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Amtsgericht LeverkusenHohe Haftstrafe und erschreckende Gleichgültigkeit

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Amtsgericht Leverkusen Opladen Archiv1

Im Opladener Amtsgericht (Archivbild)

Leverkusen – Was sich der Angeklagte dabei gedacht hat, drei junge Männer in der Nacht des 23. August 2020 ins Gesicht zu schlagen und einem vom Ihnen unter Drohungen 195 Euro abzunehmen – das war vor dem Amtsgericht auch in der Fortsetzung des Prozesses nicht zu erfahren. Denniz A. (alle Namen geändert) schwieg weiter zu den Vorwürfen – und wurde letztendlich auch wegen seine Vorstrafen zu einer durchaus drastischen Gesamtstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten ohne Bewährung verurteilt.

Unlogische Reaktion

Die Aussagen der beiden nach vorheriger Abwesenheit nun von der Polizei zum Gericht eskortierten Zeugen waren umso aufschlussreicher. Weniger über den Tatvorgang selbst, den der Hauptzeuge Fabian T. am ersten Verhandlungstag eindrücklicher beschrieb. Vor allem aber darüber, wie gering das Vertrauern in die Polizei in den Kreisen der jungen Männer ist. Und welches Maß an Gewalt sie als akzeptabel empfinden.

Schlag ins Gesicht

Der heute 18-jährige Auszubildende zum Elektriker Anton B. und der angehende Abiturient Manuel P. (19) waren nach einer Party bei Fabian T. von dem Angeklagten auf offener Straße angegriffen worden. Sie seien zu laut gewesen, habe der Angreifer geschrien. Die beiden jungen Männer trennten sich, um den Verfolger abzuschütteln. Dieser blieb an B. dran und ging mit ihm zu einem Haus, in das der Angreifer verschwand und dem 18-Jährigen sagte, er solle dort warten. Vor der Tür fand ihn sein Freund wieder und blieb ebenfalls dort. „Ich lass meinen Freund ja nicht einfach alleine da stehen“, sagt P. Warum der sportliche junge Mann nicht einfach weggelaufen sei, können sich beide heute selbst nicht mehr erklären. Zu dritt gingen sie zurück zum Haus von Fabian T., der von dem Angreifer ebenfalls einen Schlag ins Gesicht bekam und aufgefordert wurde, der Gruppe zu folgen. Schließlich ließ der Angreifer die beiden zuerst aufgegriffenen wieder laufen, verfolgte aber Fabian T. zurück zu dessen Haus, wo er ihm unter Androhung von Gewalt an ihm oder seiner Familie 195 Euro abnahm.

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Warum haben die beiden Freunde nicht die Polizei gerufen, als sie außer Gefahr waren und aber wussten, dass der Angreifer immer noch an T. dran ist? „Akku leer“, sagt Anton B. Der gesprächigere Manuel P. gibt freimütig zu: „Ich hole nicht die Polizei wegen jeder Kleinigkeit. Ich versuche, das selbst zu regeln.“ Dass er einfach seines Weges gegangen sei, während sein Bekannter weiter bedroht wird, sieht er nicht so tragisch. „Ein bisschen Geld ist weg und jeder hat eine Faust abgekriegt“, sagt er schulterzuckend. Wobei er den Gerichtsmitgliedern auch noch Fotos von seinem blutigen Gesicht zeigt und angibt, noch drei Wochen lang starke Kopfschmerzen gehabt zu haben. Nicht weiter schlimm. Bei der Befragung sei der Polizist dann auch sehr unfreundlich zu ihm gewesen und habe ihn immer „angemeckert“, er möge sich jetzt mal besser erinnern. „Aber ich bin nichts anders gewohnt“, betont der Zeuge noch einmal seine Abneigung gegen die Polizei.

Diverse Vorstrafen

Die Strafe für Denniz A. ist hart ausgefallen, zumal die beiden Zeugen im Fortsetzungsprozess ihn nicht eindeutig als den Täter identifizieren konnten. Deswegen hatte die Verteidigung auf Freispruch plädiert. Das Schöffengericht sah das aber als erwiesen an und überbot die Forderung der Staatsanwältin nach einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten deutlich. Das mag mit der Vergangenheit des Angeklagten zusammenhängen, der zur Tatzeit bereits unter Bewährung stand: Er war 2017 wegen Diebstahls in besonders schwerem Fall und Sachbeschädigung zu sechs Monate auf Bewährung verurteilt worden, im Dezember 2020 erneut wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Fahren und ohne Fahrerlaubnis und Fahrerflucht zu einer Geldstrafe von 1000 Euro, die bis zum neuen Prozess nicht beglichen waren. Die Haftstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten ist somit als Gesamtstrafe zu verstehen.

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