„Affenfelsen“Das grüne Rathaus in Leverkusen war oft Ziel für Hohn und Spott

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Nicht schön, nicht geliebt, aber immerhin mit „Aquamobil“: Das Leverkusener Rathaus in Wiesdorf im Jahr 1992. 

Leverkusen – Nachdem es in der ersten Folge unserer Serie über aus dem Leverkusener Stadtbild verschwundene Gebäude um das alte Rathaus in Wiesdorf ging, dreht sich die neue Folge um jenen Bau, der zwischen 1977 und 2007 das Bild der City zwischen Bahnhof und Fußgängerzone prägte: das von den Bürgerinnen und Bürgern liebevoll-hämisch genannte „grüne Rathaus“.

Akzeptiert, aber nie geliebt

Denn genau diese beiden Attribute – liebevoll und hämisch – bezeichnen ganz gut die Art der Verbindung, die die Menschen in Leverkusen zu diesem Bau hatten: Das Rathaus mit dem Wasserspiel auf dem Vorplatz wurde wohl immer akzeptiert, aber niemals respektiert oder gar geliebt. Zu dominant stand es da in der Stadtmitte. Salopp könnte man es wie manch kritische Stimme sagen: Es wirkte wie ein auf die Erde gekrachter Monolith aus Beton und Stahl, der auch in Stanley Kubricks psychedelischem Weltraum-Film „2001 – Odyssee im Weltraum“ eine gewichtige Rolle hätte spielen können.

Sein Vorgänger hatte weichen müssen, weil der Raum im Innern nicht mehr ausreichte, um die parallel zur Stadt wachsende Menge der Verwaltungsbelegschaft zu beherbergen – und weil Leverkusens Mitte nach und nach mit immer moderneren Bauten bestückt worden war.

Eine Sparkommission kappte den Etat

Die Gestaltung des Baus lag vor allem in der Hand des Leverkusener Firmeneigners Helmut Kloss, der gemeinsam mit seinem Architekten van Laak eine Symbiose aus der Bauweise der zuvor errichteten City C und des von Ulrich S. von Altenstadt errichteten Forums als einem auf dem Sechseck-Raster basierenden Bau anstrebte. Indes: Eine eigens für den Entwurf und die Errichtung des Gebäudes ins Leben gerufene Sparkommission tat das, was sie im Namen trug – und kappte letztlich den Etat. Das neue Rathaus wurde um zwei sich nach oben hin verjüngende Geschosse gekürzt.

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So schreibt es jedenfalls der damalige Redaktionsleiter des »Leverkusener Anzeiger«, Alfred Nasarke, in seinem Beitrag „Leverkusen: Eine neue Stadt, eine neue Stadtmitte, ein neues Rathaus“ (in: „Rathäuser erzählen Stadtgeschichte“) – und zwar mit Worten der Ironie und des Sarkasmus: „Dieses Rathaus von Kloss und van Laak war zu schön, um wahr zu werden.

Der Abriss des Vorgängers war ein „Schlachtfest“

Zwei Jahre gingen ins Land [...] und schon war alles nicht mehr so wie vorher. [...] Die berühmt-berüchtigte Sparkommission trat in Aktion. Sie kappte einfach zwei Geschosse. Und schon war’s nicht das Projekt wie vorher. [...] Da stimmen die Proportionen nicht mehr; da ist das entscheidende Bisschen abgeschnitten; da fehlt das Tüpfelchen auf dem i. Das Tüpfelchen wäre der verjüngte politische Trakt ganz oben gewesen. Der fehlt.“

Und Nasarke legt nach: „Angeblich soll es möglich sein, so etwas noch nachher nachzutragen. Das geschieht natürlich nicht, mindestens nicht in Leverkusen.“ Es sei schon „typisch“: Da trauten sich die Verantwortlichen nicht. „Hätten Sie’s nicht ein bisschen kleiner?“

Den Abriss des 1910 entstandenen Vorgängers beschreibt Nasarke als „Schlachtfest“, dem ein kurioses politisches Ränkespiel um die Finanzierung des Neubaus folgte, denn: Der Bauauftrag ging an eine rumänische Firma. Deren Angebot war angeblich um zehn Millionen Mark billiger als die Angebote der deutschen Mitbewerber am Markt. Die Stadtverwaltung war begeistert – und bekam diese Entscheidung in der Folgezeit um die politischen Ohren gehauen. Oberbürgermeister Wilhelm Dopatka sagte laut Nasarke damals in einem Fernsehinterview, er werde mitunter als „Kommunistenschwein“ und „Arbeiterverräter“ beschimpft.

Am 1. April 1977 stand das neue Rathaus

Am 1. April 1977 stand es dann, das neue Rathaus – während übrigens ein paar Kilometer weiter entfernt in Opladen ein etwas kleineres Pendant hochgezogen worden war, um – vergeblich – die Gebietsreform irgendwie zu beeinflussen, die damals Opladen als Stadtteil Leverkusen zuschlug.

Martin Bredenbeck formuliert es in seinem Text „Neue Zeiten, neue Klötze, neue Akteure. Leverkusen und seine Rathäuser“ fachmännisch und gekonnt wie folgt: „Es handelte sich in zeittypischer Weise um einen Großbau als ambitionierte Geste. Auf gelängtem polygonalen Grundriss (Sechseck) entwickelte sich die Architektur als Betongerüstkonstruktion. Der Bau erwuchs aus Betonträgern, die sich astförmig aufgabelten und in den Obergeschossen von einer Struktur aus Fensterbändern und plastisch vortretenden Brüstungen ummantelt wurden.“

Ein Kind seiner Zeit

Mit der „Formensprache“ und der Materialität aus sichtbarem Beton und farbig lackierten Metallpaneelen sei der Bau „ganz Kind seiner Zeit“ gewesen. Die Treppentürme hätten wohl auf das „hoheitliche Turmmotiv“ angespielt. Die Farben Schwarz und Grün seien offenbar eine Anspielung auf die barocken Bauten des nahen Bergischen Landes aus schwarzem Schiefer und grün lackierten Holzfensterläden gewesen. Und: Womöglich habe sogar das berühmte Castel del Monte in Apulien Pate gestanden mit seiner ähnlichen Form.

Gleichsam bringt Bredenbeck aber auch die Begriffe „Privatgeschmack“ und „Architektursprache“ ins Spiel – und trifft es damit recht genau: So richtig wertgeschätzt wurde der Bau von den meisten Menschen in Leverkusen nie. Auswärtige machten sich regelmäßig lustig über den „Klotz in der City“. Der mit dem erwähnten Wasserspiel „Aquamobil“ und diversen Betonbauten versehene Vorplatz galt manch einem sogar – in Anspielung an die Behausung der Paviane im Kölner Zoo – ätzend und despektierlich als „Affenfelsen“.

Das Ende des Rathauses – das sogar einem Bombenanschlag trotzte – kam letztlich schon knapp drei Dekaden später, als Pläne eines Umbaus verworfen wurden und sich die Stadtoberen gleich für einen Neubau in Form eines Rathauses mit angeschlossener Einkaufsgalerie entschlossen, in das sich die Leverkusener Entscheider und Entscheiderinnen einmieten sollten. Bei einem Bürgerbegehren votierten 2003 rund 82 Prozent der Beteiligten gegen eine Sanierung. Auf den Plan trat die Projektentwicklungsgesellschaft ECE. 2007 rückten die Bagger an – und ein weiteres Rathaus Leverkusens war nur noch Geschichte.

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