2 Stunden in WiesdorfTrotz Vorstadtidylle sorgen sich Frisöre und Bäcker

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Die Backstube und Konditorei Pohl ist seit 2006 in den Händen der Familie Schemiger.

Leverkusen – Die Sonne knallt mir auf den Schädel, als ich auf das Mehrfamilienhaus in der Heymannstraße 1 blicke. Der Dartpfeilwurf hat mich am Donnerstagmittag am Höhepunkt der aktuellen Hitzewelle dort hergeführt. Ich befinde mich gleich gegenüber der Wiesdorfer Polizeiwache. Ob die Beamten heute wohl häufiger ausrücken müssen, frage ich mich. Hitze führt bekanntlich zu mehr Aggression, denn je heißer die Temperaturen, desto gereizter die Gemüter, sagen zumindest einige Studien. Apropos Hitze: Die Wache befindet sich momentan im Umbau wegen einer Brandschutzsanierung.

Doch mein Ziel ist ein anderes, nämlich einer der Gärten im Hinterhof des Mehrfamilienhauses. Wie gelange ich da überhaupt hin?

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Klassiker wie Gurken, Kartoffeln, Zucchini, Pfefferminz und Basilikum, aber auch Datteln sind Teil der Zucht von Ikram El-Fartakh.

Ich gehe links um das Haus und erwische gerade noch so die Schwester der Anwohnerin, der der Garten gehört. „Ich pflanze jeden Samen ein, den ich finde“, erzählt mir Ikram El-Fartakh stolz von dem Gemüse und den Kräutern, die sie im Garten ihrer Schwester anbaut. Klassiker wie Gurken, Kartoffeln, Zucchini, Pfefferminz und Basilikum, aber auch Datteln sind Teil ihrer Zucht, die – auch wenn sie etwas provisorisch ausschaut – Früchte trägt.

Mehr Grün statt Asphalt

Für Bienen bieten die wuchernden Wildblumen ein Zuhause, die in diesem Jahr aber nicht so bunt seien wie sonst. El-Fartakh sagt: „Ich liebe das Grün. Das ist unser Leben.“ Und etwas mehr von dem Grün würde uns nicht schaden in den betonlastigen Städten, die sich jetzt so aufheizen. Da sind wir uns einig.

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Die Heymannstraße

Es geht für uns beide weiter, denn die mobile Friseurin ist auf dem Sprung zu ihrer nächsten Kundin. Wie in fast allen Lebensbereichen spürt auch sie die Inflation in ihrem Beruf merklich. Kunden würden auf das Waschen und Föhnen durch die Frisörin eher verzichten, um Geld zu sparen.

Betroffen ist auch Mario Albanese. Ich treffe auf den Frisörsalon „Mario und Elke“, als ich rechts abbiege und die Manforter Straße hinuntergehe. Die Kundschaft sei weniger geworden, erst durch Corona und jetzt auch noch durch die Inflation. „Doch die Stammgäste sind geblieben. Gott sei dank“, freut sich Albanese, denn die machen 80 Prozent seiner Klienten aus. Die Preise haben er und seine Frau Elke, die als Inhaberin den Salon vor 20 Jahren eröffnete, zwar noch nicht erhöht, doch ab nächsten Monat kommen die beiden nicht mehr drum herum.

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Die Polizei an der Grenze zwischen Wiesdorf und Manfort: Ob die Beamtinnen und Beamten während der vergangenen Hitzewochen mehr zu tun hatten?

Wenige hundert Meter weiter entdecke ich die Konditorei Pohl. Ob sie wohl genau so wie die benachbarten Styling-Experten mit den steigenden Preisen zu kämpfen haben? „Natürlich“, versichert Sibylle Schemiger, „allein beim Mehl gab es seit Oktober 2020 sechs Preiserhöhungen.“

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Neben den gestiegenen Preisen bei Grundzutaten und Verpackung hat der Kleinbetrieb, der auch einen kleinen Mahlzeiten-Lieferservice für Senioren anbietet, ein weiteres großes Problem: Sie können die gestiegenen Mindestabnahmen der Lieferanten für Produkte teilweise nicht mehr erreichen. „Die Lkws fahren hier vorbei, aber halten nicht mehr“, bedauert die Inhaberin. Die Backstube ist seit 2006 in den Händen der Familie Schemiger.

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Auch Frisörsalons kämpfen mit der Inflation.

Schutz vor der Sonne erhoffe ich mir von den Bäumen des Friedhofs auf der anderen Seite. Dort angekommen, liegen gelbe Schläuche am Wegrand. Ich folge ihnen und stoße auf Thomas Peters, der gerade fleißig die Büsche bewässert. Denn Wasser, viel Wasser haben die Pflanzen und Bäume nun dringend nötig. Trotz der ganzen Bemühungen liegt schon Laub am Boden. Es fühlt sich schon fast etwas wie Herbst an, wäre da nicht die Hitze. Die Abkühlung kommt, viel Regen ist allerdings nach wie vor nicht in Sicht. Mein Rückweg führt mich durch die Haberstraße ab, zum Abschluss schlendere ich noch durch die alten Bayer-Koloniesiedlungen und genieße den Hauch von Vorstadt-Idylle.

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