Abo

Millionen-Streit eskaliertWiedenhoff verliert alle seine Buslinien

Lesezeit 4 Minuten
Nach der Aufgabe des Touristikgeschäftes und der Schließung seiner Reisebüros droht Wiedenhoff (im Bild zwei Busse der Flotte in Witzhelden) nun der Entzug des Linienbus-Verkehrs.

Nach der Aufgabe des Touristikgeschäftes und der Schließung seiner Reisebüros droht Wiedenhoff (im Bild zwei Busse der Flotte in Witzhelden) nun der Entzug des Linienbus-Verkehrs.

Rhein-Wupper – Dem Verkehrsunternehmen Wiedenhoff droht der Entzug seiner Buslinien und damit im schlimmsten Fall der Verlust seiner Existenzgrundlage. Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) hat dem mit Hauptsitz in Solingen und Busbetriebshof im Burscheider Gewerbegebiet Hilgen-Heide ansässigen Betrieb die Verträge gekündigt. Zum 30. Juni 2021 sind Wiedenhoff der Kooperationsvertrag und der Einnahmen-Aufteilungsvertrag gekündigt worden.

Hiobsbotschaft in der Betriebsversammlung

Die Hiobsbotschaft hat die Firmenleitung den rund 100 Mitarbeitenden in einer Betriebsversammlung verkündet. Eine Sprecherin des VRS bestätigte den Sachverhalt auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und räumte ein, dass es sich um einen außergewöhnlichen Vorgang handele: „Bei der Kündigung der Firma Wiedenhoff handelt es sich um den ersten Fall einer Kündigung seit Gründung des VRS.“

Linien 239/240, 250, 252, 255 und N8

Betroffen sind die von Wiedenhoff betriebenen Bus-Linien 239/240, 250, 252, 255 und N8 in der Region Leichlingen, Burscheid, Solingen, Leverkusen, Wermelskirchen und Köln. Der juristische Schritt ist die Eskalation eines seit Jahren währenden Streits um die Finanzierung der Strecken und die Verteilung der Einnahmen nach Fahrgastzahlen. Dem Vernehmen nach geht es um mehrere Millionen Euro an Forderungen aus den Jahren seit 2009, die Wiedenhoff erstatten soll.

Der VRS spricht von „langjährigen Rechtsstreitigkeiten in der VRS-Einnahmenaufteilung“, die gescheitert seien, weil sich das Familienunternehmen weigere, ihm nicht zustehende Beträge zurückzuzahlen: „Die Firma Wiedenhoff erkennt die ergangenen, bereits seit längerer Zeit rechtskräftigen Urteile des OLG Düsseldorf weiterhin nicht an und ist nicht bereit, die daraus resultierenden Konsequenzen zu tragen. Die Beträge, die Wiedenhoff im Rahmen der Einnahmenaufteilung zahlen müsste, stehen anderen Verbundverkehrsunternehmen zu, die durch das Verhalten der Firma Wiedenhoff in ihrer Liquidität beeinträchtigt werden.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Rückforderungen hatten wie berichtet bereits dem Leichlinger Verkehrsbetrieb Hüttebräucker das Genick gebrochen. Es musste angesichts einer millionenschweren Nachforderung und einer Niederlage vor dem Bundesgerichtshof im Februar 2020 Insolvenz anmelden.

Die Geschäftsführer von Wiedenhoff waren für eine Stellungnahme am Freitag nicht erreichbar. Sie sollen sich zwar zuversichtlich geäußert haben, den Linienbetrieb noch retten zu können und ihrem Personal angekündigt haben, juristisch gegen die Kündigung vorzugehen. Aber der Verkehrsverbund geht davon aus, dass die Busse ab Juli in der Garage in Hilgen bleiben: „Ein Weiterbetrieb durch die Firma Wiedenhoff ohne entsprechende Liniengenehmigungen ist nicht möglich“, hieß es.

Abmahnung ohne Reaktion

„Uns ist bewusst“, erklärt der Verkehrsverbund in einer Stellungnahme, „dass die Kündigung der Verbundverträge erhebliche Auswirkungen auf das betroffene Verkehrsunternehmen haben kann. Daher ist eine Kündigung nur in besonderen Ausnahmefällen vertraglich zulässig und sie wird auch nur als Ultima Ratio nach Ausschöpfung aller anderen zur Verfügung stehenden Mittel ausgesprochen.“ Die Schuld sieht der VRS bei Wiedenhoff: Vorher sei das Unternehmen abgemahnt und ihm Gelegenheit gegeben worden, sein „verbundwidriges Verhalten zu ändern“.

Bereits seit Sommer 2020 habe es „intensive Verhandlungen zur Beilegung aller – nicht nur der jetzt für die Kündigung relevanten – Streitigkeiten gegeben. Diese Verhandlungen sind im März auf der Zielgeraden gescheitert, da die Firma Wiedenhoff ihre Zustimmung nachträglich an die Erfüllung von Forderungen außerhalb der Einnahmenaufteilung geknüpft hat, die von den Verbundverkehrsunternehmen mangels Zuständigkeit schlichtweg nicht zu erfüllen waren.“

Dass der bergische Busbetrieb noch einlenken und zahlen könnte, hält man beim VRS nach all dem für ausgeschlossen: „Es gibt von Seiten der Firma Wiedenhoff keinerlei Signale in diese Richtung – auch nicht nach Übersendung des Kündigungsschreibens im April.“

Springt die Wupsi ein?

Welche Folgen hat die Kündigung für die Fahrgäste? „Keine nennenswerten Auswirkungen“, sagt der VRS. Die Busse werden weiter fahren – ab Juli aber von einem anderen Unternehmen. Daran werde längst gearbeitet: „Die zuständigen kommunalen Aufgabenträger bereiten bereits Anschlusslösungen für den Zeitraum ab dem 1. Juli vor, um einen unterbrechungsfreien Betrieb für die Kunden auf allen Linien sicherzustellen.“

Zu erwarten ist, dass das kommunale Verkehrsunternehmen Wupsi GmbH, das von der Stadt Leverkusen und dem Rheinisch-Bergischen Kreis getragen wird, einspringt. Es hatte auch nach der Insolvenz von Hüttebräucker bereits deren Linien 251, 253 und 254 übernommen.

KStA abonnieren