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Kind an Krebs erkranktBayer gewinnt erstmals Glyphosat-Prozess und schöpft Hoffnung

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Bayer-Kreuz Leverkusen

Das Bayer-Kreuz prägt die Leverkusener Skyline.

Leverkusen – Bayer hat in den USA erstmals einen juristischen Sieg in einem Glyphosat-Prozess errungen. In der Nacht zu Mittwoch entschied eine Geschworenen-Jury in Los Angeles, dass der Glyphosat-haltige Pflanzenvernichter Roundup der Bayer-Tochter Monsanto nicht die Ursache der Krebserkrankung des minderjährigen Ezra Clark.

Mit vier Jahren an Krebs erkrankt

Ezra Clark war vier Jahre alt, als er an einer aggressiven Form von Lymphdrüsenkrebs erkrankte. Seine Mutter Destiny Clark hatte Klage gegen Bayer eingereicht: Der Klageschrift zufolge war ihr Sohn Roundup ausgesetzt, als sie den Unkrautvernichter auf ihrem Grundstück versprühte. Die Geschworenen sahen hingegen keine Beweise für einen Zusammenhang.

Das Urteil entspreche sowohl der Einschätzung von Regulierungsbehörden als auch den umfangreichen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus vier Jahrzehnten, sagte ein Sprecher des Leverkusener Dax-Konzerns in einer ersten Stellungnahme. „Wir haben großes Mitgefühl für Ezra Clark und seine Familie, die Geschworenen haben aber die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Fall sorgfältig abgewogen und sind zu dem Schluss gekommen, dass Glyphosat nicht die Ursache seiner Krankheit ist“, heißt es darin weiter.

Die Anwälte der Klägerin erklärten, es handele sich um einen „sehr ungewöhnlichen Fall“. Die Geschworenen-Jury sei nur gefragt worden, ob die Krebserkrankung des Jungen darauf zurückzuführen sei, dass er Roundup ausgesetzt gewesen sei. Beweise zum Verhalten von Monsanto seien nicht erlaubt gewesen. Möglicherweise würden sie in Berufung gehen.

Klagewelle gegen Monsanto

Fast alle Zulassungsbehörden weltweit gehen aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Studienlage davon aus, dass das Pflanzengift Glyphosat nicht krebserregend ist. Einzig eine Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation kam 2015 zu dem Schluss, Glyphosat sei bei Menschen „wahrscheinlich krebserregend“. Diese Entscheidung sorgte in den Folgejahren in den USA für eine gewaltige Welle von rund 125.000 Klagen gegen Monsanto – die jedoch in ihrem Ausmaß erst zunahm, nachdem Bayer das Unternehmen 2016 für rund 57 Milliarden Euro übernommen hatte.

Drei Glyphosat-Verfahren hatte Bayer vor dem nun ersten Erfolg bereits erst- oder zweitinstanzlich verloren – und soll je nach Fall bis zu 78 Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Seit Jahren belasten die rechtlichen und finanziellen Unwägbarkeiten nun den Konzern, und auch die Bayer-Aktie kommt nicht aus dem Keller.

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Für das Unternehmen ist die Entscheidung nun ein neuer Hoffnungsschimmer, die zeigt: Der Konzern schafft es doch, zu Laiengeschworenen in den USA durchzudringen. Zuletzt wirkten die Unternehmensverantwortlichen beinahe verzweifelt, weil ihnen das nicht gelang. Das Urteil sendet derweil auch ein für Bayer positives Zeichen für die Bewältigung der noch ausstehenden Klagen. 96.000 sind nach letztem Stand bereits beigelegt oder aus dem rund acht Milliarden Euro schweren Vergleichspaket ausgeschlossen.

Umgang mit künftigen Klagen gegen Bayer weiter offen

Offen ist weiter der Umgang mit Klagen von Menschen, die erst noch erkranken werden. Nach zweimaliger Ablehnung eines Lösungsvorschlags durch einen kalifornischen Richter war Bayer aus diesem Teil der Vergleichsverhandlungen ausgestiegen und hofft nun, künftigen Klagen mit einem Alternativ-Plan begegnen zu können.

Bayers Plan beinhaltet zwei Szenarien: Im ersten Szenario entscheidet das oberste Bundesgericht der USA, dass im Fall des Klägers Edwin Hardeman – dem Bayer laut zweitinstanzlichem Urteil rund 20,6 Millionen Euro Schadenersatz zahlen soll – Schadenersatzansprüche nach Recht des Bundesstaats Kalifornien wegen fehlerhafter Warnungen überhaupt nicht bestehen können, weil diese mit dem Bundesrecht kollidieren.

3,8 Milliarden Euro zurückgestellt

Eine solche Entscheidung würde Klägerinnen und Klägern zentrale Argumente in der Prozessführung zunichte machen, die sich vor allem auf fehlende oder falsche Warnhinweise vor Gesundheitsgefahren berufen. Bayer geht davon aus, dass ein solches Urteil Rechtsstreitigkeiten zu Glyphosat mit einem Schlag beenden würde.

Im zweiten Szenario nimmt das Gericht den Fall Hardeman nicht zur Verhandlung an oder urteilt im Sinn des Klägers. „In diesem Fall würde Bayer ein eigenes Programm aufsetzen, um mit Klagen und Ansprüchen umzugehen“, heißt es vom Konzern. Bayer würde dann künftige Klagen durch Einzelvergleiche mit Roundup-Nutzern, die in den kommenden 15 Jahren ein Non-Hodgkin-Lymphom entwickeln, beilegen. Für diese Lösung hat das Unternehmen bereits rund 3,8 Milliarden Euro zurückgestellt.

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