Vortrag in LeichlingenSchleichender Weg in die Depression – Auswege für Kinder

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Facharzt Mani Sina und Therapeutin Sabine Weddemar-Günther im Leichlinger Jugendzentrum.

Facharzt Mani Sina und Therapeutin Sabine Weddemar-Günther im Leichlinger Jugendzentrum.

Leichlingen – Wer das Suchwort „Depression“ beim Online-Händler Amazon eingibt, bekommt mehr als 100.000 Ergebnisse. Mindestens genauso viele Meinungen, wie die Diagnostik und Therapie am besten geschehen sollte, gibt es wohl auch zu dem Thema. Das wurde den Besuchern des Vortrags „Wie ticken Jugendliche? Depressionen im Kinder- und Jugendalter“ am Samstag im Leichlinger Jugendzentrum schnell klar.

Auf dem Büchertisch der Stadtbibliothek im Foyer tummelten sich Titel wie „Depressionen für Dummies“. Deshalb fand Mani Sina, der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, es auch gar nicht so leicht, einen Vortrag für die etwa 30 Besucher zu erstellen. Sina führt mit etwa 20 Mitarbeitern die Gemeinschaftspraxis Filiz und Sina in Leverkusen, seine Patienten kommen manchmal sogar von weit her.

„Wege aus der Depression – Was die Seele stärkt“

Den Vortrag hatte das noch junge Leichlinger Netzwerk Depressionen im Rahmen einer Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Wege aus der Depression – Was die Seele stärkt“ geplant.

„Wir kümmern uns um alle möglichen Fälle, von A wie Ablenkbarkeit bis Z wie Zwänge ist alles dabei“, berichtete Sina von seiner Arbeit. Häufig kämen Eltern zu ihm und würden ihn fragen, ob das Verhalten ihrer Kinder noch normal für das Alter sei oder ob sie sich ernsthafte Sorgen machen müssten.

Apathie und Ängste

„Das ist nicht so leicht zu beantworten“, sagte Sina und nannte ein Beispiel: Normal sei es, wenn der Jugendliche nach jahrelanger Mitgliedschaft im Leichtathletikverein nun austreten und lieber einen anderen Sport ausprobieren möchte. Kritisch werde es, wenn das Kind auf einmal keinerlei Interessen mehr hat und am liebsten nur noch im Bett liegen möchte, also auch nicht mehr zur Schule gehen will. Typische weitere Symptome seien Müdigkeit, ein niedriges Selbstwertgefühl, Schuldgefühle und Antriebslosigkeit.

Eigentlich gäbe es nie nur einen bestimmten Auslöser einer Depression. Studien legen Sina zufolge nahe, dass die psychische Krankheit genetisch bedingt entstehen kann. Oft treten auch weitere Störungen wie eine Essstörung oder ADHS auf.

Nicht immer sofort zum Psychiater schicken

Besonders wichtig ist für Sina die Diagnostik. Denn auch Probleme mit der Schilddrüse können ein Auslöser sein. „Es ist schon vorgekommen, dass ein Patient fünf Jahre in Therapie war und eine Blutuntersuchung dann gezeigt hat, es lag an der Schilddrüse. So etwas darf natürlich nicht passieren“, betonte der Arzt.

Eltern müssten ihr Kind nicht immer sofort zum Psychiater schicken. Aber wenn sich die Symptome über mehrere Monate erstrecken, sollte man eine Therapie erwägen. Oft wenden die Kinder sich mit ihren Problemen auch nicht zuerst an die Eltern, sondern an gute Freunde oder Vertrauenslehrer.

Am besten könnten betroffene Eltern die Therapie unterstützen, indem sie ihrem Kind zuhören und schöne Aktivitäten mit ihnen planen. „Damit meine ich nicht jede Woche einen Ausflug, aber einfach mal zusammen ein Eis essen gehen, kann helfen“, rät Sina. Bei den Besuchern waren nach dem anderthalbstündigen Vortrag Sinas und seiner Mitarbeiterin Sabine Weddemar-Günther noch einige Fragen offen. „Wie bringe ich denn mein Kind dazu, zum Therapeuten zu gehen, ohne es zu zwingen?“, fragte eine Frau. Sina riet ihr, eine mögliche Therapie einfach offen anzusprechen. Sollte das Kind nicht wollen, könne sie immer noch alleine zu einem Arzt gehen und sich Rat suchen. „Oft springt dann der Funke über, wenn die Kinder bemerken, dass die Eltern auch alleine gehen würden.“

Film zum Thema am 1. Oktober 2018

Als nächster Beitrag der Info-Reihe zu Depressionen folgt eine Filmvorführung im Jugendzentrum am Montag, 1. Oktober, ab 17.30 Uhr. Der Film des Medienprojekts Wuppertal zeigt zwei junge Frauen mit depressiven Störungen auf dem Weg der Besserung. Der Eintritt ist frei. Auch im Schulzentrum können sich die Organisatoren des Netzwerks in Zukunft eine Veranstaltung vorstellen. Dort arbeitet bereits jetzt im Gebäude der Hauptschule eine Sozialarbeiterin, an die sich Kinder und Jugendliche wenden können.

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