2G-Plus in LeverkusenGastronomen zwischen Verzweiflung und Verständnis

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Im Extrablatt ist es gut gefüllt, aber auch nur abends.

Leverkusen – Seit Donnerstag gilt 2G-Plus in Restaurants und Gaststätten, die Landesregierung möchte damit unter andrem Anreize fürs Boostern schaffen. Was macht das mit der Leverkusener Gastroszene?

Tests in den Lokalen vor Ort kann man nirgendwo machen, dafür gebe es keine personellen und logistischen Kapazitäten, sagen viele Gastronomen. Die inhabergeführte Wiesdorfer Gastronomie-Szene ist am Freitagabend nicht wiederzuerkennen: „Es ist die beste Zeit, aber die Läden sind alle menschenleer“, bedauert Topos-Betreiberin Ingrid Orth. „Katastrophe“, ruft sie, „schlechter kann es nicht mehr werden.“ Denn in ihrem Topos, das einst immer bis spät in die Nacht gut besucht von durstigen Jazzfans war, ist es still geworden. An den Wänden hängen Plakate von geplanten Konzerten – einige der Daten sind durchgestrichen. Nun käme wirklich nur noch der härteste Kern der Stammgäste, berichtet Ort: . „Früher war ich meist um zwei Uhr erst zu Hause, jetzt bin ich spätestens um elf Uhr im Bett, weil der Laden leer ist.“

Konzerte unter 2G

Paradox sei auch, dass für Konzerte und Aufführungen 2G gelte. „Wenn es hier also richtig eng und voll wird, weil doch ein Konzert stattfindet, braucht man plötzlich keinen Test und keinen Booster mehr.“ Das verwirrt die Wirtin.

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Für Dieter Prahl, der sich als „Ex-Green-Keeper“ früher um den Rasen in der Bay-Arena gekümmert hat, gibt es keine Alternative: „Wir müssen an einem Strang ziehen, dann haben wir kein Elend.“ Die Gesellschaft hätte genug schlimme Tage hinter sich, „da müssen wir doch diese kleine Oase, wo wir jetzt noch hingehen können, um Kultur zu erleben, unterstützen.“

Im italienischen Restaurant Da Franco kann Gast Andreas Hauner dem Ganzen aber auch etwas Positives abgewinnen: „So ein Restaurant mal für sich alleine zu haben, ist ganz schön besonders.“ Mit seiner Frau Rita genießt er nach einem anstrengendem Tag im Chempark einen Feierabend zu zweit, beim nach eigenen Angaben „besten Italiener Leverkusens“. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden – trotz allem – die Familie Da Franco zu unterstützen und hier heute zu essen“, erklärt Rita Hauner. „Denn irgendwie hasse ich diese Teilung der Gesellschaft im Moment – und das wird mit der 2G-Plus-Verordnung nicht besser.“

Die Stimmung sei schlecht, findet Francesco Da Franco. Er ist 35 Jahre in der Gastronomie und habe eine solche Situation noch nicht erlebt: „Das ist zu viel. Das ist eine Spielerei mit uns, es hat sich doch nichts verändert.“ Er ist der Meinung, dass, wer geimpft ist, alles machen dürfen soll und wer nicht, der dürfe dann eben nicht mehr in Kino, Restaurant, Fitnessstudio und Co. Sie hätten das Glück, dass sie keine großen laufenden Kosten, kein Personal bezahlen müssten. Auch kauften sie im Moment natürlich nur wenig ein, machten lieber erst wenig Nudelteig und dann später nochmal neuen.

„Nicht so schlimm wie vermutet“, fällt die Regel für Nikolaos Papageorgiou vom Wiesdorfer Grill aus. Er hat beobachtet: „Alle sind geboostert. Wenn jemand hier ein Testzertifikat vorzeigt, der hat das für etwas anderes gebraucht“, ist sein Eindruck. „2G-Plus, da spricht viel für und gegen. Die Gastronomen sind natürlich nicht an allem schuld, aber einfach weitermachen ist ja auch keine Option.“ Man wisse nie, ob man vielleicht Überträger ist, da würden die Tests natürlich helfen. Trotzdem hoffe er, dass die Regelung nicht lange anhält und der Sommer besser wird.

Verständnis der Kunden und Kundinnen

Sarah und Dorothea Urlaub kommen traditionell jeden Freitag hier essen. Dorothea Urlaub hat Verständnis für die Maßnahmen: „Die Inzidenz in Leverkusen geht schließlich durch die Decke – wo auch immer das herkommt.“ Genau so Verständnis hat Sarah Urlaub aber für diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen: „Das ist eine persönliche Entscheidung.“

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Vor dem Café Extrablatt hängt eine Absperrkordel, vor der Jugendliche Schlangestehen. Hier herrscht ein komplettes Kontrastprogramm zum Rest von Wiesdorf: Das Lokal ist voll, kein Platz mehr frei. Schichtleiter Matias Enrices erläutert, dass das aber nur abends so ist: „Dann kommen die jungen Leute, viele mit einem Testzertifikat aus den Schulen. Tagsüber, wo überwiegend Familien und ältere Gäste kommen, ist es seit 2G-Plus auch wesentlich leerer geworden.“

Persönlich finde er die neue Verordnung gut und richtig, aber fürs Geschäft ist sie eindeutig schlecht – insbesondere nachdem viele Weihnachtsfeiern ausfallen mussten. „Fast jeden Tag ist das Ordnungsamt bei uns und prüft die Einhaltung der Regeln“, sagt Enrices.

Ellen, Janneke, Lisa und Berit haben an dem Abend nach der Schule einen Tisch ergattert. Berit findet die Regel gut: „Das drängt die Leute dazu, sich boostern zu lassen.“ Sicher fühlten sie sich alle in dem vollen Lokal. „An den größeren Abständen und der Maskenpflicht hat sich ja nichts verändert“, erklärt Janneke. Sie sind sich mit Enrices einig: „Besser 2G-Plus, als wenn in einem richtigen Lockdown wieder alles zu ist.“ Dieser ist froh über so verständnisvolle Gäste. Immer wieder gäbe es Kunden, die aggressiv oder beleidigend würden. Sein Appell: „Bitte bringt in dieser bewegten Zeit etwas Geduld und Zeit mit.“

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