Auschwitz-Überlebende in Leichlingen„Man kann die Nummer nicht ablegen“

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Dr. Eva Umlauf studierte Medizin, arbeitet als Kinderärztin und Psychotherapeutin und lebt seit vielen Jahren in München.

Dr. Eva Umlauf studierte Medizin, arbeitet als Kinderärztin und Psychotherapeutin und lebt seit vielen Jahren in München.

Leichlingen – „Sie ist eine der Jüngsten, die Auschwitz überlebt haben. Sie ist vielleicht eine der Letzten, mit der wir reden können“, spricht es Brigitte Berg offen in die Runde der Schüler, die sich in der Aula versammelt haben. Mit einer der Letzten meint sie Eva Umlauf, die an dem regnerischen Montag zu ihrer Rechten im Gymnasium Leichlingen sitzt.

Umlauf wird am 19. Dezember 1942 in einem Arbeitslager für Juden in der Slowakei geboren und im Alter von zwei Jahren mit ihrer Familie nach Auschwitz deportiert. Vor einigen Jahren hat sie die Erlebnisse ihrer Familie zu Papier gebracht und als Buch veröffentlicht. Als Zeitzeugin hält sie heute Lesungen und sucht Gespräche mit jungen Leuten. So findet sie auch den Weg nach Leichlingen, um mit den Schülern der neunten Klassen über ihre Vergangenheit zu sprechen.

„Idylle im Schatten des Todes“

An einem eisigen Wintertag kommt sie im Arbeitslager zur Welt, ihre Mutter ist zu dem Zeitpunkt gerade einmal 19 Jahre alt. Als „fast idyllisch“, beschreibt sie die Zeit dort. „Aber eine Idylle im Schatten des Todes.“ Zwei Jahre später wird die Familie in einen der so genannten Todeszüge verfrachtet und nach Auschwitz gebracht. Drei Tage sitzen sie in dem Waggon – ohne Essen und Trinken. „Es war ein so genannter Glücklicher Transport, wobei das natürlich ironisch ist“, erzählt Umlauf. „Es war der erste Transport, der nicht ins Gas ging.“ Die russische Front nähert sich in dieser Zeit der deutschen Grenze. Die Streitmächte der Nazis wollen die Vergasung der Juden vertuschen und verzichten vorerst auf weitere Morde. Für Eva und ihre Mutter ist es die Rettung. Doch nach der Ankunft in Auschwitz werden sie von dem Vater getrennt, der ein paar Jahre später an einer Blutvergiftung in einem Lager im österreichischen Melk an der Donau stirbt.

Umlaufs Buch trägt den Titel „Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen“; ein Titel der ursprünglich aus einem Gedicht stammt. Die Autorin trägt noch heute die blaue Tätowierung, die sie kurz nach der Ankunft im Lager bekommen hat. „Sie verbindet mich mit meiner Mutter, weil wir hintereinander tätowiert wurden und unsere Nummern so aufeinanderfolgen. Diese Nummer ist für mich der Auftrag, dass ich unsere Geschichte erzähle.“

Viele Fragen von Schülern

Die Schüler folgen gebannt Umlaufs Worten und ihren schonungslos ehrlichen Erzählungen. „Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich etwas fragen würden. Seien Sie mutig, es gibt keine dummen Fragen“, ermutigt Umlauf die Schüler, nachdem sie Passagen aus ihrem Buch vorgelesen hat. Und das taten die Schüler. So wollten sie wissen, ob Umlauf heute einen Hass gegen Deutschland verspüre. „Nein, das spüre ich nicht!“ so die Schriftstellerin. Auch fragten die jungen Leichlinger, ob sie tatsächlich noch immer ihre Nummer auf dem Arm trage. „Ja!“, so Umlauf und erzählt, wie sie vor Schmerzen und Schock ohnmächtig wurde, als man die Tätowierungsnadel auf ihren Arm setzte. Eine blaue „A-26959“ ist bis heute geblieben – eine Nummer, die immer wieder Aufmerksamkeit auf sich zieht. Doch anders als andere Holocaust-Überlebende habe sie die Nummer nicht wegmachen lassen. „ Sie gehört zu mir, wie jede Falte, jede Narbe und jeder Muttermal.“

Für Geschichtslehrer Marc Stitz, der die Lesung organisierte, ist ihr Besuch etwas ganz Besonderes. „Dieses Thema entwickelt sich immer weiter weg aus der Weltgeschichte“, so Stitz.

Es sei wichtig, den Schülern dieses Stück Geschichte näher zu bringen. „Die Zahl der sechs Millionen getöteten Juden ist für viele nicht greifbar. So eine Nummer auf dem Arm aber schon“, sagte der Pädagoge.

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