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Debatte um KinderbetreuungSind Tagesmütter unqualifizierter als Kita-Erzieherinnen?

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Eine Tagesmutter aus Überzeugung und Leidenschaft: Karin Bredies aus Leichlingen

Eine Tagesmutter aus Überzeugung und Leidenschaft: Karin Bredies aus Leichlingen

  • Ein neues Gesetz sieht vor, dass alle Eltern in NRW künftig den gleichen Beitrag bezahlen – unabhängig davon, ob sie ihr Kind in einer Kita oder bei einer Tagesmutter unterbringen.
  • Das hat für eine Debatte gesorgt: Viele Eltern empfinden eine Betreuung durch Tagesmütter als nicht als gleichwertig – unter anderem wegen der geringeren Qualifikation.
  • Die Leichlinger Tagesmutter Karien Bredies widerspricht jedoch vehement: Sie sieht in der Tagespflege keinesfalls keine Notlösung.

Leichlingen – Die Bauklötze liegen noch auf dem Boden des Kinderzimmers, die Handpuppen Max und Maggie wurden soeben ins Regal zurückgeräumt. Bis vorhin hat Karin Bredies hier mit ihrem Schützling gespielt. Das Mädchen, elf Monate alt, wurde gerade abgeholt. Jetzt wird aufgeräumt, gleich kommt das nächste Kind zur Eingewöhnung.

Karin Bredies ist Tagesmutter. Seit 34 Jahren betreut die gelernte Textilverkäuferin Kinder im Alter von ein bis drei Jahren. Die Katzen Filou und Kitty streichen den Besuchern um die Beine. „Bei uns geht es familiär zu“, sagt die 61-Jährige und lächelt.

Weiterbildung in Inklusion

Auf dem Wohnzimmertisch liegen zahlreiche Zertifikate. Ein Zeugnis weist sie als „Fachkraft für U 3 – frühkindliche Bildung und Erziehung“ aus. „Fachkraft für elementarpädagogische Sprachförderung“, steht auf einer anderen Urkunde. Auch im Bereich Inklusion hat sich Karin Bredies weitergebildet.

Auf ihrem Abschlusszeugnis der Akademie für Kindergarten, Kita und Hort hat sie nur Einsen und eine Zwei. Jedes Jahr muss sie 20 Stunden Fortbildung machen. „Mir macht so schnell keiner etwas vor, was die Betreuung von kleinen Kindern angeht“, sagt die Frau aus Leichlingen. „Sie brauchen, Liebe, Zuwendung und individuelle Förderung. Genau das bekommen sie bei uns.“

Tagespflege ist keine Notlösung

Karin Bredies und ihr Mann Hans haben sich über einen Kommentar im „Kölner Stadt-Anzeiger“ geärgert, in dem behauptet wurde, die Tagespflege sei für viele Eltern nur eine Notlösung. Jetzt wollen sie den Autor eines Besseren belehren. „Bei uns fragen Eltern schon kurz nach der Geburt an, ob sie ihr Kind bei uns unterbringen können“, sagt Karin Bredies. „Die wünschen sich explizit eine familiäre Betreuung.“

Bei den Bredies werden die Kinder zwar im privaten Umfeld aber dennoch professionell betreut. Im Garten gibt es eine Babyschaukel und einen Sandkasten, ein Raum in der 82-Quadratmeter-Wohnung dient als Spielzimmer.

„Mehr als zwei Kinder gleichzeitig nehme ich nicht an“, berichtet die Tagesmutter. Hans Bredies kocht das Mittagessen. Meist gutbürgerlich, zum Beispiel Würstchen mit Kartoffeln und Möhren.

Eltern, die ihre Kinder in der Kita haben, können von den Vorzügen der familiären Betreuung nur träumen. Die Bredies stimmen zum Beispiel ihren Urlaub mit den Eltern ab.

Wenn ein Kind mal Fieber hat, zum Beispiel beim Zahnen, wird es trotzdem angenommen. Und geht beim Essen was daneben, kommt die Kleidung schnell in die Waschmaschine. Die Betreuung endet um 15 Uhr. „Für viele, zum Beispiel Lehrer, ist das kein Problem“, so Karin Bredies.

Es gibt natürlich auch Nachteile. „Wenn ich krank bin, gibt es keine Ausweichbetreuung“, sagt die Tagesmutter. Als sie mal eine Lungenentzündung hatte, habe sie für drei Wochen zumachen müssen. Dafür habe sie auch mal mit Gips gearbeitet, als ihr Handgelenk gebrochen war.

Zögerlicher Kita-Ausbau 

In NRW werden im Kita-Jahr 2019/2020 insgesamt 202 535 Kinder betreut, davon 62 342 von Tagesmüttern. „Das Modell ist entstanden, weil Land und Kommunen den Kita-Ausbau vernachlässigt haben“, sagt Maike Finnern, Chefin der Gewerkschaft GEW. Viele Eltern empfänden die Tagespflege als nicht gleichwertig, weil sie „störungsanfälliger“ sei.

Barbara Lieske ist die Vorsitzendes des Berufsverbands für Kindertagespflegepersonen. „Es ist richtig, dass wir die Tagesmütter noch besser qualifizieren müssen“, räumt die Erzieherin ein. Bereits jetzt sei geplant, die Zahl der Ausbildungsstunden von 160 auf 300 anzuheben. Perspektivisch sollte die Tagespflege mit einer Erzieherausbildung kombiniert werden.

„Wichtig ist auch, dass die Kommunen ihrer Verpflichtung nachkommen, bei Ausfallzeiten von Tagesmüttern Vertretungen zu organisieren. Dann könnte die Tagespflege ihre Stärken noch besser ausspielen.“

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