70 Prozent Umsatz-Minus im LockdownLeverkusens Taxifahrer hoffen auf Weihnachten

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Das Genossenschaftsmodell habe einige Taxiunternehmen in der Corona-Krise bisher gerettet, sagt Erdal Arslan, Chef des Taxiruf Leverkusen.

Leverkusen – So war es „damals“, und das ist gar nicht so lange her: Es ist spät geworden in der Stammkneipe. Der letzte Bus ist längst weg, beschwipst Autofahren geht nicht. Also ab ins Taxi, dessen Fahrer einen noch mit einem gemütlichen Plausch heimbringt. Die Kneipen sind geschlossen, also muss man auch nicht mehr heim. Was das mit dem Taxi-Gewerbe macht, berichten Fahrer Horst Müller und Erdal Arslan, der Chef des Taxiruf Leverkusen. Dort verhindert im Moment das Genossenschaftsprinzip das Schlimmste. Aber: „Wir mussten Kredite aufnehmen“, sagt Arslan. Und das abendliche Geschäft hat das Taxigewerbe weitgehend aufgegeben. „Wir halten nur noch den Notdienst aufrecht.“ Das heißt: Zehn Autos stehen zur Verfügung – bei 62 Taxis, die es insgesamt in Leverkusen gibt.

Ein ganz bisschen Hoffnung macht Weihnachten. Familienfeiern sind ja im kleinen Rahmen machbar – davon sollten auch die Taxifahrer etwas haben. Also stehen abends und nachts 20 Autos bereit. Ebenso an Silvester.

110 Euro Tagesumsatz reichen nicht mal für den Mindestlohn

Horst Müller hat sein Arbeitsleben am Steuer verbracht, fährt seit 1975 Menschen von A nach B. Auch jetzt, eigentlich im Ruhestand, ist er noch unterwegs – in der Tagschicht. Am Montag und Dienstag vor dem kompletten Lockdown ist noch viel Verkehr; die Menschen wollen schnell alles Mögliche erledigen. „Diese Tage müssen wir jedoch ausklammern“, sagt Müller über die Freisprechanlage seines Wagens. Die Corona-Normalität sei, dass man oft erst eineinhalb Stunden nach Dienstanfang den ersten Auftrag bekomme. „Mit 110 Euro Umsatz pro Tag kann man nicht auf den Mindestlohn kommen.“

Dieses Szenario werde wiederkommen. „Die Zeit im ersten Shutdown war fürchterlich. Jetzt wird es auch wieder bergab gehen.“ So ist es dann auch. „Minus 70 Prozent“ ist die Einschätzung von Erdal Arslan. So ist das, wenn nur noch Geschäfte öffnen dürfen, die Lebensmittel und anderen täglichen Bedarf verkaufen – und sonst niemand.

Da helfen dann auch die Sicherheitsvorkehrungen nichts. Die Taxen, in denen Horst Müller fährt, sind keine Ausnahme. Alle haben eine Trennwand aus Plastik, die hinter den Vordersitzen quer durch das Auto geht. Zusätzlich tragen die Fahrer Masken: „Es ist erkannt worden, dass das Vermummungsverbot, das eigentlich beim Führen eines Fahrzeugs gilt, hier nicht anwendbar ist“, erläutert Müller. Mittlerweile dürfen das auch keine Alltagsmasken mehr sein. FFP 2 ist Pflicht, „bei uns muss Sicherheit Vorfahrt haben“, bemüht Taxiruf-Chef Arslan einen eingängigen Slogan.

Er hilft nur nicht viel. Viele Leute haben Angst, in ein Taxi zu steigen – oder sind erst gar nicht unterwegs, weil sie ihre Kontakte einschränken. Horst Müller berichtet: „In diesem Jahr war man stolz, wenn man 40 Prozent des üblichen Umsatzes schaffte. Um wenigstens für ein paar Fahrer vernünftige Umsätze zu ermöglichen, wurde nun also die Hälfte der Autos auf dem Hof des Unternehmens gelassen.“

Rotationssystem soll die Not lindern

Dabei hat der Taxiruf – ganz dem genossenschaftlichen Gedanken verpflichtet – ein Rotationssystem angewendet. „An einem Tag die Autos mit den Nummern eins bis 30, am nächsten die mit den Nummern 31 bis 62“, erklärt Erdal Arslan. So kam jeder mal dran, aber eben nur jeden zweiten Tag. Das hat dann sowieso schon mal den halben Umsatz gekostet. Nur, dass jeder Tag eher mau war. „Im Oktober war es noch okay“, sagt Arslan. „Ab November ließ es dann sehr nach, und mit dem Lockdown jetzt sieht es ganz schlecht aus.“

In Städten wie London entstehen mittlerweile regelrechte Taxi-Friedhöfe. Bei uns hat sich der Service bisher nicht so stark verbreitet wie in den Großstädten anderer Länder. Doch auf dem Hof abgestellte Taxen – das bedeutet, Zuhause gebliebene Fahrer. Arbeitslose Fahrer. Jedenfalls sehr oft. Die größeren Unternehmen, sagt Arslan, hätten für ihre Angestellten Kurzarbeit angemeldet. „So musste wenigstens niemand entlassen werden.“

Das Prinzip Selbstausbeutung

Das wäre auch nicht gut. „Sie bekommen die Fahrer auch nicht wieder“, weiß der Chef des Taxirufs. Während die angestellten Chauffeure also noch einigermaßen abgesichert sind, handeln die Einzelunternehmer seit Corona nach dem Prinzip Selbstausbeutung. Kein Umsatz, kein Lohn. So einfach ist das.

Dass die Corona-Krise im Taxigewerbe dennoch Jobs kostet, weiß Horst Müller: „Einige Rentner, die noch für uns gefahren sind, haben sich jetzt entschlossen, aufzuhören. Und ich weiß von einem Kollegen, der jetzt bei einem Busunternehmen untergekrochen ist.“ Die suchen immer Fahrer. Allerdings benötigen die einen Bus-Führerschein. Und der ist sehr teuer.

Wer bleibt, muss kämpfen. „Die Kollegen von der Nachtschicht, die können einem nur leidtun“, sagt Horst Müller. Schon unter dem Gaststättensterben hätten sie gelitten. Doch nun sei nachts überhaupt nichts mehr los.

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Für ihn kann es nur eine Lösung geben: Mehr Umsatz. Und da hat Müller eine offensive Idee.

„Haben Sie mal ausgerechnet, was ein Auto Sie im Monat so kostet?“, trägt er seinen Ansatz vor. „Das beläuft sich auf 400 Euro. Und viele fahren mit ihrem Wagen nur einmal die Woche. Mit zirka 100 Euro die Woche könnte man umgerechnet ganz schön viel Taxi fahren!“

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