„Es geht einfach nicht mehr“Streetlife-Festival in Leverkusen nach 22 Jahren am Ende

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Ausgerockt: Konzerte wie dieses der JR Band (Niederlande) vor zahlreichen Fans wird es rund um Barmer Platz und Hauptstraße wohl nicht mehr geben.

Ausgerockt: Konzerte wie dieses der JR Band (Niederlande) vor zahlreichen Fans wird es rund um Barmer Platz und Hauptstraße wohl nicht mehr geben.

Leverkusen – Das Streetlife-Festival ist am Ende. 22 Mal fand es seit 1996 statt. Jetzt aber sieht es so aus, als ob 2017 die letzte Auflage über die Bühne gegangen ist. Das bestätigt Birgit Kremer, die stellvertretende Vorsitzende des Vereins „Jazz Lev“. Der Verein war bis zuletzt Veranstalter des dreitägigen Konzertreigens gewesen.

Eigentlich habe der Beschluss schon seit dem vergangenen Sommer gestanden. „In den vergangenen Tagen haben wir uns dann aber noch einmal im Team zusammengesetzt und geredet. Und die Entscheidung schließlich bestätigt“, sagt Kremer und fügt an: „Es geht einfach nicht mehr.“

Gute alte Zeit: Das erste Festival fand 1996 im Regen statt.

Gute alte Zeit: Das erste Festival fand 1996 im Regen statt.

Was sie mit „Es“ vor allem meint, das ist die gestiegene Verantwortung. Bereits seit den Vorfällen bei der Loveparade 2010 in Duisburg, spätestens jedoch seitdem das Thema der Sicherheit bei derlei großen Veranstaltungen nach den Terroranschlägen auf Konzerthallen, Flaniermeilen und Weihnachtsmärkte weltweit noch mehr in den Fokus gerückt sei, gebe es ein Problem.

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Auf 5000 Zuschauer angelegt

Um falschen Schlüssen zuvorzukommen, betont Kremer: „Die Stadt hat uns nie Steine in den Weg gelegt.“ Das Streetlife habe sich aufgrund seiner angegebenen Größe von maximal 5000 Zuschauern, die sich jeweils zeitgleich um die drei Bühnen bewegten, nie um besonders hohe und somit teure Sicherheitsstandards kümmern müssen. Zur Erklärung: Das Erstellen eines speziellen Sicherheitskonzeptes ist erst für Veranstaltungen über 5000 Personen vorgeschrieben. Zudem sei Oberbürgermeister Uwe Richrath „ein absoluter Fan von uns“.

Die Leverkusener Ramönsche spielten beim letzten Streetlife-Festival im vergangenen August auf der Bühne vor dem „Topos“.

Die Leverkusener Ramönsche spielten beim letzten Streetlife-Festival im vergangenen August auf der Bühne vor dem „Topos“.

Indes: „Wir möchten die Verantwortung, die natürlich trotzdem auf uns lastet, nicht mehr tragen“, sagt Kremer. Denn bisher sei zwar alles gut gegangen. Aber was wäre, wenn wirklich etwas passiere? „Dann stehen wir als kleiner Verein und Veranstalter trotzdem in der Bringschuld und entsprechend hilflos da.“ Nicht erforderliches Sicherheitskonzept hin oder her.

Man sehe das ja derzeit beim Prozess um Schuld und Nichtschuld für die Tragödie bei der erwähnten Loveparade, die seinerziet 21 Menschen das Leben kostete: „Die großen Köpfe werden nicht belangt. Es bleibt an den Kleinen hängen.“ Was Kremer damit offenbar meint, ist jener Vorwurf, der seit dem jüngst erfolgten Prozessbeginn durch die Bank weg in allen Medien und sozialen Netzwerken diskutiert wird: Auf der Anklagebank säßen nur ehemalige Mitarbeiter des Veranstalters und der Stadt Duisburg, nicht aber aus Reihen der Polizei und des Innenministeriums, die gleichwohl ebenfalls zur Verantwortung gezogen werden müssten.

In die Bredouille gebracht

Bestärkt in der Entscheidung, das Streetlife aufzugeben, hätten die Vereinsmitglieder unter anderem Begegnungen wie jene mit einem der Polizisten, die im vergangenen Jahr durchgehend und für alle Besucher sichtbar über die Wiesdorfer Festival-Meile patrouillierten. „Als die Konzerte bereits im Gange waren, sagte er zu uns, wir müssten eigentlich schleunigst noch Autos als Ramm-Barrieren gegen eventuelle Anschläge an den Straßenenden aufstellen.“

Das sei aber in der Kürze der Zeit schlichtweg unmöglich gewesen und habe die Veranstalter von „Jazz Lev“ zusätzlich in die Bredouille und zum Nachdenken gebracht: „Wie weit müssen wir den Ängsten der Besucher mit solchen Maßnahmen eigentlich begegnen? Oder schüren wir deren Ängste am Ende sogar noch?“ Kurzum: „Es wurde zu viel.“

Treffen beim Live-Musik-Spektakel Street Life: Peter Rüchel und der vor kurzem ebenfalls verstorbene Wolfgang Orth (r.).

Treffen beim Live-Musik-Spektakel Street Life: Peter Rüchel und der vor kurzem ebenfalls verstorbene Wolfgang Orth (r.).

Man dürfe auch nicht vergessen: Die – durchweg ehrenamtlich für das Streetlife schuftenden – Vereinsmitglieder seien in 22 Jahren Festival nun einmal auch 22 Jahre älter geworden. Kremer selber ist 65. Ihr Mann Ewald, der Kassierer des „Jazz Lev e.V.“ , ist 74. Wolfgang Orth, der Betreiber des „Topos“-Clubs als, wenn man so will, Streetlife-Zentrale, ist 73 Jahre alt und darüber hinaus gesundheitlich angeschlagen.

„Da müssen und wollen wir uns das einfach nicht mehr antun.“ Es seien 22 „tolle, wunderbare Jahre“ gewesen. „Und wenn es am schönsten ist, sollte man bekanntlich aufhören.“

Über das Thema Sicherheit hinaus habe es allerdings auch noch andere Dinge gegeben, die es den Vereinsmitgliedern zuletzt immer schwerer gemacht hätten: „Wir haben zwar – vor allem dank Sponsorenhilfe – glücklicherweise nie rote Zahlen geschrieben“, sagt Kremer. „Aber es hat sich dennoch mehr und mehr als Ärgernis erwiesen, dass viele Zuschauer trotz unserer eindringlichen Bitte, nur Getränke von unseren Partnern zu sich zu nehmen, ihre eigenen Getränke zum Festival mitgebracht haben.“

Auf Dauer lasse sich eine Veranstaltung wie das Streetlife so eben nicht mehr finanzieren.

Vage Hoffnung für die Zukunft

Wie auch immer, es bleibt eine kleine Hoffnung: Die Vereinsmitglieder seien derzeit in Gesprächen mit einem potenziellen neuen Veranstalter. Der könne das Festival 2018 – für das es zwar schon jede Menge Auftrittsanfragen von Künstlern gebe, für das aber noch keine Verträge abgeschlossen worden seien – eventuell übernehmen und möchte nicht genannt werden. „Aber das ist noch absolut nicht klar. Das dauert noch.“

Bislang stehe nur so viel fest: Anstelle des Streetlife findet im August ein Konzert auf nur einer Bühne vor dem „Topos“ statt. Genau wie auch 2019, wenn die „Jazz Lev“-Belegschaft das 50. Jahr der „Topos“-Existenz feiern wird.

www.jazz-lev.de

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