„Moosdruck”Druckerei der alternativen Szene wird 40

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Seit 40 Jahren ist er der Drucker der alternativen Szene: Mano Kampschulte (rechts). Christoph Bergerhausen gehört dazu.

Seit 40 Jahren ist er der Drucker der alternativen Szene: Mano Kampschulte (rechts). Christoph Bergerhausen gehört dazu.

Leverkusen – Die Geschichte dieser Firma ist besonders. Sie beginnt vor 40 Jahren. Die erste Maschine der Druckerei Moosdruck finanzierte die damals sehr bewegte Jugend Leverkusens. Das Startkapital sammelte man über eine Menge Einzelspender zusammen – und zwar lange, bevor diese Art der Geldsammelns von der Generation Internet neu erfunden wurde und mit „Crowdfunding“ einen Namen bekam.

Das Geld stammte aus der Eintrittskasse eines selbstverwalteten Open-Air-Festivals an der Wupperwiese, als an einem Juliwochenende 1977 über 1500 Leverkusener Jugendliche in Opladen zusammengekommen waren um mehrere lokale Bands zu hören, Kabarett und Theater zu sehen. Alle Künstler traten kostenlos auf. Einer der Höhepunkte war die Aufführung einer Theatergruppe, die ein experimentell-sozialkritisches Stück aufführte, bei dem sich die nackten Schauspieler mit Grießbrei bewarfen.

Den linken Zeitgeist gepflegt

Die Veranstalter, wie auch die Künstler rekrutierten sich aus dem legendären Jugendzentrum in den Kämpen. Und es kam Geld dabei zusammen, mit dem unter anderem eine eigene Druckmaschine angeschafft wurde. Die Jugend hatte damals viel zu drucken: Man stand politisch links, der Zeitgeist war extrem gesellschaftskritisch. Eigene Plakate mussten gedruckt werden, Flugschriften verbreitet, und in Anlehnung und gleichzeitiger kritischer Distanz zum „Leverkusener (Stadt-)Anzeiger“ gab ein Redaktionskollektiv den „Leverkusener Stadt-Erreger“ heraus. Einer der Herausgeber war damals Mano Kampschulte, zusätzlich war er Autor und der Fotograf des Szeneblatts.

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Polizei kam zur Hausdurchsuchung

„Unsere erste Maschine sollte transportabel sein“, sagt Kampschulte. Der Grund: Man wollte im Verborgenen drucken. Mal hier, mal dort. Kampschulte hatte als einer der Herausgeber des „Stadt-Erregers“ eine wie er sagt knüppelharte Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen müssen. Die Schutzpolizei unter dem damaligen Chef Rudi Pawelka suchte bei Kampschulte nach den Adressen von Leserbriefschreibern.

„Ich hatte eine Maschinenpistole am Kopf“, erinnert er sich an den Morgen der Durchsuchung. Der Vorgang war skandalös und ging als Leserbriefprozesse in die Geschichte ein: In den Briefen hatten die Schreiber Prügelattacken der Polizei bei einer Demonstration beschrieben. Die Polizei wollte die Schreiber ebenso anzeigen, wie sie es schon mit Leserbriefschreibern gemacht hatte, deren Briefe unter ihren echten Namen im „Leverkusener Anzeiger“ erschienen waren.

Erste Firmensitz im Wald am Moosweg

Es waren politisch raue Zeiten. Wurde bis dahin noch irgendwo auf Matrizenmaschinen („Nudelmaschine“) in Schulen oder sonst wo gedruckt, war klar, dass eine eigene Druckerei notwendig wurde, die den „linken Kram“ drucken sollte. Man gründete das Kollektiv „Moosdruck“ – es wurde dann zwar kaum im Untergrund gedruckt, aber immerhin bald in einem Keller. Der erste Firmensitz war im Haus einer Wohngemeinschaft mitten im Wald am Moosweg. Daher kommt der Name.

Auch wenn im Kollektiv alle gleichberechtigt sind, einer gehörte von Anfang an zur Firma: Mano Kampschulte. Offiziell nannte man sich „Betrieb in Selbstverwaltung“. Gleiche Rechte für alle, gleicher Lohn, einer war nach außen Besitzer. Das habe immer gut funktioniert, sagt Kampschulte, der heute der alleinige Inhaber ist. Neben dem klaren Profil der Firma als linke Druckerei ist der Mann mit dem Karl-Marx-Bart die Konstante im Laden. Vor 30 Jahren zog man vom Moosweg an die Kölner Straße in die ehemalige Pferdemetzgerei Wieden um.

Auszug aus der Pferdemetzgerei

Das Bild dort ist stimmig: Tisch und Stühle stehen im überdachten Hinterhof, die Kantine könnte eine Küche aus einer 80er-Jahre-Wohngemeinschaft stammen, an den Wänden hängen Plakate zum Klimawandel und von pro Asyl. Den Betriebsräumen sieht man die vielen Jahre intensiver Arbeit an. Neben einer der Maschinen liegt noch ein Plakat für den letzten Christopher Street Day. Mano Kampschulte druckt heute nicht nur für die Szene, auch „ganz normale Sachen, auch für die Stadtverwaltung“, wie er sagt.

Aber das Druckergewerbe ist keine einfache Branche. Der 67-Jährige bietet zusätzlich Computerdienstleistungen an. In 40 Jahren hat er viele Kollegen gehabt; heute beschäftigt er zwei Lohnabhängige. Nora Birkenstein und den gelernten Drucker Christoph Bergerhausen. Zur Zeit sucht Kampschulte neue Betriebsräume zur Miete, denn für Moosdruck steht der zweite Umzug der Firmengeschichte an, weil die GBO die alte Pferdemetzgerei abreißen will. Der Drucker mit dem politischen Horizont will weitermachen: „Wir sind alle nicht reich geworden“, sagt er, „aber wir leben davon und die Firma hat uns viel Spaß gemacht.“ Die Leserbriefprozesse verliefen übrigens im Sande.

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