Bauernhof Dickhoven nahe Leichlingen„Bräuchte 35 Cent pro Liter, um Kosten zu decken“

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Etwa 180 Kühe halten Marina Dickhoven und ihre Familie.

Etwa 180 Kühe halten Marina Dickhoven und ihre Familie.

Leichlingen/Solingen – Marina Dickhovens Handy vibriert immer wieder, während sie über das Gelände des landwirtschaftlichen Betriebs der Familie läuft. Für sie ein gutes Zeichen: Jede Vibration teilt ihr mit, dass im frisch eröffneten Hofladen Kunden einkaufen. Seit Anfang Juni bietet die Familie in dem Selbstbedienungsladen Rohmilch aus eigener Herstellung und regionale Produkte wie Erdbeeren und Frühkartoffeln an. Das Kernstück des 12 Quadratmeter großen Geschäfts ist ein Milchautomat, mit dem die Besucher von 6 Uhr morgens bis 21 Uhr abends frische, unbehandelte Milch für einen Euro pro Liter zapfen können. Erst einmal das Kleingeld eingeworfen, kann es direkt losgehen. Die Familie aus Solingen setzt auf Vertrauen. Wer im Hofladen etwas kauft, legt das Geld selbst in die Kasse. „Bisher hat sich jeder daran gehalten“, freut sich Marina Dickhoven.

Hof ist seit 100 Jahren im Familienbesitz

Der Betrieb mit einer Gesamtfläche von etwa 280 Hektar ist bereits seit 100 Jahren im Familienbesitz der Dickhovens und grenzt an Leichlingen und Langenfeld. Aktuell gibt Senior-Chef Karl-Otto nach und nach die Leitung an seinen Sohn Martin weiter. Der Schwerpunkt des Hofs liegt auf der Milchviehhaltung inklusive der Jungtieraufzucht. (lod)

Adresse: Linde 16 in 42699 Solingen. Es lässt sich gut am Seitenrand oder auf dem Hof parken.

Die Idee zum eigenen Hofladen hatte sie im vergangenen Jahr. Der Automat im Geschäft soll es der Familie leichter machen, die eigens produzierte Rohmilch zu verkaufen. Denn die hygienischen Auflagen sind hoch. Ohne den Automaten durfte die Milch nur in Anwesenheit eines Mitarbeiters abgezapft werden. Das kostete Zeit. „Jetzt sind einerseits wir deutlich flexibler, weil der Laden fast von selbst läuft. Andererseits sind auch die Kunden flexibler“, findet Marina Dickhoven. Das Konzept scheint bisher gut anzukommen. Zum Eröffnungstag kamen über 200 Kunden zum Hof, der am Städtedreieck Solingen, Leichlingen und Langenfeld liegt.

Unabhängigkeit von Molkereien wahren

Mit dem kleinen Geschäft hat sich die Familie ein weiteres Standbein aufgebaut. Die Dickhovens wollten weniger abhängig von den Preisen der Molkereien sein. Bislang ging die Milch der etwa 180 Kühe fast komplett an die Molkerei Arla, die der Familie etwa 32 Cent pro Liter zahlte.

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„Eigentlich bräuchte man 35 Cent pro Liter, um alle Kosten abdecken zu können. So lassen sich aber noch keine Rücklagen bilden“, erklärt die Landwirtin. Die Familie betreibt darum auch noch eine Bio-Gasanlage und eine Pensionspferdehaltung. Außerdem zieht der Milchviehbetrieb die eigenen Jungtiere auf, was bei Verbrauchern häufig auf Vorurteile stößt. Häufig sei die Familie in den sozialen Netzwerken dafür kritisiert worden, dass sie die Kälber innerhalb der ersten 24 Stunden von der Mutterkuh trennt, erzählt Dickhoven.

Es könne passieren, dass sich die ausgewachsenen Tiere auf die Kälber legen und sie verletzen, begründet sie die Entscheidung. Deshalb kommen die Kälber nach den ersten 24 Stunden in den sogenannten Kälberkindergarten. Dort bekommen die Tiere weiterhin Muttermilch. „Es ist sehr wichtig, dass die Kälber die erste Biestmilch ihrer Mutter trinken können. Nur so entwickeln die Tiere ein Immunsystem“, erklärt Dickhoven. Die Behauptung, die Landwirten würden mit der Milch der frisch abgekalbten Kuh nur möglichst schnell Profit machen wollen, ärgert sie. „Wir verkaufen die Milch der Mutterkühe erst einmal wochenlang gar nicht“, stellt sie klar.

Von der Krankenschwester zur Landwirtin - Hof ist 24 Stunden Job

Nie hätte die gelernte Krankenschwester gedacht, dass sie eines Tages mit ihrem Mann Martin und dessen Vater Karl-Otto einen landwirtschaftlichen Betrieb führen würde. Doch nach dem zweiten Kind entschied sie sich, ihren alten Beruf aufzugeben und sich ganz auf den Hof zu konzentrieren. „Ich habe schon immer mitgeholfen und irgendwann mein Hobby zu meinem Beruf gemacht“, sagt Marina Dickhoven. Der Hof ist ein 24 Stunden Job. Die Tiere müssen auch an Feiertagen und Wochenenden versorgt werden. Nur eine Woche im Jahr nimmt sich das Ehepaar komplett frei.

„Das muss man schon wollen“,sagt Dickhoven. Sie hat sich zur Agrarbürofachfrau weitergebildet und nimmt aktuell an einer Fortbildung zur Bauernhof-Erlebnispädagogin teil. „Wer rastet, der rostet“, sagt Marina Dickhoven. Die Familie plant in Zukunft Kindergartengruppen und Grundschulklassen vermehrt auf dem eigenen Betrieb herumzuführen, um ihnen so Landwirtschaft praxisnah zu vermitteln.

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