt, mit der unbegrenzten schöpferischen Lebensmacht Gottes in Kontakt zu kommen. Das meint Partizipation.

Besonders scharf ist die Frontenbildung beim Thema Sexualmoral. Ist hier die Blockade nicht längst programmiert?

Man kann nichts anderes tun, als die inhaltlichen Konflikte möglichst fair offenzulegen und die widerstreitenden Argumente auf ihre Überzeugungsfähigkeit hin zu prüfen. Die Bruchlinien laufen aber keineswegs nur durch die deutsche Kirche. In Nord- und Südamerika etwa schauen Katholiken sehr genau auf den Synodalen Weg, weil sie den Reformbedarf in diesen Fragen ganz genau so spüren wie wir.

Aber was hilft es, bloß die Konfliktlinien aufzuzeigen?

Dann wird sich zeigen: Bleiben die Bischöfe noch unter dem gemeinsamen Dach? Oder folgen sie dem Beispiel des Kölner Weihbischofs Dominikus Schwaderlapp, indem sie aus einem Forum des Synodalen Wegs aussteigen, sich damit aber auch die Möglichkeit nehmen, zu überzeugen oder sich von anderen Argumenten beeindrucken zu lassen.

Worüber soll denn noch geredet werden, wenn klar es, es gibt keine Einigung, etwa bei der Anerkennung von homosexuellen Partnerschaften oder Lebensgemeinschaften außerhalb der Ehe?

Die katholische Kirche in Deutschland muss die strittigen Fragen so weit vorantreiben, dass sie auch weltkirchlich auf eine neue Stufe der Diskussion führen. Dafür wird keine nationale Synode reichen, auch keine Bischofssynode – sondern es wird auf ein Konzil hinauslaufen müssen. Und dort muss es sich dann entscheiden.

Das Gespräch führte Joachim Frank 

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