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Bayer-KaufhausIn diesem legendären Warenhaus ging ganz Leverkusen einkaufen

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So kannte man es über Jahrzehnte in der City: Das Bayer-Kaufhaus, aufgenommen im Jahre 1961 und somit kurz nach seinem Umbau.

Leverkusen  – Die wenigsten Menschen, die heutzutage durch die City in Wiesdorf gehen, dürften beim Anblick der Rathausgalerie mit ihren zig Geschäften an früher denken. Die große Einkaufspassage gehört seit 2010 zum Stadtbild und ist – Leerstand hin oder her – so sehr zu einem Bestandteil des Alltags geworden, dass die Existenz einfach hingenommen wird.

Was auf gewisse Weise bedauerlich ist, denn: Früher stand an gleicher Stelle eine Institution, die eben nicht die in allen Großstadtzentren sattsam bekannte Shopping-Langeweile im Sinne immer gleicher Geschäftsketten zum zweifelhaften Konzept erhob, sondern besonders war: das Bayer-Kaufhaus. Ein aus dem Stadtbild verschwundenes Gebäude. Und Bestandteil der dritten Folge unserer entsprechenden Serie.

„Consumanstalt“ als Vorläufer

Sein Vorläufer wurde im Jahre 1897 als „Consumanstalt der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co.“ an der Hauptstraße zwischen Elberfelderstraße und Barmerstraße eröffnet. Der Zweck: Das kleine Kaufhaus sollte die Nahversorgung der in den dortigen Bayer-Werkskolonien lebenden Menschen sicherstellen. In der damaligen Liste der „Wohlfahrtseinrichtungen“ des Werkes hieß es: „Die Consumanstalt hat den Zweck, den Angehörigen der Fabrik gute und preisgünstige Waren zu beschaffen. Der Verkauf geschieht nur gegen Barzahlung.“

Im Gegensatz zum Kaufhaus im späteren Stadtzentrum war dieser Vorläufer als Holzwerkfachbau noch unscheinbar – und bei manch einem offenbar umstritten: In der Opladener Zeitschrift „Der Bote“ vom 27. Mai 1907 heißt es recht sarkastisch: „Die Arbeiter [...] können später ihren gesamten Hausbedarf aus den Fabrikwohlfahrtsanstalten decken und die freitags verdienten Groschen wandern samstags wieder in die Beutel ihrer Arbeitgeber, um die Dividende noch zu steigern oder die Abschreibungen noch höher zu gestalten. Das sind Momente, die den kleinen Handwerksmeistern und manchen Geschäftsinhabern die Spitze brechen und für immer den Garaus machen können.“

Erweiterung 1911

Wie auch immer: Das Geschäft war, wenn man so will, eines mit einträglichem Geschäft. Mehr noch: Es musste erweitert werden. 1911 wurde der Nachfolger der „Consumanstalt“ schließlich unter dem auch später gültigen und populären Namen „Bayer-Kaufhaus“ an der Ecke Kölner Straße/Hauptstraße gebaut und prägte für die kommenden Jahrzehnte das Stadtbild wie das Stadtleben. Von Anfang an gab es Lebensmittel, Schuhwaren, eine Werkstatt für Schuhreparaturen, eine Textil-Abteilung sowie eine Abteilung für Haus- und Küchengeräte.

Im Krieg schwer beschädigt und nur notdürftig geflickt, wurde das Gebäude zwölf Jahre später letztlich abgerissen und neu aufgebaut werden. Die „Neue Rhein Zeitung“ schrieb dazu am 26. November 1957 martialisch: „Rentner, Hausfrauen , Kinder – unzählige Leverkusener Bürger aus allen Bevölkerungskreisen stoppten gestern auf der Hauptstraße Ecke Kölner Straße ihren eigenen Gang. Sie verfolgten dort minutenlang das Zerstörungswerk der Bagger. Mit gierigen, schier unersättlichen Armen griffen die eisernen Ungetüme in die Steintrümmer.“

Blütezeit ab 1959

Was folgte war die Blütezeit ab 1959, als das Bayer-Kaufhaus in seiner quasi bis zum Ende hin gültigen und weit über Leverkusen hinaus bekannten Größe eröffnete. Die Presse sprach von der „neuen baulichen Dominanz am Rathaus“ (RP). Freute sich über den Bayer-Chef Professor Ulrich Haberland, der der Eröffnung beiwohnte – und titelte anlässlich seines Besuches: „Der Generaldirektor in der Milchbar“ (KR).

Der frühere Redaktionsleiter des „Leverkusener Anzeiger“ Alfred Nasarke schrieb gewohnt mit Pathos: „Die Stadt wächst, ob wir wollen oder nicht.“ Und die „Neue Rhein Zeitung“ lieferte die Einschätzung: „Der Kaufhaus-Neubau schließt eine städtebauliche Lücke [...] Es [das Bayer-Kaufhaus]wird ein wichtiger Pfeiler in der modernen, städtebaulichen Stadtkerngestaltung“ und werde „die Gegendominante zum Stadthaus bilden“.

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Filialen in den Stadtteilen

Ein knappes Dutzend Filialen des Bayer-Kaufhauses eröffneten in den folgenden Dekaden in den Leverkusener Stadtteilen. 1969 folgte ein Anbau in Richtung des damaligen „Hertie“-Kaufhauses, das mal als Konkurrenz, mal als zusätzlicher Magnet für Kundinnen und Kunden angesehen wurde. Die Verkaufsfläche wurde von 3800 auf 6600 Quadratmeter erhöht, die Gesamtfläche gar von 6800 auf 12500 Quadratmeter.

Ein rostroter Turm mit Treppenhaus und Aufzügen entstand. Ein Lieferservice für Schnittchen und kalte Platten – gewissermaßen das erste Pizzataxi Leverkusens – wurde ins Leben gerufen. Die Käse- und Fleischtheke, zu Hochzeiten 18 Meter lang, erlangte Ruhm über die Stadtgrenze hinaus. 460 Beschäftigte wuselten ab 1967 durchs Haus – Tendenz steigend. Es gab Modenschauen und zum 100. Gründungstag 1997 „Preise wie Anno 1911“.

Probleme eines Geschäftsbetriebes

Und doch ereilten auch das Bayer-Kaufhaus nach und nach die Probleme eines Geschäftsbetriebes: Die Betriebskosten stiegen, die Lohnnebenkosten in Abhängigkeit zur Bayer AG ebenfalls. 2006 wurde das Ende verkündet, da ab 2010 das ECE-Center – sprich: die Rathausgalerie – kommen sollte. 2007 begann der Ausverkauf. Und am 24. und 25. Dezember berichtete diese Zeitung von „Tränen im Bayer-Kaufhaus“. Ende. Aus. Rollgitter runter.

Im Februar 2008 folgte die Feststellung im „Leverkusener Anzeiger“: „Das Bayer-Kaufhaus fäll in atemberaubender Geschwindigkeit.“ Wenige Monate später erinnert sich eine ehemalige Angestellte an der Brachfläche an den Moment des Endes: „Da war’s mir zum Heulen.“ Ein weiteres prägendes Gebäude Leverkusens war nur noch Geschichte.

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