Appell aus BurscheidOnlinepetition für Pflegekinder

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Diplompsychologin Sabine Blank und Petitions-Initiatorin Tabea Pioch wollen das Leben von Pflegekindern verbessern.

Diplompsychologin Sabine Blank und Petitions-Initiatorin Tabea Pioch wollen das Leben von Pflegekindern verbessern.

Burscheid – Tabea Pioch hätte genug zu tun. Dennoch möchte sie mit 50 000 Unterschriften nach Berlin fahren. Schließlich ist sie nicht nur Mutter von drei Kindern. Sie hat auch fünf weitere Kinder kommen und gehen sehen. Und letzteres hat viel mit ihrem Wunsch zu tun, mit gewichtigem Gepäck eine Reise zum Deutschen Bundestag anzutreten – vielmehr vor den dortigen Petitionsausschuss zu treten. „Ich habe festgestellt, wenn man mit den Menschen persönlich spricht, nehmen sie einen ernster.“ Und der 39-Jährigen ist es ernst. Sie will mit einer Onlinepetition die Situation für Pflegekinder in Deutschland verbessern.

Seit 2013 nimmt sie mit ihrem Mann, ihrer Tochter und den zwei Söhnen als so genannte familiäre Bereitschaftsbetreuung Kinder auf, die das Jugendamt aus ihrem ursprünglichen Zuhause nehmen mussten, bevor sie in eine Pflegefamilie kommen, in denen sie dann bleiben können. „Man kann natürlich Spenden für SOS Kinderdörfer oder für Kinder in Afrika, aber wir wollten Kindern aus unserer direkten Nachbarschaft helfen“, so die gelernte Ergotherapeutin. Regelmäßig treffe sie sich mit anderen Familien in der gleichen Situation. „Und dabei haben wir stets ähnliche Missstände festgestellt.“

Schützlinge bleiben lang

Ursprünglich sollten Kinder nur ein paar Wochen in der familiären Bereitschaftsbetreuung bleiben. Doch das sei mittlerweile eine Seltenheit. Die Schützlinge blieben oft bis zu anderthalb Jahren.

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„Stellen Sie sich vor: Sie sind zum Beispiel anderthalb Jahre alt. Sie werden aus ihrem gewohnten Zuhause gerissen und bei Fremden untergebracht. Ihre Eltern – egal, wie sie sind: Es sind Ihre Eltern, die sie lieb haben – sehen sie ab diesem Zeitpunkt nur noch ein bis zweimal in der Woche für jeweils eine Stunde“, sagt Pioch. „Nach einigen Wochen fangen sie an, sich zu arrangieren – die Kinder bei den Fremden sind nett und lustig. Die Erwachsenen sind auch okay. Sie kriegen Essen und Trinken, können spielen, erleben Freud und Leid, durchleben Frühling, Sommer, Herbst und Winter – einfach Familienleben. Alles wird irgendwann einfacher und normaler. Sie gehören dazu.“ Und dann komme der Zeitpunkt, an dem das Kind womöglich mit drei Jahren wieder weg müsse. Alles, was normal und gewohnt war, sei wieder verschwunden.

Überlastete Justiz

Grund für die lange Verweildauer ist laut Pioch eine überlastete Justiz und zu wenig Personal in den Jugendämtern. Mit der Petition will sie die Bundespolitiker auf die Missstände aufmerksam machen. „Und ich bin ehrgeizig. Darum habe ich die 50 000 als Ziel in der Onlinepetition genannt, denn dann darf ich persönlich vorsprechen.“

Sabine Blank von der Praxis Erziehungshilfe, die familiäre Bereitschaftsbetreuung organisiert, unterstützt das Anliegen, kann aber selbst nichts ändern. „Manchmal ist es schrecklich, das aushalten zu müssen.“ Denn oft hätten die Kinder schon viele traumatische Ereignisse hinter sich und bräuchten vor allem eins: verlässliche Zuwendung von den gleichen Menschen. Jugendämter griffen ein, wenn Eltern ihre Kinder vernachlässigten oder es Gewalt im Zuhause gäbe. Oft seien auch Alkohol und Drogen mit im Spiel.

Fünf Pflegekinder haben mittlerweile schon bei den Piochs gewohnt. Zu einem haben sie noch Kontakt. „Schön ist es, wenn der Übergang in die andere Pflegefamilie gut läuft“, so die 39-Jährige und erinnert sich an eine Begebenheit, wie ein kleines Mädchen an der Hand ihrer neuen Pflegeeltern lächelnd davonspaziert ist. Doch es gab auch andere Situationen: „Etwa wie ein Kind wie am Spieß schreiend ins Auto gesteckt und weggekarrt wurde. Pioch: „Kinder leiden – in vielen Fällen unnötig“. Sie will das mit der Onlinepetition lindern.

www.openpetition.de/petition/online/schnellere-entscheidungen-fuer-das-kindeswohl

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