„Hier arbeitet keine Luisa“Wenn das Codewort für Belästigung nicht erkannt wird

Lesezeit 4 Minuten
Unsere Autorin Rosanna Großmann hat es ausprobiert – und festgestellt: Die Frage „Ist Luisa hier?“ wird nicht überall im Sinne der Hilfsaktion verstanden.

Unsere Autorin Rosanna Großmann hat es ausprobiert – und festgestellt: Die Frage „Ist Luisa hier?“ wird nicht überall im Sinne der Hilfsaktion verstanden.

  • „Ist Luisa hier?“ – Diese Frage sollen Frauen an Karneval stellen, wenn Sie sich belästigt fühlen. Um diskret Hilfe zu bekommen.
  • Unsere Autorin hat das Codewort in Leverkusen ausprobiert – und dabei ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht.

Leverkusen – Es ist voll, die Menschen tanzen, trinken, johlen sich zu. Man grinst die Freundinnen an, der Abend ist gelungen. Doch plötzlich ist da eine fremde Hand am Po. Fast jede Frau wird diese oder eine ähnliche Situation schon einmal erlebt haben, doch wenige trauen sich in so einem Moment, etwas zu sagen oder sich Hilfe zu suchen.

In Münster wurde 2016 die Aktion „Luisa ist hier!“ ins Leben gerufen, seitdem haben viele Städte Deutschlands das Modell übernommen. Frauen, die sich sexuell belästigt, bedrängt oder bedroht fühlen, sollen dem Personal einer Gaststätte die Frage „Ist Luisa hier?“ stellen können – dann wird ihnen, so ist das Versprechen, diskret geholfen.

Beratungsstelle involviert

Wird die Hilfsaktion in einer Gaststätte (Club, Café, Bar) angeboten, muss immer eine Frauenberatungsstelle involviert sein. In Leverkusen haben sich offiziell bisher 16 Gaststätten vom Frauennotruf Leverkusen, der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt, schulen lassen. Auch im Karneval soll den Frauen stadtweit geholfen werden. In der letzten Session wurde mit Plakaten in Bussen für „Luisa ist hier!“ geworben. Ich teste das Codewort in diesem Jahr bei mehreren karnevalistischen Feiern in Leverkusen aus.

Gleich beim ersten Versuch klappt es. Ich habe mich für die Leichlinger Sockensitzung ins Kostüm geschmissen, doch das Blitzen der Kamera verrät mich vielleicht. Jürgen Taubert weiß sofort Bescheid, ruhig führt er mich am Ellenbogen hinter die Kulissen, dort, wo das Buffet für die Künstler unter Klarsichtfolie wartet. Er erzählt mir, was nun folgen würde: Er würde mir anbieten, die Polizei zu rufen, oder ein Taxi.

Zu viel versprochen

Mir allein wäre die Entscheidung überlassen, ob ich überhaupt etwas erzählen wolle. Oder ob ich vielleicht eine Freundin anrufen möchte. Auf jeden Fall sei der erste Schritt, mich an einen ruhigen Ort zu bringen. Das Opladener „Schmalztöpfchen“, in dem Taubert normalerweise arbeitet, gehört zu den vom Frauennotruf ausgebildeten Gaststätten. Danach frage ich den Kollegen an der Bar auf der Sockensitzung – und stoße auf Unkenntnis. Auch im Forum arbeitet nur Aushilfspersonal an der Bar, die Herren sind nicht vom Fach. Sie lassen sich jedoch gerne aufklären und sind an der Aktion interessiert.

Das könnte Sie auch interessieren:

Am Hitdorfer Karnevalszug wird mir klar, dass die Information, Frauen bekämen im Leverkusener Karneval überall mit dem Codewort „Luisa“ Hilfe, schlicht falsch ist. Die Mitarbeiter vom Deutschen Roten Kreuz haben zwar schon mal von der Aktion gehört, verweisen aber darauf, dass sie nur für Bars gelte. Die Polizisten verstehen mich erst nicht und schauen dann an mir vorbei, als würde ich sie veräppeln. Eine weibliche Polizistin sei über „Luisa ist hier!“ aufgeklärt, erzählt sie nach kurzer Erklärung meinerseits, doch verweist wieder an Gaststätten. Na gut.

„Hier arbeitet keine Luisa“

Ich teste das italienische Restaurant und die Brauerei an der Hitdorfer Straße: Das Personal guckt sich verdutzt um, fragt die Kollegen. „Hier arbeitet keine Luisa“ oder „Ich weiß nicht, wer das ist“. Die Frauenberatungsstelle Leverkusen sagt auf Anfrage, dass sie nicht die Kapazitäten hätten, Gaststätten anzuwerben.

Haben Sie schon unseren kostenlosen Newsletter abonniert? Hier geht es zur Anmeldung.

Interessierte Gaststättenbetreiber können sich jedoch jederzeit gerne an die Beratungsstelle wenden und sich schulen lassen. Eine flächendeckendere Verbreitung der Aktion wäre wünschenswert, um die anvisierte Sensibilisierung für und Enttabuisierung von Gewalt gegen Frauen voranzubringen.

Nur für Frauen

Es bleibt zudem anzumerken, dass sich nur Frauen mit dem Codewort „Luisa“ melden können. Auch Männer können bedroht oder sexuell bedrängt werden, durch Frauen oder andere Männer. Meldet sich ein Mann mit dem Codewort „Luisa“ bei einem ausgebildeten Mitarbeiter, liegt es im Ermessen dieses Mitarbeiters, angemessen darauf zu reagieren.

Der Frauennotruf schult für einen solchen Fall nicht explizit. Vielmehr weist eine Angestellte der Frauenberatungsstelle darauf hin, dass es bundesweit noch keine ausreichende Versorgung für von sexueller Gewalt betroffene Männer gebe.

frauennotruf-lev.de

dfv-leverkusen.org

Gaststätten mit zur Aktion „Luisa ist hier!“ geschulten Mitarbeitern in Leverkusen finden Sie im Internet, auf der Website des Frauennotrufs.

KStA abonnieren