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„Ineffektiv“System des Leverkusener Gesundheitsamtes in der Kritik

Lesezeit 3 Minuten
dpa test corona

Die Inzidenz in Leverkusen ist nach wie vor sehr hoch. Woran liegt das? Deutliche Kritik am Gesundheitsamt wird laut.

Leverkusen – Wegen der anhaltend hohen Inzidenz hat die Stadt am Dienstag per Allgemeinverfügung ein Verweilverbot für bestimmte Orte und Zeiten verhängt. Erfahrungsberichte von Leserinnen und Lesern aber legen nahe, dass das Hauptproblem nicht am Rhein liegt. Sondern in den Strukturen des Gesundheitsamtes, dem es trotz des großen Einsatzes vieler Mitarbeiter aktuell nicht gelingt, Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen.

Etwa den Fall in einem Leverkusener Gymnasium, in dem sich an einem Freitag die Nachricht verbreitete, die Mutter einer Schülerin sei positiv getestet worden. Zu Beginn der folgenden Woche stellte sich heraus, dass auch die Schülerin positiv war. Der Schulleiter reagierte und schickte alle nach Hause.

Rückwirkende Quarantäne

Die Anweisung des Gesundheitsamtes kamen am darauffolgenden Freitag, eine Woche, nachdem der positive Test der Mutter bekannt war. Darin wurden Schüler in rückwirkende Quarantäne geschickt. Getestet werden Bürger in Quarantäne in Leverkusen am Ende dieser Zeit, nicht zwischendrin. Eventuelle Kontakte aus der Zeit, als die Quarantäne (rückwirkend) schon galt, aber noch nicht angeordnet wurde, können nicht offiziell informiert werden, weil ja kein positiver Befund der Schüler vorliegt.

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Dieses Vorgehen kritisiert eine Leverkusener Kinderärztin, deren Name der Redaktion bekannt ist. „Eine Clusterquarantäne ist so gedacht, dass das ganze Cluster sehr, sehr früh isoliert wird“, sagt sie. „Nicht eine Woche danach.“ Schließlich liege die höchste Infektiosität ein paar Tage nach dem Erstkontakt. „Das ist die Phase, in der die Schüler nichts von ihrer Quarantäne wussten.“ Und deswegen hätten sie direkt getestet werden müssen, um bei positivem Befund Kontakte zu identifizieren.

Viele Bürger berichten zudem, wie schwierig und zeitaufwendig es ist, das Gesundheitsamt telefonisch zu erreichen. Es werde viel Zeit und Energie sowohl der Bürger als auch der Mitarbeiter an der Hotline verschwendet – oft sogar ohne, dass am Ende ein konkretes Ergebnis steht. Hilfreich wäre es, wenn es im Internet zum Beispiel einen Leitfaden gäbe, wie man zum Beispiel mit einem positiven Selbsttest umgeht. „Da steht aber nur: Kontaktieren Sie das Gesundheitsamt“, klagt eine Leserin. Und das ist schwer zu erreichen, weil es sich eben um alle diese Anfragen kümmern muss.

Ineffektive Struktur

„Das ist ineffektiv, personalaufwendig und nicht zielführend“, sagt auch die Kinderärztin. Und meint damit ausdrücklich das System, nicht die engagierten Mitarbeiter. Wenn bei einem positiven Fall an einer Schule erst einmal alle Familien abtelefoniert werden müssen, anstatt ihnen über die Schulleitung eine schnelle Email zukommen zu lassen, geht wichtige Zeit verloren. Da helfe auch nicht mehr Personal, sondern nur Bürokratieabbau. „Die Informationsstrukturen müssen umgedacht werden. Primäres Ziel muss Schnelligkeit sein“, wünscht sich die Kinderärztin.

Wie schwierig es mit der Schnelligkeit oft ist, kann sie aus der eigenen Erfahrung berichten: Ein Fünfjähriger wurde in ihrer Praxis positiv getestet, das Ergebnis lag an einem Freitag vor. Die Kitaleitung war nicht zu erreichen. Über die Whatsapp-Gruppe der Kita meldeten mehrere Eltern Erkältungssymptome und auch positive Selbsttests. Mobile PCR-Tests durch die Malteser wären erst dienstags möglich gewesen. Viel zu spät. Also habe sie ihre Praxis für diese Familien am Samstag aufgemacht, eine Familie hat die Proben eigenständig ins Labor gefahren. Ergebnis: Fast alle positiv. Auch hier habe es keine zeitnahe Quarantäneanweisung des Gesundheitsamtes gegeben. „Insgesamt sind über 25 Personen über diesen Ausbruch infiziert worden.“

Effektivität statt Verboten

Fazit der Ärztin: „Die Arbeitsstruktur muss grundlegend reformiert werden. Wir müssen schnell werden, sehr schnell. Und effektiv.“ Das heißt: Wenn Strukturen wie Clusterquarantänen nicht greifen, müsse man neu überlegen und zum Beispiel Zwischentestungen machen, da die Leute ja nicht in Isolation waren. So könne man der Infektionslage eher Herr werden, als über Kontrollen am Rhein.

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